Der neue Landdoktor Staffel 7 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740953676
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er sich ihre Patientenakte auf dem Computermonitor angesehen hatte. »Setz dich auf die Liege, ich sehe mir den Finger an.«

      »Schlimm?«, fragte sie, als sie auf der Behandlungsliege saß und Sebastian ihre Verletzung mit einer Art Jodtinktur und Salbe behandelte.

      »Nein, nicht schlimm. Ich verschreibe dir eine Salbe. Sollte es am Ende der Woche nicht besser sein oder zwischendrin schlimmer werden, kommst du bitte noch mal vorbei.«

      »Weil man nie weiß, ob etwas schlimmer wird, auch wenn es erst einmal nicht so schlimm aussieht, richtig?« Sie rückte ihre Brille gerade, die ihr ein Stück von der Nase gerutscht war.

      »Ich nehme an, wir sprechen jetzt nicht mehr von deinem Finger.«

      »Nein, tun wir nicht.«

      »Was genau ist passiert?«

      »Kilian hat die Nacht auf dem Berghof verbracht. Es hat ihn nicht einmal Mühe gekostet, es mir zu gestehen.«

      »Du musstest damit rechnen, dass dieser Tag irgendwann kommt«, sagte Sebastian. Er befestigte den Mullverband, den er um ihren Finger geschlungen hatte, mit einem Pflaster.

      »Ich habe aber damit gerechnet, dass er sich mir zuwendet, dass er in mir die Frau sieht, die zu ihm gehört.«

      »Gefühle lassen sich aber nicht erzwingen.«

      »Diesen Spruch kenne ich.«

      »Das ist also ein Spruch, interessant. Würdest du dich denn jemandem zuwenden, den du nicht liebst?«

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Aber Kilian soll es tun?«

      »Ich weiß, dass Kilian mich lieben würde. Er sieht nur einfach nicht richtig hin. Für ihn bin ich nur seine Sekretärin, seine rechte Hand, die immer da ist und funktioniert. Er weiß doch gar nicht, wer ich wirklich bin. Aber das werde ich ändern.«

      »Lass es gut sein, Ramona. Du musst Kilians Entscheidung akzeptieren.«

      »Sie ist aber nicht gut für ihn.«

      »Das ist allein seine Angelegenheit.«

      »Davon bin ich nicht überzeugt.«

      »Muss ich befürchten, dass du etwas Dummes tust?«, fragte Sebastian, als Ramona sich von der Liege erhob und mit funkelnden Augen in Richtung Berghof schaute.

      »Ich werde ganz bestimmt nichts Dummes tun, ich werde mir meine nächsten Schritte ganz genau überlegen. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, Sebastian, danke für deine Zeit«, sagte sie und verließ das Sprechzimmer.

      Hoffentlich fängt sie sich bald wieder, dachte Sebastian und ging zu seinem Waschbecken, um sich die Hände zu waschen, bevor er den nächsten Patienten aufrief.

      *

      Sie macht nicht den Eindruck, als würde der Ärger weitergehen, dachte Kilian, als er Ramona auf dem Weg zu einem Kunden im Hof begegnete. Sie begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln, so, als wäre nichts zwischen ihnen vorgefallen.

      »Was ist passiert?«, fragte er sie, als er ihren verbundenen Finger sah.

      »Nur ein kleines Missgeschick, nichts von Bedeutung. Ich kümmere mich jetzt erst einmal um die Bestellungen für die Werkstatt und telefoniere mit den Kunden, die noch auf eine Terminvereinbarung mit uns warten«, sagte sie.

      »In Ordnung. Ich bin auf der Baustelle in Partenkirchen.«

      »Bist du zum Mittagessen zurück? Wir könnten doch heute mal wieder alle zusammen in den Biergarten gehen.«

      »Ich denke, ich werde es nicht rechtzeitig schaffen.«

      »Alles klar, bis dahin«, verabschiedete sie ihn und verschwand im Haus.

      Wie es aussieht, hat die Vernunft gesiegt, sie hat sich beruhigt, dachte Kilian erleichtert und stieg in seinen Werkstattbus.

      »Du und ich, wir gehören zusammen«, murmelte Ramona, die am Fenster des Büros stand und dem Werkstattbus mit Kilian am Steuer nachschaute.

