Der Sintlinger saß wie zum Stoß vorgeneigt, hatte das Sitzbrett des Stuhls mit beiden Händen krampfhaft gepackt und verfolgte so drohenden Blickes alle Bewegungen des Arztes, als mache er sich bereit, auf ihn zu stürzen. Er wußte nicht, wo er war. Alles, was er sah, ereignete sich hinter grauen Schleiern. Da bemerkte er endlich, daß der Professor sich aufrichtete, gedankenvollen Schrittes an den Schreibtisch trat, sinnend umhergriff und dann, wie er es gestern getan hatte, ans Fenster ging und auf die Straße starrte.
»Gut, jetzt kommt es«, dachte der Sintlinger und war, ohne zu wissen, was er tat, aufgesprungen.
»Herr Doktor«, stotterte er, daß es klang, als wühle er mit seiner Zunge in Geröll, das den Mund erfüllte.
Der Professor, an alle Formen menschlicher Verzweiflung gewöhnt, drehte sich um und sah, die Finger der Rechten am Kinn, den Sintlinger an. Der bebte wie ein gespanntes Seil im Sturm. Doch der Doktor kehrte sich nicht daran.
Er sprach mit milder Stimme von den Grenzen menschlichen Wissens, den Geheimnissen des Menschenleibes, den unerschlossenen Wundern und Launen der Natur und bekannte, daß ihm ein Fall wie dieser, wo bei völliger Intaktheit des äußeren und inneren Auges das Sehvermögen sich auf eine gewisse Lichtempfindlichkeit beschränke, noch nie vorgekommen sei. Alles, was er tun könne, bestehe in dem Rat, in Geduld zu warten, daß die Natur den Schleier, den sie auf so verborgenem Wege vor dieses Kind gehangen, geheimnisvoll wieder wegziehe.
Dem Sintlinger war es, als höre er himmlische Stimmen zu sich sprechen. Um sich zu halten, daß er nicht hinlaufe und dem Mann vor die Füße falle, schloß er die Hände wie Zangen ineinander, lächelte wie irr und wußte nicht, daß ihm Tränen über die Wangen liefen.
Der Arzt meinte die Äußerungen tiefster Verzweiflung zu sehen, trat an den Sintlinger heran, legte seine Hand auf dessen Achsel und sprach ihm noch weiter Fassung und Trost zu. Der Bauer hörte vor innerem Jubel nicht, was der Doktor sprach, und nickte zu allem nur mechanisch, auch als der Doktor bat, seinem Assistenten eine kurze Inaugenscheinnahme dieses phänomenalen Falles zu gestatten.
Kaum war aber der Professor hinter der nächsten Tür verschwunden, so raffte Andreas schnell eine Menge Goldstücke aus dem Beutel, warf sie auf den Schreibtisch und zog seine nutzlos widerstrebende Frau ans dem Zimmer. Lachend sprang er die Treppe hinunter und nahm an der Tür seinem etwas betreten nachfolgenden Weibe die kleine Helene vom Arm. Dann trat er wie im Triumph auf die Straße. Von oben rief ihm der Arzt irgend etwas nach, und auch der Kopf seines Gehilfen erschien am Fenster.
Der Sintlinger hörte wohl seinen Namen rufen, kehrte sich aber nicht einmal um, lüftete bloß den Hut und strebte, wie trunken vor großem Glück, seinem Absteigequartier zu.
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