Der neue Landdoktor Staffel 7 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740953676
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würde ich nicht.« Sie küsste ihn zärtlich auf den Mund, setzte sich auf und zupfte die Blütenblätter des Gänseblümchens nacheinander aus, während sie leise vor sich her sprach: »Er liebt mich, er liebt mich nicht.«

      »Glück gehabt«, sagte Kilian, als beim letzten Blütenblättchen »Er liebt mich« an der Reihe war.

      »Ich habe mich wohl richtig entschieden. Das Gänseblümchen-Orakel ist mit mir einer Meinung.«

      »Was deinen Erlebnishunger betrifft, wir liegen hier recht zentral. Eineinhalb Stunden bis nach München, ungefähr genauso lang ist die Strecke an den Bodensee oder nach Innsbruck. Außerdem sind wir in kürzester Zeit in Garmisch oder Oberstdorf.«

      »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Du hast recht, hier gibt es viele Möglichkeiten. Ich bleibe«, verkündete sie lächelnd.

      »Das wünsche ich mir mehr als alles andere«, sagte er und zog sie wieder zu sich auf die Decke.

      Bis die Dunkelheit anbrach und es kühler wurde, blieben sie draußen auf der Wiese, tranken Tee und Malzbier und erzählten sich kleine und große Geschichten aus ihrem Leben. Als sie am Abend ins Haus gingen und sich in der Küche ein paar Sandwiches zum Abendessen machten, hatten sie beide das Gefühl, sich schon lange zu kennen.

      »Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der mir gleich so vertraut war, wie du es bist«, sagte Paula, als sie sich an den Küchentisch setzten.

      »Mir geht es genauso mit dir«, gestand ihr Kilian.

      »Mein Onkel hat mich gefragt, ob ich bei ihm wohnen möchte, bis ich eine Wohnung in der Kreisstadt gefunden habe.«

      »Wirst du das Angebot annehmen?«

      »Ich weiß nicht. Mit dem Auto sind es zwar nur zwanzig Minuten, aber wenn im Winter Schnee liegt, wird es wohl schwierig werden, hier wegzukommen.«

      »Im Winter könntest du unten im Dorf wohnen, wenn du bis dahin nichts Passendes gefunden hast.«

      »Wo?«

      »Zum Beispiel bei mir.«

      »So weit sind wir noch nicht. Ich meine, dass wir zusammen wohnen sollten.«

      »Bis zum Winter ist es noch eine Weile hin«, antwortete er lächelnd.

      »Dann warten wir doch einfach ab, was passiert. Kilian.«

      »Ja?«

      »Ich glaube, ich möchte heute Nacht nicht allein sein.«

      »Ich auch nicht«, sagte er und nahm sie in seine Arme.

      *

      Als Ramona am nächsten Morgen aufwachte, hatte sich das Nagelbett mit dem eingerissenen Nagel entzündet. Sie hatte die Wunde zwar desinfiziert und mit einem Pflaster verbunden, aber den Hausputz, den sie nach ihrem Treffen mit Kilian im Café Höfner veranstaltet hatte, um ihre Nerven zu beruhigen, hatte die Wunde gereizt. Trotzdem würde sie sich nicht krankmelden. Kilian sollte erst gar nicht auf die Idee kommen, dass sie sich zurückziehen würde.

      Sie hatte beschlossen, sich erst einmal ganz normal zu verhalten. So, als sei nichts passiert. Sie würde ihre Arbeit erledigen, freundlich zu Kilian sein und Paula nicht erwähnen. In zwei Tagen war ihre Prüfung zur Hundetrainerin, danach würde sie sich bei der Bergwacht als Werners Nachfolgerin vorstellen. Sie war seit über zehn Jahren aktives Mitglied, wenn der Vorstand auch nur einen Funken Anstand besaß, würde sie den Vorzug vor Paula bekommen. Nachdem sie diese Hürde erst einmal überwunden hatte, würde ihr schon etwas einfallen, wie sie Paula und Kilian wieder auseinanderbrachte. Eine neue Beziehung ließ sich mit ein wenig Fantasie leicht beenden. Noch kannten sich die beiden nicht gut genug, um einander wirklich zu vertrauen. Aber zuerst musste sie ihren Finger verarzten lassen.

      Als sie um halb neun in der Praxis Seefeld eintraf, saßen bereits einige Patienten im Wartezimmer. Sie musste um neun im Büro sein. Sie hatte keine Zeit, sich dazu zu setzen. »Hör zu, Gerti, ich muss dringend zur Arbeit. Könntest du dir vielleicht meinen Finger ansehen?«, wandte sie sich an die langjährige Sprechstundenhilfe der Seefelds.

