Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740956721
Скачать книгу

      »Nach der Kurve in Richtung Mainingberg auf der rechten Seite des Weges hinter dem Farn!«

      »Ich bin gleich bei Ihnen!« Auch wenn sie nichts Böses vermutete, nahm sie doch vorsichtshalber ihr Telefon in die Hand, um notfalls schnell Hilfe für sich zu rufen.

      Sie lief zu der Stelle, die der Fremde ihr beschrieben hatte, blieb aber zunächst am Wegesrand stehen und schaute über den hoch gewachsenen Farn hinweg.

      »Hier!«

      »Okay, ich sehe Sie«, sagte sie, als sie den hochgestreckten Arm des Mannes nur wenige Meter vor sich sah. Sie stellte ihren Rucksack ab und lief durch den Farn zu ihm. Das sah nicht gut aus. Ein schwerer Kiefernstamm lag quer über ihm auf der Höhe seiner Hüften, und offensichtlich konnte er sich nicht bewegen.

      »Ich bin echt froh, Sie zu sehen. Ich dachte schon, es würde heute niemand mehr hier vorbeikommen.«

      »Ich wollte auch zuerst einen anderen Weg nehmen. Aber jetzt bin ich ja hier. Haben Sie Schmerzen?« Sie sah die Erleichterung in seinen dunklen Augen, dass ihn jemand gefunden hatte, und kniete sich neben ihn auf das weiche Moos.

      »Mein rechter Knöchel tut weh. Ansonsten spüre ich keine Schmerzen.«

      »Das mit Ihrem Knöchel ist gut«, sagte sie und strich die seidigen Strähnen ihres blonden Haares, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatten, aus ihrem Gesicht.

      »Und warum ist das gut?«, fragte er verwundert.

      »Weil Sie so davon ausgehen können, dass Ihre Wirbelsäule nicht verletzt wurde. Sonst würden Sie Ihre Füße nicht spüren.«

      »Stimmt, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«

      »Das glaube ich Ihnen gern. Sie hatten ein vorrangigeres Problem zu lösen. Sich aus Ihrer Lage zu befreien, ist wohl erst einmal das Wichtigste. Ich werde mal versuchen, ob ich Ihnen helfen kann.«

      »Nein, lassen Sie das lieber, der Stamm ist wirklich schwer. Ich will nicht, dass Sie sich verletzen.«

      »Stimmt, das funktioniert nicht«, gab sie ihm recht, als sie versuchte, den Stamm zu bewegen, was ihr aber nicht gelang. »Was ist?«, fragte sie erschrocken, als er plötzlich die Luft anhielt.

      »Ich weiß nicht, ich spüre so einen merkwürdigen Druck auf meinen Rippen. Das Gefühl hatte ich vorhin schon einmal, aber jetzt ist es stärker.«

      »Halten Sie trotzdem nicht die Luft an, atmen Sie ruhig weiter«, forderte sie ihn auf, während sie die Nummer der Praxis Seefeld in ihrem Handy aufrief. Sabine Mittner hatte sie ihr gegeben, falls sie unterwegs einmal in eine Notlage geraten sollte. »Hallo, mein Name ist Fabia Regner, ich habe einen Verletzten im Wald gefunden«, sagte sie, als sich die Sprechstundenhilfe der Praxis meldete. »Der Mann wurde von einem Baumstamm getroffen und kann nicht richtig atmen. Es ist mir leider nicht möglich, ihn aus seiner Lage zu befreien. Gut, danke. Es kommt gleich Hilfe«, wandte sie sich dem Verletzten wieder zu, nachdem sie das Telefongespräch beendet hatte. »Geht es wieder?«, fragte sie, als sie sah, wie der Mann sich bemühte, wenigstens flach zu atmen.

      »Ich kämpfe gegen die aufsteigende Panik in mir«, entgegnete er leise.

      »Wie ist das passiert?«, fragte sie ihn, um ihn abzulenken. Ihr war nicht wirklich klar, wie der Stamm, der bereits von allen Ästen befreit war und sicher für den Abtransport zum Sägewerk irgendwo gelegen hatte, auf ihn rollen konnte.

      »Das ist eine merkwürdige Geschichte«, sagte er und erzählte ihr, wie er sich vor dem Lastwagen in Sicherheit bringen wollte und was danach passierte.

      »Sind Sie sicher, dass der Mann Sie gehört hat?«, hakte Fabia nach, weil es ihr ungeheuerlich erschien, jemanden so hilflos zurückzulassen.

      »Was hören Sie?«, fragte er sie und schaute auf den Weg.