      Sie winkte den beiden jungen Männern freundlich zu, die in ihren grauen Werkstattanzügen über den Hof liefen. Außer diesen beiden ausgebildeten Elektrikern beschäftigte Kilian noch einen Schreiner und einen Elektroinstallateur, alle fleißige zuverlässige Mitarbeiter. Aber bei ihr liefen die Fäden zusammen. Sie war diejenige, auf die sich alle verließen. Dass sie sein Unternehmen zusammenhielt, das musste Kilian doch etwas bedeuten. Er konnte doch annehmen, dass eine ganz normale Angestellte sich derart anstrengen würde, um seinen Erfolg zu sichern.

      Eigentlich bin ich doch längst so etwas wie die Chefin in diesem Betrieb, dachte sie, und in diesem Gefühl wollte sie sich heute ein wenig sonnen. Sie würde die Jungs aus der Werkstatt, wie sie Kilians Angestellte nannte, heute auf Geschäftskosten zum Mittagessen einladen. Schließlich kümmerte sie sich ja auch um die Finanzen und die Buchhaltung. »Ich kümmere mich um alles, ohne mich geht es nicht«, murmelte sie und setzte sich an ihren Schreibtisch.

      *

      Kilian konnte die Baustelle in Partenkirchen schneller verlassen, als er es vorausgesehen hatte. Die Begehung der im Bau befindlichen Reihenhaussiedlung, die er als Elektriker betreuen sollte, war problemlos verlaufen. Der zuständige Bauleiter und er waren auf keine Hindernisse gestoßen. Er würde in ein paar Tagen mit seiner Arbeit dort anfangen können.

      Als er kurz nach zwölf in Bergmoosbach eintraf, fuhr er zuerst zum Hundetrainingsplatz. Die Trainingsstunde am Montag dauerte bis halb zwölf. Bis alle gegangen waren, vergingen immer noch ein paar Minuten. Er sehnte sich nach Paula. Vielleicht hatte er Glück und traf sie noch auf dem Trainingsgelände an. Er wollte einfach nur ein paar Minuten mit ihr verbringen und sie in seine Arme nehmen, bevor er in die Werkstatt fuhr, um seine Unterlagen über die neue Baustelle zu vervollständigen.

      Er hatte Glück. Paula wollte gerade in ihr Auto steigen, das sie unter dem Laubdach einer Birke abgestellt hatte, als er auf den Parkplatz einbog. Nur ein paar Minuten sind zu wenig, dachte er, als sie sich zu ihm umdrehte, einen Zweig der Birke zur Seite schob, der ihren Blick behinderte, und lächelte.

      »Hallo, Kilian, ich freue mich, dich zu sehen«, sagte sie, als er aus seinem Wagen stieg und zu ihr kam.

      »Ich habe dich vermisst. Hast du Lust, mit mir essen zu gehen?«, fragte er sie und nahm sie in seine Arme.

      »Sehr gern. Wie wäre es mit dem Biergarten?«

      »Gute Idee.«

      »Entschuldige, bitte, das ist mein Onkel«, sagte sie, als ihr Handy läutete und sie auf das Display schaute. »Fahr doch schon mal vor und suche uns einen Platz, ich komme gleich nach.«

      »Mache ich, bis gleich«, sagte er und stieg wieder in seinen Wagen. Bevor er losfuhr, wandte er sich Paula noch einmal zu, betrachtete die hübsche junge Frau in der roten Jeans und dem weißen Pullover, die am Kofferraum ihres Autos lehnte und mit den Spitzen ihres blonden Haares spielte, während sie telefonierte. Ihm wurde ganz warm ums Herz, als sie aufschaute und ihm winkte, bevor er den Parkplatz verließ. Ich bin verliebt, so verliebt, wie ich es noch nie war, dachte er.

      »Du bist also fest entschlossen?«, wollte Paula sich vergewissern, dass ihr Onkel sich seines Entschlusses, den er ihr soeben verkündet hatte, auch wirklich sicher war.

      »Ja, ich bin sicher, Paula. Ich will in Zukunft nicht mehr so an Termine gebunden sein. Außerdem…«

      »Außerdem was?«, hakte Paula nach, als er innehielt.

      »Nun, es ist so, ich habe jemanden kennengelernt«, gab er ein wenig schüchtern zu.

      »Du hast also einen Kurschatten«, entgegnete Paula lächelnd.

      »Als Schatten würde ich sie nicht bezeichnen. Sie ist schon ganz real.«

      »Wie heißt sie?«

      »Gerda.«

      »Und wo wohnt Gerda?«

      »In der Nähe von Ulm.«