So kam das Jahr 1908 —
‚Da traf ich Dich, in ärgster Not: den Andern!
Mit Dir vereint, gewann ich frischen Mut.
Von neuem hob ich an, mit Dir, zu wandern,
und siehe da: Das Schicksal war uns gut.
Wir fanden einen Pfad, der klar und einsam
empor sich zog, bis, wo ein Tempel stand.
Der Steig war steil, doch wagten wir's gemeinsam.
Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand.‘
Der Andre war Sie, die mein Leben fortan teilte; der Pfad war der Weg theosophisch-anthroposophischer Erkenntnisse, wie sie uns heute, in einziger Weise, durch Rudolf Steiner vermittelt werden.
In dieser Persönlichkeit lebt ein großer spiritueller Forscher ‚ein ganz dem Dienste der Wahrheit gewidmetes Leben‘ vor uns und für uns dar.
Vor ihm darf auch der Unabhängigste sich von neuem besinnen und revidieren, vor ihm hat dies jedenfalls der getan, der immer am liebsten dem Worte nachleben wollte: — Vitam impendere vero.
14In me ipsum
Was ist denn von außen her über ein Leben zu sagen!
Gar nichts.
1891
Nicht im lärmenden Kampf der Tage, auch nicht im Sturm einer großen Zeit, aber nach Jahrtausenden stiller Arbeit, nach Äonen ewig fortwirkenden Webens — dann werden die Menschen gut werden.
O, wer diesen Glauben, der mir Gewißheit ist, in allen Augenblicken seines Strebens im Herzen lebendig fühlte, er würde glücklich sein.
Mein einziges Gebet ist das um Vertiefung. Durch sie allein kann ich wieder zu Gott gelangen. Vertiefung! Vertiefung!
1892
Ich bin ein Studienkopf, den der Schöpfer einst flüchtig skizzierte, als ihm ein Künstlerporträt im Sinne lag.
1894
Ich möchte nicht leben, wenn Ich nicht lebte.
Vor einer Menschenmenge: Ich sehe plötzlich die Gedanken dieses Volks wie eine dicke schwarze Wolke über ihm. Eine Wolke voll Tränen und Blitzen.
Über all meinen Werken soll es wie ein großes Verstehen liegen — und davon werden viele glücklich werden.
1895
Mir ist mein ganzes Leben zu Mut, als ginge mein Weg oft an der Hecke des Paradieses vorbei. Dann 15streift mich warmer Hauch, dann mein‘ ich, Rosen zu sehn und zu atmen, ein süßer Ton rührt mich zu Tränen, auf der Stirn liegt es mir wie eine liebe, friedegebende Hand — sekundenlang. So streife ich oft vorbei an der Hecke des Paradieses …
O tiefe Liebe, die mich zu allem beseelt.
Möchte gern noch oft erwachen, stets als großer Künstler.
1896
In Arco:
Ich dünkte mich einer jener alten blonden Germanen, die hier einst mit Herrscherschritt durch die Straßen wanderten.
Ich sehe auf mich selbst zurück. Unzählige Gestalten huschen schemenhaft an mir vorüber.
Ausgraben will ich meiner Seele Schacht.
Daß ich nie in meinem Leben eine Schwester gehabt habe! Kein fremdes Weib kann dem Bruder ein solches Verhältnis ersetzen.
Man lasse sich durch meine Ironie nicht irreführen. Meine Ironie ist naiv wie mein Pathos. Ich vermag Unglaubliches ironisch zu sagen, ohne eine Spur von frivoler Empfindung …, ja vielleicht schrieb ich es mit ernsthaftester Miene, ohne ein andres Lachen als das eines in sich heiteren unbewegten Geistes.
16Traum
Ich fange das Raubvogelgesindel meiner häßlichen Gedanken und brate sie am Spieß, der über einem Feuer sich dreht. Ach, vergebens.
Nach einer Zoten-Posse
Je älter ich werde, einen desto tieferen, bittreren, inbrünstigeren Widerwillen empfinde ich gegen die Zote. Weniger gegen die, welche etwa von Mann zu Mann kursiert, obschon ich auch sie vollständig entbehren könnte, als gegen die öffentliche Zote von der Bühne herab. Wenn plötzlich Hunderte versammelter Menschen jede Scham voreinander verlieren und in wiehernder Freude über eine nicht mißzuverstehende Andeutung übereinstimmen, dann sinkt mir der Mensch unter das Tier und ein schmerzlicher Unwille zieht mir das Herz zusammen.
Ich habe doch für vieles Leichtsinn und nicht zum mindesten für die Liebe jeglicher Art, aber vor der berechneten Zote vergeht mir aller Übermut. Da schaue ich nur in einen Abgrund von Gemeinheit und Häßlichkeit. Wir jungen Männer, die wir etwas auf uns halten, sollten jenen Aufführungen beizuwohnen nicht als uns angemessen erachten und am wenigsten Weiber, die wir ehren, mit uns in jene niedrige und widerwärtige Sphäre hinabziehen.
Mein Skeptizismus ist vielleicht gerade das Charakteristische des philosophischen Dilettanten. Der philosophische Dilettant ist immer schnell am Ende aller Dinge, weil er nur die Ergebnisse der bereits gewonnenen Erkenntnis im Auge hat, ohne die Wege 17zu gehen, ja oft auch nur zu kennen, auf denen jene erreicht worden sind.
Jedes Jahr habe ich mindestens Eine Periode fürchterlichsten Zweifels an mir selbst. Dann lebe ich mit beständigen Todesgedanken.
1897
Die Sehnsucht meines Lebens ist eine oft übermächtige Sehnsucht nach praktischem Schaffen im Großen. Plastik wäre (und Architektur) mein höchster Fall. Meine höchste Liebe galt immer dem Gegenständlichen, der Linie, der Farbe, dem Ton an sich. Schon er allein vermochte mich zu entzücken, wievielmehr erst seine organischen Verbindungen.
Mein Hang zu philosophischem Nachdenken beruht auf der einfachen Grundlage, daß ich in jedem Augenblick über das kleinste Stück Natur irgendwelcher Art in höchste Verwunderung geraten kann.
Dieser Norden! Da wacht man in der verheißendsten Stimmung auf. Griesgrämig, grau, teilnahmslos ruhen die großen Augen der Fenster auf dir, als wollten sie sagen: wozu regst du dich so auf? was willst du mit deinen törichten Idealen? Alles ist eitel.
Ich verbrenne an meinem eigenen Maßstab.
Träume
Die wilde Jagd.
Der Schächer