      »Nur das Gezwitscher der Vögel.«

      »Selbst bei laufendem Motor hätte er mich doch hören müssen. Oder?«

      »Wie nah war er?«

      »Am Weg direkt vor mir.«

      »Er wollte Sie nicht hören.«

      »Richtig, weil er vermutlich nicht von mir gesehen werden wollte.«

      »Vielleicht befürchtet derjenige Ärger, weil er das Holz nicht richtig verstaut hat.«

      »Möglich, aber das sollte ich wohl besser die Polizei klären lassen.«

      »Ich hoffe, dass sie den Kerl finden.«

      »Ja, das hoffe ich auch. Danke für Ihre Hilfe, Fabia«, sagte er.

      »Sie kennen meinen Namen?«, wunderte sie sich.

      »Das Telefonat eben.«

      »Stimmt.« Sie zuckte zusammen, als er ihr in diesem Moment direkt in die Augen schaute. »Verraten Sie mir auch Ihren Namen?«, fragte sie ihn, um diese Nervosität zu überspielen, die sie auf einmal überfiel.

      »Ingvar Wering.«

      »Machen Sie hier Urlaub, Herr Wering?«

      »Nein, ich wohne in Mainingberg. Und bitte, Ingvar genügt«, sagte er.

      »Ja, gern, also Ingvar. Ich höre einen Wagen«, machte sie ihn auf das Motorengeräusch aufmerksam und streichelte ihm beruhigend über den Arm, als er wieder ganz flach atmete.

      Gleich darauf hielt ein blauer Geländewagen auf dem Weg an und Sebastian Seefeld stieg aus. Fabia hatte im Dorf schon einige Male gesehen, wie sehnsuchtsvoll die Bergmoosbacherinnen dreinblickten, wenn sie von ihrem jungen Arzt schwärmten. Jetzt konnte sie es nachvollziehen. Sebastian Seefeld war groß und schlank, hatte dunkles Haar und eisgraue Augen, und trotz des unwegsamen Geländes bewegte er sich leicht und elegant.

      »Er kann nicht richtig atmen«, sagte sie, als er kurz darauf bei ihnen war.

      »Waren Sie mit ihm unterwegs?«, wollte Sebastian wissen.

      »Nein, ich habe ihn zufällig gefunden. Ich sehe mal nach deinem Rucksack, Ingvar.« Sie erhob sich und trat zur Seite, um Sebastian Platz zu machen.

      »Wo genau tut es weh?«, wandte Sebastian sich an Ingvar. Er stellte seine Arzttasche ab und kniete sich neben ihn. »Ich sehe mir das an«, sagte er, als Ingvar auf seine Rippen deutete. »Wie ist das passiert?«

      »Der Stamm ist von einem Anhänger heruntergefallen«, sagte Ingvar und erzählte ihm, wie er in diese Lage geraten war.

      »Ich denke, Sie haben sich eine Rippenprellung zugezogen. Möglicherweise hat der Stamm sie gestreift.«

      »Ja, könnte sein«, sagte Ingvar.

      »Ich trage ein Kühlgel auf Ihre Rippen auf, das wird die Schmerzen lindern. Haben Sie noch andere Beschwerden?«

      »Mein rechter Knöchel. Bekomme ich keinen Verband für meine Rippen?«, wunderte sich Ingvar, als Sebastian die Tube mit dem Kühlgel in seine Tasche zurücklegte und danach seinen Knöchel untersuchte.

      »Nein, das macht man heute nicht mehr. Ein Druckverband begünstigt eine Lungenentzündung. Sie müssen versuchen, möglichst normal zu atmen, um diese Komplikation zu vermeiden. Sollte sich meine Diagnose bestätigen, wird man Ihnen im Krankenhaus ein Schmerzmittel verschreiben. Nehmen Sie es, wenn Sie Schmerzen haben, damit Ihnen das Atmen leichter fällt.«

      »Ich werde mich daran halten.«

      »Der Knöchel ist vermutlich verstaucht. Er sollte aber auch unbedingt genauer untersucht werden, um weitere Verletzungen auszuschließen«, sagte Sebastian, nachdem er sich Ingvars rechten Fuß angesehen hatte. »Die Feuerwehr wird gleich hier sein, um den Stamm wegzuräumen. Ich rufe einen Krankenwagen, der Sie abholt.« Sebastian erhob sich und entfernte sich ein paar Schritte von Ingvar, um zu telefonieren.

      »Nur noch ein paar Minuten, dann ist es überstanden«, versicherte Fabia ihm, die inzwischen seinen Rucksack gefunden hatte. Auch wenn sie jetzt eigentlich hätte gehen können, da Ingvar