„Es ist heute wieder herrlich“, schwärmte Keleia. Sie lehnte sich zurück und genoss das lustige Treiben der Teichbewohner. „Willst du mit mir um die Wette schwimmen, Prinzessin?“ Eine Kröte kletterte an Land und die Wassertropfen perlten lustig von ihrem Körper. „Ja, lieber Moritz! Das wäre eine willkommene Abkühlung.“ Keleia streifte ihr rosaglitzerndes Tüllkleidchen ab und sobald sie ins Wasser hüpfte, nahmen die beiden lachend und plusternd ihren Wettkampf auf. Moritz ließ immer die Prinzessin gewinnen, die sich dann über alle Maßen darüber freute. Keleia planschte mit den Fischen, entdeckte kleine Krebse und tauchte mit den Fröschen um schöne Steine. Tipsy, der mittlerweile seine Loopings über den Teich ausprobierte, vernahm aus der Ferne ein leises Weinen. Er flog seiner Wahrnehmung entgegen und entdeckte zwischen zwei Tannenbäumen, auf dem moosbewachsenen Waldboden einen Knaben sitzen, der den Kopf in den Schoss gelegt hatte und bitterlich weinte. Die Libelle näherte sich vorsichtig dem Menschenkind. Der Bub erblickte Tipsy und wischte sich mit seinen Jackenärmel die Tränen aus dem Gesicht. „Bist du eine schöne Libelle! Ob du mir Glück bringst? Könnte ich gut gebrauchen“, schluchzte der Knabe und fing wieder herzzerreißend zu weinen an. Tipsy tat der kleine Mensch leid. Aber wie sollte er helfen? Er flog in Windeseile zum Teich zurück. „Keleia! Keleia!“, rief er aufgeregt. „Ich brauche deine Hilfe, wenn das möglich ist!“ Tipsy erzählte der Prinzessin von dem traurigen Buben. „Es ist mir aber verboten worden, mich sichtbar zu machen.
Kapitel 3
Da meine Tochter damals bestätigte, als Kind Elfen gesehen zu haben, und ich mittlerweile auch davon überzeugt war, beschlossen wir, in unserem Garten eine Ecke dem kleinen Volk zu überlassen. Keiner von uns durfte die kleine Fläche betreten. Ich stellte zu meiner Verwunderung fest, dass ab diesem Zeitpunkt genau dort die größten Frauenmäntel und andere Wiesenkräuter wuchsen. Im darauffolgenden Frühling, bei Arbeiten im Garten rund ums Haus, entdeckte ich mitten im Elfengarten eine wunderschöne, rosarote Rose. Ich sah mich um, weil ich glaubte, einem Schabernack aufgesessen zu sein. Weit und breit wuchsen bei uns nämlich keine Rosen. Ich holte aufgeregt meine Familie dazu. „Wahrscheinlich hat sich wer einen Scherz mit uns erlaubt! Die Rose sieht eigentlich gar nicht echt aus, so wie die Farbe leuchtet. Da hat uns bestimmt wer eine Plastikrose in den Elfengarten gesteckt“, war meine Vermutung. Meine Tochter berührte die Rose, wobei sie sich der Dornen wegen von der Echtheit der edlen Blume überzeugen konnte. „Mama, ich glaube die Elfen bedanken sich bei uns für ihren eigenen Platz in unserem Garten!“ Diese Rose blühte tatsächlich nur das eine Mal.
Im Dorf wohnte eine alte Dame namens Amalia. Ihr Mann war schon vor einigen Jahren gestorben und ihre Kinder wohnten sehr weit weg. Ihr Sohn Edi war Börsenmakler an der Wallstreet in New York. Er hatte schon ewig nichts mehr von sich hören lassen und ganz darauf vergessen, dass er noch eine Mutter hatte. Tochter Evelyn war eine international gefragte Designerin. Manchmal meldete sie sich telefonisch bei ihrer Mutter, mit dem Nachdruck, es eilig zu haben, weil der nächste Termin schon wieder anstand.
Amalias ganze Freude galten den Tauben im Park. Jeden Tag war sie auf ihrer Lieblingsbank anzutreffen. Die schlauen Vögel erwarteten Amalia immer schon ungeduldig. Sie packte altes Brot aus einem dafür vorgesehenen Säckchen und fütterte die Tauben, die sich scharenweise um die alte Dame versammelten. Amalia unterhielt sich prächtig mit den Vögeln. Manchmal blieb Sabine, eine Nachbarin, die vor Kurzem ein Baby bekommen hatte, mit ihrem Kinderwagen stehen und wechselte mit der alten Dame ein paar Worte. Die junge Mutter lud Amalia ab und zu auf einen Kaffeeklatsch ein, um sie ein wenig der Einsamkeit zu entreißen. Sabine hatte es leider auch nicht so leicht. Ihr Verlobter kam bei einem Autounfall ums Leben und jetzt musste sie ihr Baby allein aufziehen. Darum tat auch ihr manchmal Amalias Gesellschaft gut.
Luca war jetzt öfters bei Keleia und Tipsy am Teich anzutreffen. Er war stolz darauf, im Elfenreich sein zu dürfen. Luca erzählte viel von der Menschenwelt. Alle hörten ihm aufmerksam zu und staunten über die Eigenheiten der menschlichen Wesen. „Im Park sitzt jeden Tag eine alte Frau. Sie redet mit den Tauben und daher finden sie alle schrullig und ein bisschen verrückt“, erzählte Luca von seiner neuesten Beobachtung. „Wir Elfen reden auch mit den Tieren. Was soll daran so komisch sein?“, bemerkte Prinzessin Keleia. „Na ja! Ihr könnt die Tiere verstehen. Ihr sprecht die gleiche Sprache. Aber wir Menschen können uns mit den Tieren nicht unterhalten. Ich glaube sogar, dass Hunde und Katzen schon genau wissen, was wir sagen, aber umgekehrt leider nicht. Darum bin ich ganz erstaunt. Nur wenn ich bei euch im Elfenreich bin, kann ich alle Tiere verstehen!“, betonte Luca stolz. „Eine befreundete Taube hat mir von der alten Dame erzählt. Sie heißt Amalia und sie sind sehr besorgt um sie. Wenn keine Menschenseele in der Nähe ist, fängt sie oft an zu weinen und hat große Sehnsucht nach ihren zwei erwachsenen Kindern. Die haben scheinbar keine Zeit für sie. Die Tauben haben Mitleid mit der lieben alten Frau“, berichtete Tipsy die Libelle. Keleia hatte eine blendende Idee. „Warum versuchen wir nicht, Amalia zu helfen. Luca! Wir haben dir auch helfen können. Du könntest dich mit der alten Dame anfreunden, dann finden wir heraus, warum sich ihre Kinder nicht mehr um sie kümmern. Wir werden Amalia wieder glücklich machen!“, besiegelte Keleia und alle waren davon begeistert.
Edi, Amalias Sohn stand am Fenster seines Büros. Er hatte eine Tasse Kaffee in der Hand, betrachtete die umliegenden Wolkenkratzer und beobachtete das rege Treiben auf New York Citys Straßen. Es war ihm schwer ums Herz. Im Laufe der Jahre hatte er ein Vermögen an der Börse gemacht. Der Stress und der Druck in diesem Job setzten Edi aber sehr zu. Manchmal erinnerte er sich an seine unbeschwerte Kinderzeit, die er und seine Schwester Evelyn erleben durften.