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Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Edition Aufatmen
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783417229998
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      Mich ausstrecken nach Gott. Bei ihm meinen Halt und meine Nahrung suchen. Und das mitten im alltäglichen Gerödel. Darauf kommt es an. Wie bei den Bäumen besteht auch in geistlichen Dingen eine Relation zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen. Mein Glaube kann nur in dem Maß sichtbare Gestalt gewinnen, wie er im Unsichtbaren verwurzelt ist. Eine Gemeinde kann nur in dem Maß in die Höhe und Breite wachsen, wie die einzelnen Glieder in die Tiefe wachsen. So richtet ein Gang durch den Wald meine Prioritäten neu aus.

      Im Wald lerne ich Großzügigkeit. Wenn man im Herbst auf den Waldboden schaut, ist er übersät mit Eicheln, Bucheckern und Samen aller Art. Die Bäume geben milliardenfach ihre Früchte ab. Nur ein winziger Bruchteil davon geht auf. Aber die Bäume kümmert es nicht. Sie geben gern und reichlich. Wer aufmerksam die Natur anschaut, dem raunt sie zu: Sei großzügig und knausere nicht! Teile Gottes Liebe freigebig an andere Menschen aus, in Worten und in Taten, ohne zu rechnen und ohne auf den Erfolg zu schielen! Gib seine Güte weiter, auch wenn vieles nicht aufgeht!

      Es geht nicht darum, dass wir – insbesondere wir Pastoren – dauernd von Gott plappern. Sondern es geht um eine Herzenshaltung der Großzügigkeit. Wenn in einer Gemeinde oder im persönlichen Umfeld die Resonanz auf das Evangelium ausbleibt, dann kann das dazu führen, dass ich vor den Menschen mein Herz verschließe. Das ist eine ganz natürliche Reaktion, ein Selbstschutz. Ich werde vorsichtiger, fange an zu kalkulieren: Lohnt es sich, hier meinen Mund aufzumachen? Bringt es das jetzt, diesem Menschen zu helfen? Die Bäume ermutigen mich, diese berechnenden Gedanken abzulegen und mein Herz wieder zu öffnen. Gott knausert nicht mit seiner Liebe und darum will ich es auch nicht tun. Denn irgendwo, irgendwann wird sein Same aufgehen und Frucht bringen. Im Gleichnis vom Sämann erzählt Jesus eine Geschichte, die in dieselbe Richtung geht. Hätte er unsere Wälder gesehen, dann hätte er statt vom Sämann vielleicht das Gleichnis von der großzügigen Eiche erzählt.

      Hoffnung

      Es gibt so vieles, was der Wald uns beibringen kann. Eine Sache will ich noch nennen. Die Bäume stärken meine Hoffnung. Manchmal sehe ich im Wald einen gefällten Baumstamm liegen, aus dessen Stumpf ein neuer Sprössling hervorwächst. Es ist ein Hoffnungsbild, das schon in der Bibel vorkommt: »… es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.« (Jesaja 11,1; LUT). Aus dem umgehauenen Königshaus Davids wird ein neuer Gesalbter hervorgehen! Es ist ein Hoffnungsbild für Israel und für die Welt, aber auch eine Vision für mein eigenes Leben. Wenn ich mir so einen Stumpf anschaue, denke ich: Eines Tages wird mein Leib gefällt. Eine Krankheit oder ein Unglück wird ihn umhauen. Doch das ist nicht das Ende. So wie dieser kleine Spross aus dem Baumstumpf herauswächst, so wird dir Gott ein neues Leben schenken in einer neuen Leiblichkeit in seiner Welt. Weil wir mit Jesus, dem Auferstandenen, dem Lebensbaum, verbunden sind, wird aus dem Tod neues Leben sprießen.

      Geduld und Widerständigkeit, Verwurzelung, Großzügigkeit und Hoffnung – was die Bäume mich lehren, sind keine neuen Erkenntnisse. Wir finden dasselbe überall in der Schöpfung, und wir finden es vor allem in der Heiligen Schrift. Aber die Bäume machen mir das, was Gottes Wort sagt, anschaulich. Ich kann diese Wahrheiten an ihnen sehen und spüren. Und so dringen sie tiefer in mein Herz ein. Darum liebe ich den Wald und seine Bäume. Wer weiß, was sie mich in Zukunft lehren werden.

image Steffen Tiemann
(*1962), verheiratet mit Birgit und Vater von zwei Söhnen, ist seit Kurzem Pfarrer der Auferstehungsgemeinde in Bonn. Neben Wanderungen durch den Wald liebt er Radfahren und Tischtennis sowie spannende Bücher bei einer guten Tasse Tee.

