Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2). Perry Rhodan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Perry Rhodan
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Erstauflage
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845353784
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oberen Stockwerke, Tonnengewichte aus Metall und dickwandigem Glas, wirbelten im Tosen, das vom Meer herdrang, und schmetterten in den Kelchbau, der nur ein Dutzend Meter davon entfernt im Sturm ächzte. In den Hochgärten entwurzelten mächtige Silbertannen. Äste, so dick, dass sie selbst den Stamm eines Baumes bilden könnten, zerbrachen, ohne den Gewalten einen Augenblick Widerstand leisten zu können.

      Homer G. Adams schwebte in einem Gleiter in sicherer Entfernung, aber die Multifunktions-Sichtscheibe zoomte das Chaos in brutaler Deutlichkeit heran.

      Ein Stück des Stiels des Kelchbaus brach heraus.

      Für einen Moment glaubte Adams, dahinter Bewegung zu sehen. Wenn das tatsächlich stimmte, falls diese Personen die Warnungen missachtet und sich der Evakuierung widersetzt hatten, waren sie einen Atemzug später Teil der wirbelnden Trümmer, die der Sturm mit sich riss und zu Boden regnen ließ.

      Das gesamte Bauwerk verlor seine Stabilität. Der Kelch neigte sich zur Seite, brach und schlug in die Nachbarbauten, die die gewaltige Brücke zwischen ihnen begrenzten. Eine Wolke aus Metallfetzen und regengrünem, glasartigem Baumaterial klatschte ins Meer.

      Der Sturm zog zur Küstenlinie der Insel Graciosa, und er kam aus Richtung Terceira. Dabei wälzte er sich an der schier unendlich langen und vier Kilometer breiten Brücke entlang, die die Inseln verband, und riss ganze Paläste mit sich.

      Der Gleiter trug Adams näher an Graciosa heran, und er sah die Buchten, in die aus majestätischer Höhe Wasserfälle stürzten.

      Auf der Insel wölbte sich das Himmelstor, ein gläsernes Kunstwerk von mehreren Hundert Metern Umfang, das dort seit über achtzig Jahren stand. Alle Experten waren sich einig, dass es die nächsten Stunden nicht überstehen konnte.

      Der Sturm schlug eine Wunde in Neu-Atlantis, die sich lange nicht schließen würde.

      Noch liefen die Evakuierungsströme. Tausende Arkoniden und alteingesessene Insulaner nutzten die Gleiter, die wie ein fast geschlossener Teppich in Richtung der Insel São Jorge flogen. Jenseits der gigantischen schwimmenden Plattform, die einen eigenen Stadtteil bildete, galt das Gebiet als sicher. Andere zogen sich in die unterseeischen Bauten zurück – vor allem die extrem stabilen Tauchhäuser in mehr als zweihundert Metern Meerestiefe würden dem Sturm zweifellos trotzen.

      Aber Adams wusste, dass viele sich weigerten, ihre Wohnungen zu verlassen, trotz der Sturmwarnung.

      Wir haben unser Universum verloren, klang ihm die Stellungnahme eines greisen Arkoniden im Ohr, den er vor nicht allzu langer Zeit getroffen hatte, wir werden nicht auch noch unser Haus aufgeben.

      Dahinter steckte der Zweifel, dass es eine Sturmkatastrophe auf Terra tatsächlich geben konnte – ein vergleichbares Ereignis lag so weit zurück, dass sich selbst die Ältesten nicht mehr aus den Erzählungen ihrer Eltern daran erinnerten. Zu lange hatte NATHAN das Wetter von Luna aus kontrolliert und derlei Katastrophen verhindert.

      Doch NATHAN schwieg seit dem Transfer. Das Mondgehirn blieb inaktiv, der gigantische Rechnerkomplex hatte sich abgeschaltet. Sein Ausfall sorgte für Wetterkatastrophen, Unfälle und Versorgungsengpässe auf ganz Terra – sämtliche logistischen Systeme drohten zu kollabieren und konnten nur mühsam nach und nach gesteuert werden.

      Das Wetter jedoch ließ sich nicht so einfach steuern.

      Adams wusste, dass ihm die Hände gebunden waren, den Bewohnern von Neu-Atlantis beizustehen. Aber er hatte es sehen müssen, um es unmissverständlich zu begreifen. Um mit der Residentin, die derzeit im asiatischen Raum die Ausfälle von Schanghai begutachtete, eine Prioritätenliste zu erstellen. Doch was genoss Vorrang, wenn Tod und Elend an vielen Stellen gleichzeitig zuschlugen?

      Acht Minuten später barst das gläserne Sternentor, und eine Wolke aus Splittern regnete auf Graciosa hinab.

