Die Legende von Arc's Hill. Michael Dissieux. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Dissieux
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969879252
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und seine Stimme hatte merklich an Stärke verloren, als er Mike widerstrebend den Weg zu jenem mystischen Ort erklärte, ohne dabei dessen Absichten zu erfragen oder sich nach dem furchtbaren und übermüdeten Erscheinungsbild seines Gastes zu erkunden. Mike war sich nicht sicher gewesen, ob Paxton in diesen Augenblicken ihrer kleinen Unterredung nicht selbst unter dem Einfluss jener seltsamen Gestalt aus dem nächtlichen Traum gestanden hatte. Denn für einen Menschen, der nach eigenen Aussagen noch nie an jenem geheimnisumwitterten Ort in den Bergen verweilt hatte, wusste Paxton erstaunlich genau über den hinter Buschwerk und tiefhängendem Geflecht verborgenen Pfad Bescheid, der hinauf in die Berge und zum Felsplateau führte.

      Und so hatte sich Mike mit seinem neu erworbenen Wissen und einer seltsamen inneren Ruhe, die ihn bei Anbruch der Dämmerung befallen hatte, auf den Weg zum Rande des kleinen Städtchens gemacht. Im Schutze der nahenden Dunkelheit, aber auch verborgen im Mantel von Stille und Einsamkeit, war er über eine weite, brachliegende Ebene zu den ersten Ausläufern der Berge gelaufen, wo er auch, wie ihm Paxton prophezeit hatte, des mysteriösen Pfades fündig wurde, den ein unwissendes Auge zwischen zwei nahe beieinanderstehenden Büschen nie entdeckt hätte.

      Der Aufstieg gestaltete sich schwieriger als vermutet. Nicht zuletzt der Tatsache wegen, dass immer wieder herabgestürzte Felsbrocken und dichte Dornenranken den schmalen Weg versperrten.

      Mike hatte eine große Taschenlampe mit leistungsstarken Batterien eingesteckt und folgte dem bleichen Lichtkegel auf dem Boden, der ihn immer wieder vor losem Geröll und uralten, versteinerten Wurzeln warnte. Einmal offenbarte ihm der Lichtpunkt seiner Lampe gar eine tiefe Grube inmitten des Pfades, die allerdings, folgte er den harten, verkrusteten Rändern des Grabens, bereits vor ungezählten Jahren ausgehoben worden war.

      Mike suchte den Grund der Grube, der sich gute fünf Meter unter ihm befand, mit der Taschenlampe ab, konnte allerdings lediglich die verendeten Kadaver etlichen Kleingetiers erkennen, die den Boden mit ihren bleichen Knochenresten bedeckten. Im Stillen dankte er Gott dafür, dass der Schimmer nicht auf die verrotteten Formen menschlicher Überreste gestoßen war.

      Es bereitete ihm einige Schwierigkeiten, die Falle – sofern es denn eine solche darstellen sollte – am Rande zu passieren, ohne selbst in das harte Grab hinabzustürzen. Doch als er es endlich nach äußersten Anstrengungen geschafft hatte, verschwendete er keinen weiteren Gedanken mehr an das dunkle Grab und seine Bedeutung. Er hatte immer mehr das Gefühl, von einer Macht getrieben zu werden, die seinem Verstand bei Weitem überlegen war.

      Mittlerweile hatten auch die Ränder des Himmels ihre Farbe verloren, und Mike stolperte durch eine einheitliche, schwarze Masse aus Kälte und Stille, die von keinem Mondstrahl oder Sternenlicht erhellt wurde. Lediglich seine Taschenlampe zeigte ihm den Weg direkt vor seinen Füßen und streifte trockenes, vernarbtes Astwerk und verkrüppelte Büsche, sowie bedrohlich erscheinende, schwarze Baumstämme, bar jeglichen Lebens, die ihn stumm zu beobachten schienen und seinen Pfad flankierten.

      Das Gefühl, dass seine Schritte in dieser finsteren, schweigenden Umgebung nicht ungesehen blieben, erdrückte Mike. Hinter jedem im Schein seiner Taschenlampe aufflackernden Buschwerk vermutete er die höhnisch grinsende Fratze eines Wesens, wie es nur eine derartige Nacht und ein ebenso düsterer Ort gebären konnten.

      Ein kalter, schneidender Wind war aufgekommen und zerrte an seiner Kleidung, die er, wie er sich törichterweise eingestehen musste, zu schlicht und unangemessen gewählt hatte. Er musste die Augen zu schmalen Schlitzen verengen. Dennoch trieb ihn der eisige Hauch, der zwischen den Felsen auf ihn einstach, Tränen über die Wangen, die salzig schmeckten, wenn sie seine Lippen berührten.

      Wenn er nach oben in die Dunkelheit blickte, hatte er das beklemmende Gefühl, nur den Arm ausstrecken zu müssen, um die tief hängende, rauchgleiche Wolkendecke berühren zu können. Er glaubte, groteske Gestalten in diesen Wolkengebilden zu sehen. Schreckliche Dämonen und kreischende Bestien, die einander über den farblosen Himmel jagten.