       [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

      DR. HEINRICH C. RUST

      Zwischen Krypta und Kathedrale – Heilige Momente in meinem Leben als Beispiel-Geschichte erzählt

      Die Uhr konnte der kleine Junge schon lesen. Und doch vergaß er die Zeit in solchen Momenten. Versonnen und verträumt lag er da, lang ausgestreckt auf der blühenden Frühlingswiese vor dem Elternhaus, und schaute den pausbäckigen weißen Wolken am Himmel hinterher. »Wie groß ist der Himmel wohl?«, hörte er sich flüstern. Leise summte er sein Lieblingslied aus dem Kindergottesdienst. »Hältst Du wirklich alles in deiner Hand, lieber Gott? Auch die Wolken? Die fliegen doch weg!«

      Es war still und er schloss die Augen, um besser zu hören. Da trillerten die Vögel in den Bäumen und auch ein vorbeituckernder Trecker störte nicht. »Ob Gott wohl heute mit mir redet?«– Er richtete sich etwas auf und rief in den Himmel: »Hältst Du auch mich in Deiner Hand, lieber Gott? Wie machst Du das bloß?« Er spürte die Erde, die ihn trug. Stille.

      »Bübchen, kommst du, das Mittagessen ist fertig!« Die vertraute Stimme der Mutter weckte ihn aus seinen träumerischen Gedanken. Auf dem Weg ins Elternhaus griff er in seine Hosentasche und holte seine drei gläsernen, bunten Lieblingsmurmeln hervor. Er schmunzelte, weil er sie immer mit seinem Großvater, seinem Vater und sich selbst verglich. Sie waren zwar unterschiedlich groß, gleichwohl sahen sie sehr ähnlich aus. Heiners Papa nannte man Heini und der Opa war Heinrich, aber eigentlich hatten sie alle den gleichen Namen. Doch die meisten nannten den Kleinen einfach »Bübchen«. Würde er auch »Bübchen« heißen, wenn er demnächst in die Schule käme?

      Ich bin einzigartig

      Er wollte nicht nur ein gewöhnlicher kleiner Junge sein, allen anderen Kindern zum Verwechseln ähnlich. Etwas bedrückt saß er am Mittagstisch. »Was ist mit Dir, Bübchen?« Die Mama schaute ihn liebevoll und auffordernd an, wie es wohl nur Mütter können. »Bin ich nur ein Bübchen, so wie alle anderen Jungen, oder hält der liebe Gott mich in seiner Hand? Dann kennt er mich doch auch genau, oder?« – So eine Frage hatte die Mutter nicht erwartet. In dem Moment öffnete sich die Küchentür und Großvater Heinrich trat ein. Er wollte wohl nur kurz grüßen. »Erzähle Bübchen doch einmal die Geschichte von Heini, als er noch ›Bubi‹ war«, bat die Mutter. Der Opa setzte sich und schaute den Kleinen mit seinen gütigen Augen an, so als würde er sich jetzt schon freuen über die Geschichte, die er nun erzählen würde. »Als dein Papa noch kleiner war als du jetzt, da haben ihn alle im Dorf ›Bubi‹ genannt. Aber auch er wollte nicht mehr so genannt werden.

      Eines Tages, als ein Nachbarjunge ihn wieder ›Bubi‹ nannte, richtete er sich groß vor ihm auf, stemmte seine Arme in die Hüfte und rief: »Ich bin nicht ›Bubi‹, du bist ein Bubi! Ich bin Heini Hutt!« – Dein Papa konnte damals noch nicht einmal unseren Nachnamen richtig aussprechen. Aber er wusste schon: Ich bin einzigartig auf dieser Welt! Und auch du, mein kleiner Freund, bist einzigartig! Ab heute nennen wir dich alle Heiner, einverstanden?« – Die anschließende großväterliche Umarmung fühlte sich für den Kleinen so an, als würde der Vater im Himmel ihn in diesem Moment umarmen. Das Essen schmeckte ihm nun besonders gut.

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      Niemals konnte er diesen Moment vergessen! Noch lange hatte er seine drei Murmeln in der Hosentasche. Sie erinnerten ihn jedes Mal daran, dass sein ganzes Leben in Gottes Hand ist. So wie auch das Leben seiner Großeltern und Eltern. Sie haben in ihrem »Bübchen« schon immer ein geliebtes Kind Gottes gesehen. Heiners Vater und Großvater haben es ihm leicht gemacht, an einen liebenden Vater im Himmel zu glauben, der nicht nur die ganze Welt, sondern auch jeden Menschen ganz persönlich kennt und in seiner Hand hält. Diese Gewissheit der Vaterliebe Gottes war und ist nicht abhängig von der Größe, vom menschlichen Namen oder vom Erfolg. Gott hatte Heiner einen heiligen Moment gegeben, der sein ganzes Leben prägen würde. Einen Schatz, der seinen Wert niemals verliert. Diese frühe kindliche Erfahrung der Vaterliebe Gottes zieht sich wie ein goldener Faden durch sein Leben.

      Das