4. Die Neubauwohnung, die gerade frisch fertiggestellt ist, wird man in der Regel von einem Bauträger erwerben, der das Projekt vom Grundstückserwerb bis zur schlüsselfertigen Übergabe der Wohnung entwickelt hat. Zwar ist es vielen Bauträgern am liebsten, ein Objekt schon verkauft zu haben, bevor es gebaut ist. Aber so leicht ist das eben auch nicht, eine Immobilie ausschließlich als Exposé oder mittels Hochglanzprospekt zu verkaufen. Mancher Bauträger möchte sich auf die komplexen Regelungen der Makler- und Bauträgerverordnung nicht einlassen, weil sie sehr viel administrativen Aufwand bedeuten. Und wieder andere Bauträger scheuen den Zeit- und Planungsaufwand, den die Beteiligung des Kunden mit seinen Sonder- und Änderungswünschen mit sich bringt. Sie bieten die Wohnung lieber erst dann zum Verkauf an, wenn Änderungen nicht mehr ohne Weiteres möglich sind. Bestimmte Änderungen sind natürlich an jeder fertiggestellten Wohnung möglich, aber sie kosten dann unter Umständen eine Menge Geld und liegen nicht mehr in der Verantwortung des Bauträgers, sofern er die Wohnung schlüsselfertig übergeben hat.
Begeht man ein komplett fertiggestelltes Objekt, sieht man als Laie in der Regel nur wenig Auffälliges. Denn man sieht nur noch, was die Oberflächengewerke hinterlassen haben. Hinter verputzten und tapezierten Wänden kann man den Mauerstein nicht mehr sehen, der verbaut worden ist.
Es ist zwar nützlich, sich das Exposé und die Baubeschreibung genau anzuschauen und die vorgefundenen Details der Wohnung damit zu vergleichen, aber als Laie entdeckt man bei diesem Abgleich nicht unbedingt, worauf es wirklich ankommt.
5. Die projektierte oder im Bau befindliche Neubauwohnung kann sich zu einer idealen Traumimmobilie entwickeln – oder zu einem Albtraum. Die projektierte Neubauwohnung existiert nämlich allenfalls als Exposé des Bauträgers – im besten Fall als Rohbau.
Im Unterschied zum Bauunternehmer, der im Auftrag des Bauherrn auf dessen Grundstück tätig wird, sind Bauträger gewerbsmäßig tätige Unternehmen, die auf eigenem Grund und Boden Gebäude errichten und den Vertrieb dieser Immobilien organisieren, das heißt das Haus oder die Wohnungen einer Wohnanlage samt Grund und Boden – in der Regel schlüsselfertig – veräußern.
Der schlüsselfertige Verkauf nach Fertigstellung ist das Ziel – idealerweise. Doch mit dem Vertrieb beginnen Bauträger in der Regel schon einige Zeit vor der Vollendung des Immobilienobjekts. Das hat Vorteile für den Erwerber, kann er doch, wenn er frühzeitig involviert ist, noch Einfluss auf bestimmte Details und Ausstattungsmerkmale nehmen und so seine Wohnung tatsächlich zu einer Wunschimmobilie machen. Es birgt für den Erwerber aber auch Risiken – in allen Fällen, wo er finanziell in Vorleistung geht und im Gegenzug nicht (zum Beispiel wegen Konkurs des Bauträgers) die gewünschte Leistung erhält.
Relevante Rechtsvorschriften, die auch für den Erwerber einer projektierten Eigentumswohnung eine gewisse Rechtssicherheit schaffen, enthält die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV). Für den Verbraucher und seinen Schutz ist besonders § 3 „Besondere Sicherungspflichten des Bauträgers“ dieser Verordnung wichtig. Hier ist geregelt, unter welchen Bedingungen der Bauträger Vermögenswerte seines Kunden in Anspruch nehmen darf und welche Ratenzahlungen gemäß Baufortschritt von ihm eingefordert werden können (www.gesetze-im-internet.de/gewo_34cdv).
BESICHTIGUNG UND PRÜFUNG
Wie schon erwähnt, beginnt die Analyse der Bedingungen für den Erwerb einer Eigentumswohnung nicht beim Objekt, sondern beim Interessenten und potenziellen Käufer. Für ein zweckmäßiges Vorgehen hat der Architekt Ulrich Zink, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Altbauerneuerung, einen Musterfahrplan entwickelt, der Kaufinteressenten hilft, Risiken zu vermeiden, indem er die subjektiven Anforderungen des Käufers mit den objektiven Gegebenheiten der Immobilie abgleicht.