      Mike wusste, dass sein Verstand bis aufs Äußerste angespannt war und er allmählich Opfer von Trugbildern wurde. War es Charles Ward einst ähnlich ergangen?

      Diese Erlebnisse erzeugten in seinem Kopf eine lähmende Furcht, die seine anfängliche Ruhe, mit der er den Aufstieg begonnen hatte, als heuchlerisch enttarnte und schnell schwinden ließ. Der Weg wurde steiler und steiniger, das Buschwerk und die kahlen, größtenteils abgestorbenen und gar verbrannten Bäume zu beider Seiten des Pfades spärlicher.

      Schließlich schlängelte sich der schwarze Weg durch eine raue, finstere und zerklüftete Felsenlandschaft, die ihm wie stumme, jedoch stets wachsame Wächter erschien.

      Die Luft wurde eisiger und erschwerte Mike das Atmen in erheblichem Maße. Immer wieder musste er anhalten und sich auf seinen zitternden Knien abstützen, um wieder zu Luft zu gelangen. Dabei spürte er seine Lungen in kaltem Feuer brennen und sein Herz so laut in seinem Leib schlagen, dass er befürchtete, es versuche sich in Panik einen Weg aus seinem frierenden und niedergekämpften Körper zu graben.

      Die bange Frage drängte sich in all ihrer Scheußlichkeit auf, ob er sich, im Angesicht dieser düsteren und bizarren Landschaft, überhaupt dazu in der Lage sah, sich an die archaischen Worte des Nad´naruhl zu erinnern, wenn der Zeitpunkt gekommen war, sie laut auszusprechen. Doch noch schrecklicher plagte ihn die Ungewissheit, was diese uralte Beschwörung bewirken würde. Ward hatte in seiner mit bebender Hand verfassten Niederschrift nicht viel hinterlassen, was Mike als Anhaltspunkt dessen dienen konnte, was ihn erwartete.

      Doch den letzten, angsterfüllten Sätzen des Buches zufolge, schienen die Worte des alten Herrschers etwas heraufzubeschwören, das nur schwerlich mit dem menschlichen Verstand vereinbart werden konnte.

      Der Gedanke an das, was ihn in dieser apokalyptischen Nacht noch erwarten mochte, ließ seinen Schritt langsamer und seinen Atem quälender werden. Zu guter Letzt stolperte Mike immer öfter über loses Geröll oder spitze, aus dem Fels hervorragende Steine, und robbte nicht selten auf Händen und Füßen über harte Erde und scharfes Gestein, bis seine Finger bluteten und sich der Herzschlag pochend in seine Hände verlagert zu haben schien.

      Und dann, als ihn der letzte Rest menschlichen Verstandes bereits zur Umkehr bewog, stolperte er um einen letzten, hoch aufragenden Felsen herum, der wie die Klinge eines gigantischen Messers aus der harten Erde aufragte und majestätisch in die finstere Nacht stach.

      Im nächsten Augenblick stand er unvermittelt am Rande des Felsplateaus.

      Es kam ganz plötzlich, ohne das Erschallen himmlischer – oder gar höllischer – Hörner, und ohne, dass ihn ein furchtsamer Schrecken packte.

      Mit wild schlagendem Herzen und eisigen Tränen in den Augen, starrte er gebannt auf die düsteren Schatten einer riesigen, freien Fläche, die von steinernen, stumm in die Nacht ragenden Kolossen umringt wurde.

      Augenblicklich schien das Heulen des Windes in einem fernen Echo zu ersterben.

      Zurück blieb das verzweifelte Schlagen von Mikes Herz und das brausende Schreien seines Blutes in seinen eisigen Adern. Die Felsen um ihn herum verschwammen in einem grauen, alles erstickenden Nebel.

      Der steinige Boden, die tief hängenden, monströs anheimelnden Wolkenschwaden … alles löste sich in einem Strudel aus Bedeutungslosigkeit auf. Zurück blieb ein frierender und furchtgepeinigter Mann, der unmöglich er selbst sein konnte, so dachte Mike in einem letzten Aufflammen seines Verstandes. Er fand den Gedanken in sich, wie viele Menschen vor ihm diesen mystischen Ort wohl jemals betreten hatten. Doch schwand dieser letzte Fetzen seines Bewusstseins und vereinte sich mit all den Nichtigkeiten dieser Nacht, die der Nebel schluckte. Nichts war mehr von höherer Bedeutung in seinem armseligen Leben.

      Olivia, die ihm in dieser Alten Welt genommen wurde und seine kleine, süße Tochter Susan mit sich in die Finsternis ihrer Gräber geführt hatte.

      Die grellen und lauten Lichter der Stadt, die einst seine Droge gewesen waren.

      Arc´s Hill und das merkwürdige Haus des Reginald Grady, in dem er in Melancholie und Erinnerungen seine letzten und einsamen Tage zu verbringen gedacht hatte.

      Charles Ward und sein verfluchtes