Trent lächelte. »Wer mein Gesicht sieht, soll erkennen, dass ich nicht geflohen, sondern dem Feind mutig entgegengetreten bin.«
Adeptin Judith Fabers Schreie wurden von den dunklen, schallgedämpften Wänden tief im Innern des Nebelparder-Landungsschiffs Hartel spurlos verschluckt, während ihre Verhörmeister sich über ihrem schlaffen Körper unterhielten, als wäre sie gar nicht da. Sie wusste, dass sie auf dem Flug von Tukayyid ins All sein musste, war sich aber nur sehr entfernt bewusst, sich auf einem Raumschiff zu befinden. Es erschien ihr mehr wie ein Ausflug in den Schlund der Hölle. Judith konnte die Gesichter ihrer Folterer nicht erkennen, aber ihre Fragen hatte sie nun schon seit Tagen über sich ergehen lassen müssen.
Die Erinnerung an ihre Gefangennahme war verschwommen, verzerrt von Drogen und den Schmerzen der Folter. Sie war nur halb bei Bewusstsein gewesen, als die Parder sie gefasst hatten. Sie hatten eine Kordel mehrmals um ihr Handgelenk geschlungen und sie an Bord eines Landungsschiffs getrieben. Beiläufig hatte einer der Posten den Sieg der ComGuards auf Tukayyid erwähnt, aber ihre Freude war von kurzer Dauer gewesen. Mit tödlicher Effizienz hatte man sie verhört. Zuerst im Gesprächsstil, dann mithilfe von Drogen, Elektroden und Neurofeedbacksensoren. Sie war von den extremen Methoden keineswegs überrascht worden. Tatsächlich hatte sie bei der Vorbesprechung der Mission davon erfahren. Aber theoretisches Wissen war die eine Sache. Praktische Erfahrung eine andere. Judith blieb nur die pure Willenskraft als ein dünner Schleier zwischen Todesqualen und Wahnsinn.
»Sie hat knapp bestanden«, stellte eine tiefe Stimme von außerhalb ihres Sichtfelds fest. Es war ihr gleich. Die Foltern waren kaum noch zu ertragen. Sie war bereit, aufzugeben, beinahe soweit, ihren Inquisitoren die Wahrheit zu sagen. Selbst der Tod wäre ihr eine willkommene Erlösung von den Schmerzen gewesen.
»Die Drogenbefragung ist sehr effektiv, aber ComStar hat sich in früheren Begegnungen als findig erwiesen«, bemerkte die hellere, beinahe weibliche Stimme. »Sie könnte mit Neuroblockern behandelt worden sein, um unsere Befragung zu behindern.«
»Ist sie ein Risiko?«
»Vielleicht«, antwortete die misstrauische Stimme. »Aber es bleibt zweifelhaft. Nur eine Handvoll unserer Leute hat bei den Kämpfen auf Tukayyid Leibeigene genommen. Es wundert mich, dass sie nicht mit den anderen ComGuardisten, die wir gefangen haben, zurückgeschickt werden wollte.«
»Aus ihrem Verhör geht hervor, dass Sie bei den Kämpfen Freunde und Untergebene verloren hat und Schuldgefühle für deren Tod empfindet, obwohl sie selbst bewunderungswürdig gefochten hat. Wie wir bereits gestern erörterten, sitzt ihr Schuldbewusstsein tief, und es hat sich bisher als mächtiges Werkzeug erwiesen, um ihren Willen zu brechen.«
Judith klammerte sich an das Zögern der misstrauischen Stimme, deren Besitzer sie gequält und gefoltert hatte, um ihre Erinnerungen an die Oberfläche zu zerren. »Sie besitzt bemerkenswerte technische Fertigkeiten für eine Kriegerin.«
»Möglicherweise hält sie das am Leben und macht sie von Nutzen für uns. Sterncaptain Trent hat sie als Isorla beansprucht«, meinte die tiefe Stimme. »Aber wir beschreiten nicht den Weg, den die Wölfe gewählt haben. Sie wird nie das Risiko eines durch die Ränge aufsteigenden Phelan Kell für uns darstellen, nicht, wenn wir sie als Tech klassifizieren. Und genau das wäre mein Vorschlag.«
»Sie hat Sterncaptain Trents Leben gerettet, frapos?« Die tiefe Stimme antwortete nicht sofort. »Pos. Seine Hilfseinheit wurde überrannt, und die Techs sind verloren. Wenn er will, kann sie als seine Tech fungieren.«
Judith hörte, wie Finger schnell und methodisch über eine Tastatur klapperten. Ein paar Sekunden, nachdem das Tippen aufgehört hatte, legte sich eine Hand auf ihre Stirn. »Ich weiß, dass du mich hören kannst, Judith. Deine Kraft wird möglicherweise zurückkehren, aber im Augenblick musst du dich damit zufriedengeben zuzuhören, frapos? Du hast als Kriegerin gekämpft, aber diese Zeiten sind für dich vorbei. Du gehörst jetzt dem Nebelparder und hast eine neue Rolle zu erfüllen. Die Gnade der Kerenskys sei mit dir ...«
Bevor sie das Bewusstsein verlor, lächelte Judith in dem Bewusstsein, dass ihre Peiniger nie herausfinden würden, weshalb.