Anamnese, die Aufnahme einer Krankengeschichte, und Diagnose, die Erhebung eines aktuellen Befunds, sind dabei sinnbildlich zu verstehen. Das Haus, in dem sich Ihre ins Auge gefasste Wohnung befindet, muss nicht krank sein. Dennoch hat es, je älter es ist, umso mehr erlebt. Und die Spuren dieses Immobilienlebensalters haben es in sich – nur sind sie nicht für jedermann sichtbar, sondern sollten von einem „Hausarzt“ gelesen werden.
Anamnese und Diagnose erfordern bei einer gebrauchten Wohnung nicht weniger Aufmerksamkeit als bei einem kompletten Haus. Manches ist sogar – wegen der besonderen Rechtsform des Wohnungseigentums – etwas komplizierter. Der im Folgenden dargestellte Musterfahrplan geht von einer gebrauchten Wohnung aus. Dafür gibt es Gründe. Zum einen: Gebrauchte Wohnungen stellen hinsichtlich der Frage, wie viele Teufel in wie vielen Details stecken, die höchsten Anforderungen. Zum anderen: Nach Jahren des Neubaubooms hat sich in den letzten Jahren eine Trendwende zum Bauen im Bestand vollzogen. Man findet also verlockende „komplett durchsanierte“ Wohnungen vor, die beim Besichtigen wie Neubauten wirken, denen aber dennoch eine Historie „in den Knochen“ steckt. Echte Neubauten sind seltener geworden, da die Grundstücke für den Neubau insbesondere in den Großstädten und Ballungsgebieten knapp und teuer geworden sind. Experten gehen davon aus, dass 80 Prozent des Wohnraums, der in den nächsten 20 Jahren nachgefragt werden wird, heute schon existiert. Aber nicht immer existiert er in einem Zustand, der heutige Ansprüche an Wohnkomfort und Haustechnik befriedigt.
Der Musterfahrplan
Gibt es einen idealen Weg zum wunschlos glücklichen Leben in der eigenen Wohnung? Wahrscheinlich nicht. Aber immerhin gibt es einige exemplarische Fälle, die Ihnen helfen können, sich in der jeweils konkreten Situation zurechtzufinden.
So finden sich charakteristische Merkmale am Gebäude, die auf ähnlich gelagerte Probleme hinweisen, wie sie an anderen Gebäuden auftreten können. Die Beispiele sind also Referenzmuster für den Abgleich mit Ihrer eigenen Immobilie. Und Sie werden auch bei Ihren Vertragspartnern auf immer wiederkehrende Verhaltensmuster stoßen, etwa beim Bauträger, im Maklerbüro oder in der Bankfiliale.
Sie werden nach der Lektüre eines kurzen Kapitels in diesem Buch nicht gleich zum Experten für die Beurteilung von Immobilien werden. Betrachten Sie die Beispiele in diesem Buch vielmehr wie Verkehrsschilder, die dort, wo sie stehen, auf besondere Verkehrs- oder Gefahrensituationen aufmerksam machen. Richtig reagieren und situationsadäquat handeln müssen Sie selbst.
Am besten ist es, wenn Sie nach einem Musterfahrplan vorgehen, der sich in vielen Fällen in der Praxis bereits bewährt hat. Die folgenden elf Schritte begleiten Ihren Weg zur eigenen (gebrauchten) Wohnung. Möglicherweise entstehen einige dieser Probleme nicht, weil Sie eine schlüsselfertige Neubauwohnung erwerben. Umso besser. Wenn Sie sicher sind, dass die Bauausführung Ihren Ansprüchen genügt, können Sie diese Punkte auf Ihrem Fahrplan abhaken. Das betrifft insbesondere die Schritte 7 bis 11. Wenn Ihnen beim Erwerb einer Neubauwohnung daraus schwerwiegende Aufgaben erwachsen, ist irgendwo etwas schiefgelaufen und die Wohnung war nicht wirklich schlüsselfertig. Dass Sie auch in einer Neubauwohnung noch etwas nach Ihren Bedürfnissen umgestalten können, sofern Sie damit nicht in das Gemeinschaftseigentum eingreifen, bleibt Ihnen unbenommen.
Elf Schritte für Ihren Fahrplan
1 | Erstellen Sie ein Käufer- bzw. Bauherrenprofil. |
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