Die unhaltbare Pudelmütze. Gerhard Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhard Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730700259
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Ja, auf jeden Fall.

       Was glauben Sie: Werden sich die Färöer in absehbarer Zeit für eine WM oder EM qualifizieren?

      Simonsen: Nein, das ist schwierig. Dafür ist das dort oben zu begrenzt. Dazu müssten viele Spieler ins Ausland gehen und dort lernen, das sehe ich momentan nicht. Die Färöer können gegen jede Mannschaft überraschen, aber sie sind nicht beständig genug, um in der Qualifikation auf den vorderen Plätzen zu landen.

       Die letzte Frage hat mit der Pudelmütze von Torwart Jens Martin Knudsen zu tun. Stimmt es, dass Sie ihm gesagt haben, er solle die Mütze abnehmen, weil es kein gutes Signal nach außen wäre, wenn der Torwart der Nationalmannschaft so eine Mütze trägt?

      Simonsen (lacht): Das stimmt. Ich habe ihm gesagt, er soll lieber im Tor auf sich aufmerksam machen, zeigen, dass er gut ist, er braucht so eine Mütze nicht, um aufzufallen.

       Und er hat das gemacht?

      Simonsen (lacht): Ja, die haben doch alles gemacht, was ich gesagt habe.

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      NORWEGEN.

       „Ich habe als Manager von Lillestrøm Claus Reitmaier nach Norwegen geholt, da ist er mit fast 105 Jahren noch Torwart des Jahres in Norwegen geworden.“

      (Jan Åge Fjørtoft zum Online-Magazin torwart.de)

      Was für ein schöner Angriff: ein Doppelpass auf dem rechten Flügel, eine Flanke in den Strafraum und ein passender Abnehmer für diese Vorlage: Kristofer Hӕstad, 22, Nationalspieler, steht fünf Meter vor dem Tor und hält den Fuß hin. Der Ball fliegt flach ins linke Eck. Gleich wird er jubeln, gleich steht es 1:1 im Spiel zwischen Lillestrøm SK und Start Kristiansand.

      Aber im Tor von Lillestrøm steht Claus Reitmaier, 41. Er schnellt wie ein Tipp-Kick-Torwart nach unten und wischt den Ball mit der rechten Hand von der Linie.

      Es scheint, als stehe die Zeit still. Es ist ein großer Moment im Fußball, und es ist egal, dass es Lillestrøm ist und nicht Barcelona; dass es Reitmaier ist und nicht Casillas. Es ist ruhig im Stadion, einen Augenblick lang. Dann wird es sehr laut – die Fans von Lillestrøm jubeln, und sie skandieren den Namen ihres deutschen Torhüters: „Reitmaiär! Reitmaiär!“

      Lillestrøms Manager Jan Åge Fjørtoft sagte nach dem Spiel, dies sei „die beste Rettungsaktion gewesen, die ich je gesehen habe“. Alle redeten über Reitmaiers Tat, und irgendwann sagte einer, er habe schon einmal so eine Parade gesehen: von Gordon Banks, dem legendären Torhüter der englischen Nationalmannschaft. Der Torwart rettete damals gegen Pelé, der noch legendärer war als Banks.

      Schütze Kristofer Hæstad sagte nur: „Das war ein Tigersprung.“

      Man kann sich den Tigersprung auf Youtube ansehen, unter „nice save by Claus Reitmaier!“. Mehr als 33.000 Menschen haben sich bereits angeguckt, was da an jenem Juliabend im Jahr 2005 geschah, und wer Norwegisch spricht, kann auch den Original-kommentar des Reporters verfolgen. Er ist außer sich, er spricht von einer „Kanonräddning av Reitmaier“. Kanonräddning – das ist eine Supertat, die Rettungsaktion eines Supertorwarts.

      Claus Reitmaier hat damals in einem Hotel in Lillestrøm gewohnt, er flog nach den Spielen heim nach Mönchengladbach, wo die Familie lebte, und kehrte zwei Tage später nach Norwegen zurück. Die Fans wollten, dass er ganz in ihr Land kommen sollte, dass er blieb, dass er auch noch mit 42, 43 oder 44 Jahren für Lillestrøm spielte. Die Fans wollten Reitmaiers damaliger Freundin eine Schifffahrt auf der Hurtigroute schenken – damit sie sieht, wie schön Norwegen ist, damit sie mit ihm und den Kindern in den Norden zieht. Auch ein Haus wollten sie der Familie zur Verfügung stellen. Claus Reitmaier fühlte sich geschmeichelt. „Aber das hatte keinen Sinn“, erzählt er, „Heinz Müller war dort auch unter Vertrag, das sollte ihm nicht von einem über 40-Jährigen kaputt gemacht werden.“ Reitmaier kehrte nach der Saison heim nach Deutschland und beendete seine Karriere. Einmal kam er noch zurück nach Lillestrøm. Dazu später.

