Darwin verteidigte seine Überzeugungen, indem er als Analogie ein anderes ungelöstes Rätsel heranzog. Er verwies darauf, dass die Theorie der Schwerkraft allgemein akzeptiert werde, auch wenn sie noch nicht hieb- und stichfest nachgewiesen sei. »Es ist kein gültiger Einwand«, sagte er, »dass die Wissenschaft bislang kein Licht auf das weitaus größere Problem des Wesens oder Ursprungs des Lebens geworfen hat. Wer kann das Wesen der Anziehung durch die Schwerkraft erklären? Und doch widerspricht niemand den Resultaten, die als Auswirkungen dieser unbekannten Anziehungskraft feststellbar sind.«15
Aufgrund dieser und ähnlicher Äußerungen ist klar, dass sich Darwin weniger darum kümmerte, wie das Leben ursprünglich auftrat, sondern mehr daran interessiert war, was danach geschah. Seine Frage war vor allem: Wie hat sich die einfache Form des Lebens, von der er glaubte, dass sie sich zuerst in der Welt entwickelt habe, in jene Komplexität und Vielfalt verwandelt, die wir heute sehen?
Darwin gründete seine Theorie der Evolution auf seine persönliche Erfahrung und unmittelbare Beobachtungen. Viele dieser Beobachtungen machte er während einer fünfjährigen Fahrt auf dem britischen Forschungsschiff HMS Beagle.16 Er reiste auf dem Schiff als Naturforscher mit, dessen Mission ziemlich stark nach dem Auftrag klang, den auch das Raumschiff Enterprise (bekannt aus Star Trek) hatte: neue Lebensformen in unbekannten Galaxien zu entdecken. Seine Aufgabe lautete, neue Formen des Lebens in den noch unkartografierten Gebieten zu dokumentieren, die auf der Reise der Beagle entdeckt wurden. Obwohl Darwins Reise von 1831 bis 1836 dauerte, publizierte er seine Theorie erst dreiundzwanzig Jahre später. Mit der Veröffentlichung von Über die Entstehung der Arten war die Essenz von Darwins Evolutionslehre der breiten Öffentlichkeit erstmals zugänglich. Er schreibt:
»Wenn das Auftreten von Variationen für jedes organische Wesen nützlich ist, werden die dadurch charakterisierten Individuen die beste Chance haben, im Kampf ums Dasein bewahrt zu werden; und aufgrund des starken Prinzips der Vererbung werden sie dazu neigen, ähnlich gearteten Nachwuchs hervorzubringen. Dieses Prinzip der Bewahrung habe ich der Kürze halber als Natürliche Selektion bezeichnet.«17
Heute, mehr als einhundertfünfzig Jahre nach Darwins erster Veröffentlichung seiner Theorie, ringen die hervorragendsten Wissenschaftler der modernen Welt an den besten Universitäten unserer Zeit, unterstützt von den reichlichsten Fördermitteln der Wissenschaftsgeschichte sowie der am weitesten fortgeschrittenen Technologie, die jemals verfügbar war, immer noch damit, die Brauchbarkeit dieser Theorie insgesamt zu überprüfen – besonders in Bezug auf den Menschen.
Im Wesentlichen lauten die unbeantworteten Fragen:
Wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, zwingen uns neue Entdeckungen dazu, die Antworten, die wir auf diese beiden Fragen bisher gegeben haben, zu überdenken.
SELBST DARWIN HATTE SEINE ZWEIFEL
Charles Darwin wusste zu seiner Zeit nicht, was wir heute über die Welt wissen. Das war überhaupt nicht möglich. Viele Wissenschaftsgebiete, die wir heute für selbstverständlich halten, gab es bis ins ausgehende 19. und frühe 20. Jahrhundert ganz einfach nicht. Darwin konnte zum Beispiel nichts über Genetik wissen. Obwohl man die Tatsache, dass eine Generation das Erbe ihrer Eltern übernehmen kann, in seiner Zeit bemerkte, wurde das, was diese Weitergabe genau möglich machte – die DNA – erst in der Zeit nach seinem Tod verstanden. Darwin konnte auch nichts von den spezialisierten Herzzellen wissen, die uns einen Zugang zu den außerordentlichen Fähigkeiten und Wahrnehmungen verschaffen, die im weiteren Verlauf dieses Buches beschrieben werden. Und er konnte noch nicht wissen, dass diese Zellen – oder die Gaben, die sie ermöglichen – bereits existierten, als der moderne Mensch vor 200.000 Jahren auf der Bildfläche erschien.
