Jiftach und seine Tochter. Rüdiger Lux. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rüdiger Lux
Издательство: Bookwire
Серия: Biblische Gestalten (BG)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783374067572
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in ein tiefes Unglück gestürzt.

      – Für Jiftach wie auch für Agamemnon gibt es letztlich kein Zurück von der Erfüllung des Gelübdes.

      – Sowohl Iphigenie als auch Jiftachs Tochter sind unverheiratete Jungfrauen, die sterben sollen, bevor sich ihr Leben in Ehe und Mutterschaft erfüllen konnte.

      – Beide willigen schließlich mutig und entschlossen in ihre Opferung ein.

      – Und beide weihen ihr Leben einer »höheren Sache«, dem militärischen Sieg über die Feinde ihrer Völker.

      2. DIE TRAGÖDIE UND DAS TRAGISCHE

      Daher wird im Folgenden zwischen der Tragödie als einer literarischen Gattung und dem Tragischen als einem Phänomen unterschieden, das mitunter wie ein dunkler Schatten über dem menschlichen Leben liegt und in ganz unterschiedlichen Textsorten begegnen kann. Ohne Zweifel stellen die attischen Tragödien des Dreigestirns Aischylos, Sophokles und Euripides Höhepunkte in der Darstellungskunst des Tragischen dar. Letzteres ist aber nicht an die literarische Gestalt der attischen Tragödie gebunden. Daraus ergibt sich die grundsätzlichere Frage, was eigentlich einen Text, ob Tragödie oder nicht, zu einem tragischen Text macht. Was ist das Tragische? Die Antworten, die in der Literatur- und Philosophiegeschichte auf diese Frage gegeben wurden, sind vielfältig. Und sie mündeten letztlich wie nahezu alle großen Menschheitsfragen in einer Paradoxie, die Peter Szondi eindrücklich beschrieben hat:

      Es kann also immer nur um Annäherungen an das Phänomen des Tragischen gehen. Gerade weil sich das Tragische nicht fassen lässt, sondern in mancherlei Gestalt begegnet, bleibt die Aufgabe bestehen, ihm in seinen jeweiligen individuellen, literarischen und geschichtlichen Ausprägungen nachzuspüren. Denn das Tragische lässt sich nicht einfach aus den konkreten und vielfältigen Lebensvollzügen herausfiltern, in die es verwoben ist. Man tut daher gut daran, die einschlägigen Text- und Lebenswelten auf ihre tragischen Momente oder Aspekte hin in Blick zu nehmen.

      Da es sich bei der Iphigenie in Aulis wie auch in der Erzählung über Jiftach und seine Tochter um antike Texte handelt, ist es sinnvoll, die Spur auf der Suche nach dem Tragischen zunächst auch bei einem antiken Denker aufzunehmen, um nicht unsere neuzeitlichen Vorstellungen von dem, was tragisch sei oder nicht, unbesehen in diese Textwelten einzutragen.