      Ron-Robert Zieler hat einmal gesagt, er schätze Jens Lehmann höher ein als Oliver Kahn; weil Lehmann kompletter gewesen sei. Über Kahn sagte er immerhin, dieser sei „der beste Linientorwart der Welt gewesen“.

      Claus Reitmaier war auch ein Linientorwart. Vielleicht war er auf dem Kalkstreifen zwischen den Pfosten sogar noch stärker als Kahn – weil er so reaktionsschnell gewesen ist. Manchmal war er schneller als sein Schatten. Dennoch ist er kein großer Torwart geworden wie Kahn oder Lehmann, nicht in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Claus Reitmaier hat 335 Bundesligaspiele bestritten, aber er hat keine Titel gewonnen. Er hat nie für Spitzenteams gespielt, sondern für Karlsruhe und Wolfsburg, für die Stuttgarter Kickers und für Kaiserslautern – und für Gladbach, als es Gladbach schlecht ging. Reitmaier wurde nie in die Nationalmannschaft berufen. Zweimal sei er nahe dran gewesen, sagt er: vor der EM 1992 und vor der EM 1996. Es wurde jeweils ein dritter Torwart gesucht. 1992 wurde es nichts, weil Reitmaier mit den Stuttgarter Kickers abstieg. Wer nimmt einen Zweitliga-Torwart mit zu einer EM? Und 1996 wurde ihm Oliver Reck vorgezogen. „Ich wurde in eine Schublade gesteckt“, sagt er, „ich galt als schlechter Fußballer und als schwach bei Flanken.“ Beides sei seiner Meinung nach nicht richtig. Mitspieler, erzählt Reitmaier, hätten oft zu ihm gesagt, er sei nicht schlechter als Kahn oder Lehmann. „Aber ich hatte in der Öffentlichkeit nicht die Wertschätzung, die ich unter Kollegen hatte.“

      Ein Journalist der Süddeutschen Zeitung hat Reitmaier einmal gefragt, wie er seine Karriere beurteilen würde. Er hat „beschissen“ geantwortet. Vermutlich war er damals enttäuscht, weil es nicht mehr weiterging in der Bundesliga, weil er abgeschoben wurde wegen seines hohen Alters. Das „Beschissen“ will er heute nicht mehr wiederholen. Er sagt stattdessen, er sei „nicht zufrieden“ mit seiner Karriere.

      Claus Reitmaier hat seinen Ruf nie korrigieren können, er wurde nicht Nationalspieler und nicht Bundesliga-Meister, und irgendwann blieb ihm nur noch ein Ziel, ein Titel: ältester Torwart der Bundesliga zu werden. Das ist Uli Stein mit 42 Jahren und fünf Monaten. Reitmaier hat es nicht geschafft, weil sie ihn erst in Wolfsburg nicht mehr haben wollten und dann in Gladbach auch nicht mehr. Zu alt, hieß es in Wolfsburg. Über sein Ende in Gladbach, er war damals 40, rätselt Reitmaier heute noch. Er hätte dort so gerne noch weitergespielt, er liebte die Borussia, seit er ein Kind gewesen ist.

      Claus Reitmaier ist in den siebziger Jahren in Würzburg groß geworden. Damals war man entweder Fan von Bayern München oder Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Gladbach stand für schönen Fußball, ein 4:3 war den Fohlen lieber als ein 1:0, im Mittelfeld spielte Günter Netzer und im Tor stand Wolfgang Kleff. Viele liebten die Borussia für ihren freien, mutigen Fußball, aber Gladbach stand auch für ein Scheitern in letzter Sekunde. Reitmaier, der Romantiker, war Gladbach-Fan. Er stand im Tor des FV Würzburg 04 und träumte von der Bundesliga. Es wurde erst die Amateurliga (mit den Würzburger Kickers), dann die zweite Liga (mit Viktoria Aschaffenburg) und schließlich die erste Liga, aber die österreichische, er spielte für den Wiener Sportklub. Dort wollten sie ihn einbürgern und zur Nummer eins im Nationaltor machen, aber man wurde sich nicht einig über einen neuen Vertrag und über das mit der Einbürgerung. Reitmaier ging und sagte: „Lieber arbeitslos als Österreicher.“ Er kam bei den Stuttgarter Kickers unter und erst da, mit 27 Jahren, begann seine Karriere in der Fußball-Bundesliga. Sie endete mit 40, bei seinem Herzensklub Borussia Mönchengladbach.

      Reitmaier verstand das nicht, er sagte damals, er spüre sein Alter nicht. „Ich bin nicht langsamer geworden, ich bin nicht verletzungsanfällig geworden, und mir tun die Knochen nicht weh, wenn ich morgens aufstehe – alles ist wie früher.“ Nur dort, wo er gerne spielen würde, in der Bundesliga, hörte das keiner mehr.

      Blieben die zweite Liga und das Ausland. Beim Zweitligisten