All dies konnte Darwin nicht wissen, und so rechnete er durchaus damit, dass künftige Entdeckungen zumindest einen Teil seiner Theorie widerlegen würden. Er räumte diese Möglichkeit in seinen Schriften ausdrücklich ein. In Über die Entstehung der Arten schreibt er: »Wenn bewiesen werden könnte, dass irgendein komplexes Organ existiert, das sich unmöglich aus zahlreichen kleinen aufeinanderfolgenden Veränderungen« – dem Merkmal der Evolution – »entwickelt hat, würde meine Theorie vollständig in sich zusammenbrechen.«18
Gerade die Bedingungen, die Darwin selbst als Grundpfeiler seiner Lehre bezeichnet hat, sind nun aber umgestürzt worden – da wir tatsächlich komplexe Organe haben, die sich nicht »aus zahlreichen kleinen aufeinanderfolgenden Veränderungen« entwickelt haben können. Folglich lässt sich durch die Evolutionstheorie allein nicht erklären, was wir in der realen Welt vorfinden.
Mit anderen Worten: Genau wie Darwin es erwartet hat, ist seine Theorie in sich zusammengebrochen.
In Über die Entstehung der Arten äußerte Darwin selbst den Verdacht, dass die Evolutionslehre vielleicht nicht ausreichen könnte, um die Komplexität des Lebens zu erklären. Die nachstehende Äußerung mag etwas umständlich erscheinen, aber so ist Darwins Ausdrucksweise nun einmal. Ich teile sie wortgetreu mit, damit seine Vorbehalte deutlich werden – in diesem Fall hinsichtlich der komplexen Funktion eines Auges.
»Die Annahme, dass ein Auge mit all seinen unnachahmlichen Einrichtungen, um den Fokus an verschiedene Entfernungen anzupassen, unterschiedliche Mengen Lichts aufzunehmen und sphärische und chromatische Abweichungen zu korrigieren, durch natürliche Selektion entstanden sein könnte, erscheint, wie ich gerne zugebe, in höchstem Maße absurd.«19
Die Tatsache, dass die Komplexität eines Auges, wie die vieler anderer Organe, den Kriterien entspricht, die nach Darwins eigener Aussage seine Theorie entwerten würde, eröffnet thematisch den ersten Teil des vorliegenden Buches: Die Evolution genügt für sich genommen nicht, um für die außerordentlichen Eigenschaften und Fähigkeiten verantwortlich zu sein, die wir von Anfang an haben. Die Belege, die dafür sprechen, dass gewisse körperliche Merkmale – darunter unsere Augen, unser hoch entwickeltes Nervensystem und unser Gehirn – bereits vollständig funktionierten, als der moderne Mensch auf der Bildfläche erschien, lässt Darwins Theorie in Bezug auf die Menschheit zweifelhaft erscheinen.
DIE MENSCHLICHE EVOLUTION: SPEKULATION WIRD ALS TATSACHE GELEHRT
Das konventionelle heutige Denken vermittelt uns den Eindruck, Darwins Evolutionslehre wäre eine »ausgemachte Sache«. Sie wäre ein klarer Fall, allgemein akzeptiert in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, und es gäbe wenig Raum für Zweifel, was die Erklärung des Lebens betrifft, so wie wir es heute beobachten. Die Evolution wird in Schulbüchern und Klassenräumen als Tatsache beschrieben. In diesem Umfeld bedingungsloser Akzeptanz werden wissenschaftliche Entdeckungen, welche die Evolution zweifelhaft erscheinen lassen, oft nicht erwähnt oder, schlimmer noch, als Aberglaube, Religion oder Pseudowissenschaft verspottet. Aus diesen Gründen sind viele Menschen oft überrascht, wenn sie von Entdeckungen hören, die Darwins Lehre infrage stellen.
Ein ausgezeichnetes Beispiel für diese einseitige Sichtweise ist die Entscheidung des amerikanischen TV-Senders Public Broadcasting Service (PBS), alle konkurrierenden wissenschaftlichen Theorien sowie jede wissenschaftliche Kritik der Evolution aus seiner 2001 ausgestrahlten und hübsch produzierten achtstündigen Miniserie Evolution: A Journey into Where We’re from and Where We’re Going (»Evolution: eine Reise ins ›Woher wir kommen‹ und ›Wohin wir gehen‹«) auszublenden. Eigenen Worten des Senders nach bestanden die Ziele des Programms