      *

      »Erklär mir eines, Gershwin«, sagte Amalia, »denn das ist einer einfachen Frau wie mir zu hoch. Die Regierung hat die Lage auf Terra nicht im Griff und will trotzdem eine Expedition ins Wegasystem starten? Was vor dem CEE ein Katzensprung gewesen wäre, aber jetzt extrem mühevoll ist. Habe ich das so richtig verstanden?«

      Sie ging während dieser Worte durch den Park, der ihrer kleinen Wohnung in Atlan Village am nächsten lag. Sie humpelte leicht; die Ärzte befürchteten, dass es bis zu ihrem Lebensende so bleiben würde. Ein Andenken an ihren komplizierten Trümmerbruch.

      Adams wusste, dass die Alternative eine komplette Beinprothese gewesen wäre, die hervorragend funktioniert und den Heilungsprozess allgemein abgekürzt hätte. Amalia hatte sich dagegen entschieden, was er nachvollziehen konnte – für sich selbst hätte er dieselbe Entscheidung gefällt.

      »Das hast du richtig verstanden«, sagte er. »Und selbstverständlich ist der Flug ins Wegasystem wichtig.«

      Sie drehte sich um, so rasch, dass sie einknickte. Adams streckte die Hand aus und stützte sie. Ihre Haare rochen nach Kräutern.

      »Und die Logik dahinter lautet wie genau?«, fragte sie.

      »Es gibt mehr als ein Problem, und während manche, nein, die meisten mit Hochdruck an den Problemen auf Terra arbeiten, darf man den Blick fürs Große und Ganze nicht verlieren.«

      »Es wird dich womöglich überraschen, Gershwin, aber das leuchtet mir ein. Nur ... worin besteht dieses ominöse Große und Ganze?«

      »In der Situation, in die es uns verschlagen hat. In diesem zweiten Solsystem und seiner kosmischen Umgebung, über die wir so gut wie nichts wissen. Und falls morgen dort draußen etwas passiert, sollten wir gewappnet sein.«

      »Was könnte passieren?«

      Er lächelte. »Die Geschichte lehrt uns, dass ständig etwas passiert. Meistens, wenn niemand damit rechnet. Also ist es gut, immer wachsam zu bleiben.«

      »Aber es gibt noch keine Lebenszeichen von ... von irgendwo?«, fragte Amalia.

      Sie erreichten eine Bank am Ufer eines Teichs, der so klein war, dass man ihn in fünf Minuten zu Fuß umrunden könnte.

      Er schüttelte den Kopf. »Keine Funksignale. Keine Hyperfunkbotschaften. Kein Beweis dafür, dass außer uns dort draußen intelligentes Leben existiert.«

      »Warum das Wegasystem?«, fragte sie. Ein Fischkopf lugte aus der Wasseroberfläche, und das Maul des Tieres öffnete und schloss sich, ehe es wieder abtauchte.

      »Es ist das wichtigste System in der näheren Umgebung. Und zu Hause, im ... im echten Wegasystem, leben die Ferronen. Wir müssen wissen, ob es sie auch in diesem Sternenraum gibt.«

      »Hättet ihr dann nicht längst einen Beweis dafür? Hyperfunk? Oder ...«

      »Falls es die Ferronen gibt, sind sie vielleicht noch nicht so weit. Hätten sie Raumfahrt, wären sie zweifellos auf den Austausch eines ganzen Planeten und seines Mondes im Nachbarsonnensystem aufmerksam geworden. Wir stellen ohnehin alles infrage – falls sich hier ein Volk entwickelt hat, kann es genauso sein wie unsere Ferronen? Müssten sie nicht völlig anders sein?«

      »Es klingt mir nach einem sehr brüchigen Strohhalm.«

      »Besser das als hoffnungslos«, sagte Adams.

      »Wirst du mitfliegen?«, fragte Amalia.

      Er schüttelte den Kopf. »Aber ich bin trotzdem dabei, in der Kontrollzentrale im Terrania Space Port. Dort werden wir sitzen und warten und hoffen, dass die angepassten Hyperfunkgeräte eine Verbindung zur Expedition ermöglichen.«

      »Kann ich dich begleiten?«

      Die Frage überraschte ihn. »Ich könnte meine Beziehungen spielen lassen und dir ein Ticket sichern.«

      »Wann wird es so weit sein?«

      »In zwei Tagen endet die Testreihe des neuen Linearraumtriebwerks, das die siebenundzwanzig Lichtjahre zum Wegasystem in drei Etappen überbrücken kann. Es ist garantiert nicht das Ende der Fahnenstange, aber ...«

      »... ein Anfang«, fiel sie ihm ins Wort.