      »Er ist entzündet. Der Doktor sollte einen Blick darauf werfen«, sagte sie, nachdem Ramona das Pflaster kurz gelüftet hatte.

      »Aber ich muss zur Arbeit«, betonte sie erneut und schloss das Pflaster wieder.

      »Ich weiß, aber Sebastian ist nicht hier. Er macht noch Hausbesuche. Du wirst dich also gedulden müssen«, erklärte ihr die kleine rundliche Frau, die in ihrem gestärkten weißen Kittel hinter dem Tresen stand.

      »Wann kommt er denn?«

      »Geh, Ramona, was soll denn der Aufstand? Sag Kilian Bescheid, dass du später kommst, und dann ist es doch gut«, entgegnete Gerti.

      »Du kannst es nicht verstehen.«

      »Was kann ich nicht verstehen?«, fragte Gerti und sah die junge Frau an, die in ihrem gelben Kostüm noch eleganter als gewöhnlich aussah.

      »Sie ist in Sorge, dass sie ihren Einfluss auf unseren Kilian verliert«, mischte sich die stattliche Frau in dem dunkelblauen Dirndl ein, die im Wartezimmer in der Nähe der geöffneten Tür zur Empfangsdiele saß und das Gespräch am Tresen verfolgte.

      »Du hast doch keine Ahnung, Therese«, fuhr Ramona Therese Kornhuber, die erste Vorsitzende des Landfrauenvereins, mit blitzenden Augen an.

      »Freilich hab ich die. Ich hab heut Morgen die Simone und die Elvira in der Bäckerei getroffen«, antwortete Therese schmunzelnd und überprüfte den Sitz des festen Knotens, zu dem sie ihr graues Haar gebunden hatte. »Du und der Kilian, ihr habt euch wegen der Paula gestritten.«

      »Wir haben uns nicht gestritten.«

      »Ich glaub aber doch.«

      »Was Tratschen eben so glauben«, zischte Ramona.

      »Tratschen?!«, rief Therese erbost und warf Ramona einen vernichtenden Blick zu.

      »Wenn du zu mir willst, Ramona, dann geh schon mal vor ins Sprechzimmer, ich bin gleich bei dir«, sagte Sebastian, der in diesem Moment zur Tür hereinkam und die Situation sofort erfasste.

      »Danke.« Ramona warf die Schultern zurück und marschierte hoch erhobenen Hauptes den Gang entlang, der zu Sebastians Zimmer führte.

      »Aha, so geht das also hier? Ein bissel einen Aufstand proben und schon kommt man dran. Das hätte es bei deinem Vater nicht gegeben«, beschwerte sich Therese.

      »Doch, hätte es. Notfälle gehen immer vor«, entgegnete Sebastian.

      »Sie ist also ein Notfall, aha.«

      »Reiß dich zusammen, Kornhuberin. Lass deine Wut auf die kleine Köster nicht an Sebastian aus«, sprang Gerti Sebastian gleich bei.

      »Ja, genau, was gehst du denn ihn so an, wenn du dich über wen anders ärgerst?«, war aus dem Sprechzimmer zu hören, genau wie: »Du attackierst den Falschen, Frau Vorsitzende.«

      »Schon gut, ich hab’s verstanden. Verzeihung«, murmelte Therese und sah Sebastian schuldbewusst an.

      »Alles klar, bis nachher«, sagte Sebastian und verschwand erst einmal in dem Personalzimmer mit angeschlossenem Bad, um sich nach seinen Hausbesuchen für die Sprechstunde umzuziehen. Ramona ging es nicht gut, das hatte er gleich gesehen, aber vermutlich lag es nicht an dem Finger, den sie großzügig mit Pflaster beklebt hatte. Es hatte wohl eher etwas mit Paula zu tun. Der Grillabend bei ihm hatte allen gezeigt, dass Kilian sich zu Paula hingezogen fühlte.

      Als er gleich darauf sein Sprechzimmer betrat, saß Ramona in dem Stuhl vor seinem Schreibtisch und schaute auf die Vitrine aus honig­farbenem Holz, die dem Raum mit seinen weißen Möbeln Wärme verlieh.

      »Dein Vater sammelt noch immer alte Medizinbücher?«, fragte sie und betrachtete die Buchdeckel der historischen Bücher, die in der Vitrine standen.

      »Ja, das tut er, aber ich denke, wegen der Bücher bist du nicht hier.«

      »Mein