nach Schloß Cyrillenort, lebte sich ein, begleitete das fürstliche Paar auf seinen Reisen, war mit demselben in der Schweiz und Italien, las am Teetisch vor (aber selten) und blieb im Schloß, als die alte Fürstin gestorben war. Nicht sehr viel später schied auch der Fürst selbst aus dieser Zeitlichkeit und hinterließ dem schönen Tee-Fräulein ein oberschlesisches Gut, zugleich mit der Bestimmung, daß es ihr freistehen solle, Schloß Cyrillenort noch ein Jahr lang zu bewohnen. Es lag dem schönen Fräulein aber fern, aus diesem ihr bewilligten ›Witwenjahr‹ irgendwelchen Nutzen ziehen oder sich überhaupt unbequem machen zu wollen, und erst als Prinz Bernhard, der Neffe, zugleich Erbe des verstorbenen Fürsten, auch seinerseits den Wunsch äußerte, ›daß sie Schloß Cyrillenort
nicht verlassen möge‹, gab sie diesem Wunsche nach und blieb. Prinz Bernhard kam von Zeit zu Zeit zu Besuch, dann öfter und öfter, und als das ›Trauerjahr‹ um war, zog er von Schloß Beauregard, das er bis dahin bewohnt hatte, nach dem Hauptsitz und Stammschloß der Familie hinüber. Sonst blieb alles beim alten; nichts änderte sich, auch nicht in den Ausflügen und Reisen, die nur weiter gingen und bis Algier und Madeira hin ausgedehnt wurden. Denn wenn der alte Fürst alt gewesen war, so war der junge krank. Er starb schon das Jahr darauf, und man erwartete nunmehr allgemein, daß die schöne Cécile dem von ihr protegierten Kammerherrn von Schluckmann (der, nach Ableben des alten Fürsten, als Hofmarschall in die Dienste des jungen eingetreten war) die Hand zum Bunde, zum Ehebunde, reichen würde. Dieser Schritt unterblieb aber, aus Gründen, die nur gemutmaßt werden, und die schöne Frau kehrte jetzt, wie sie's schon unmittelbar nach dem Tode des alten Fürsten beabsichtigt hatte, zu Mutter und Geschwistern zurück, von denen sie sich mit Jubel empfangen sah. Eine verhältnismäßig glänzende Wohnung wurde genommen, und in dieser Wohnung war es, daß St. Arnaud, zwei Jahre später, die still und zurückgezogen lebende Cécile (damals noch katholisch) kennenlernte. Sie soll inzwischen übergetreten sein; einer Euerer beliebtesten Hofprediger wird dabei genannt.
Da hast Du die St.-Arnaud-Geschichte, hinsichtlich deren ich Dich nur noch herzlich und inständig bitten möchte, von Deiner durchgängerischen Gewohnheit ausnahmsweise mal ablassen und das Kind nicht gleich mit dem Bade verschütten zu wollen. Als Leslie-Gordon kennst Du natürlich Deinen Schiller und wälzt hoffentlich mit ihm, als ob es sich um Wallenstein in Person handele, die größere Schuldhälfte ›den unglückseligen Gestirnen‹ zu. Wirklich, mein Lieber, an solchen unglückseligen Gestirnen hat es im Leben dieser schönen Frau nicht gefehlt. Ihre frühesten Jugendjahre haben alles an ihr versäumt, und wenn es auch nicht unglückliche Jahre waren (vielleicht im Gegenteil), so waren es doch nicht Jahre, die feste Fundamente legen und Grundsätze befestigen konnten. Eva Lewinski, die, wie Du Dich vielleicht entsinnst, lange bei den Hohenlohes in Oberschlesien war und ihre Kinderjahre mit Cécile verlebt hat, hat mir versprochen, alles aufzuschreiben, was sie von jener Zeit her weiß. Ich schließe diesen Brief erst, wenn ich Evas Zeilen habe… Diesen Augenblick kommen sie. Lebe wohl. Elsy ist in Görlitz bei der Großtante, daher kein Gruß von ihr. In herzlicher Liebe
Deine Clothilde«