Es beginnt ...
3
Stützpunkthospital, Planetares Kommando der Nebelparder, Warrenton, Hyner
Nebelparder-Besatzungszone
3. Juli 3052
Trent saß aufrecht in seinem Bett und schob die Finger der rechten Hand in das an einen Handschuh erinnernde Gerät. Mit der Linken zog er die Riemen fest. Er aktivierte den Apparat und eine Reihe von Kontrollen und Digitalanzeigen an den Fingern und am Handgelenk erwachten mit sich ständig verändernden Zahlenwerten zum Leben. Er vergewisserte sich, dass das Gerät an das Computerinterface in der Seitenstütze des Bettes angeschlossen war, dann schloss und öffnete er die Faust. Jede Bewegung schickte Myriaden von Signalen an den Rechner, der die Kontrolle über Hand und Gelenke überprüfte.
Das Ganze war Teil der Therapie, die er seit der Ankunft auf Hyner eine Woche zuvor über sich ergehen lassen musste. Die Schäden an seinem Arm waren weit größer, als Trent sich zunächst klargemacht hatte. Der größte Teil des natürlichen Muskelgewebes war vernichtet und durch dünnere Myomerfaserbündel ersetzt worden. Der Arm wirkte dadurch verkümmert und zerbrechlich, aber die Hülle aus künstlicher Haut, in der er steckte, machte ihn in Wahrheit sehr viel stärker als zuvor.
Das Problem bestand in der Gewöhnung daran. Die konstante Therapie gestattete den MedTechs, die Spannung seiner neuen Muskelfasern zu kalibrieren. Früher oder später würde er so die nötige Kontrolle zurückerlangen, um den Arm im Mechcockpit einsetzen zu können. Seine Finger waren zwar verbrannt, aber inzwischen weit genug verheilt, um ihm ein gewisses Gefühl zurückzugeben. Das war es auch, was er am Arm vermisste: das Gefühl. Der Arm blieb taub, nur seine Hand konnte er fühlen. Es dauerte eine Weile, sich daran zu gewöhnen, aber er machte Fortschritte.
Mit seinem Auge war das eine andere Sache. Das genetisch herangezüchtete Ersatzorgan funktionierte bestens, aber der Verlust der Muskeln in der Augenhöhle hatte gewisse technische Hilfen notwendig gemacht. Die Ärzte hatten einen Satz kleiner, schwacher Myomermuskeln und einen mikroelektronisch gesteuerten Kontrollmechanismus implantiert, der den künstlichen Muskeln gestattete, das nachgewachsene Auge zu bewegen und zu fokussieren. Das Ergebnis war ein funktionierendes, natürlich dunkelbraunes Auge mit künstlichen Kontrollschaltkreisen, die es wie ein silbernes Monokel einrahmten. In den letzten Tagen waren die Kopfschmerzen, die Implantat und Ersatzorgan verursachten, schon fast erträglich geworden.
Trents körperliche Stärke war immer noch minimal, obwohl er mit Gewichten arbeitete, um sie wiederaufzubauen. Die über mehrere Medopflaster injizierten Arzneimittel hielten seinen Organismus in Gang, aber er blieb weiter spürbar geschwächt. Mit jedem Tag blieb er länger wach und brauchte weniger Schlaf, aber trotzdem bestand sein körperliches Training immer noch hauptsächlich aus dem Weg zum Badezimmer. Den MedTechs zufolge würde es noch Wochen dauern, bis er fit genug war, um in den aktiven Dienst zurückzukehren.
Wenn er nicht daran arbeitete, sich für die Rückkehr in die Ränge der Kriegerkaste fit zu machen, studierte Trent die Dateien in einem an das Bett montierten Computerterminal. Er suchte nach Informationen über die gefallenen Blutnamensträger des Clans, um festzustellen, welche Blutrechte verfügbar waren. Es war enttäuschend, dass die Dateien zu wenig Informationen über die Folgen Tukayyids enthielten, um ihm ein sicheres Bild der Lage zu liefern.
Zumindest hatte er seine Befehle. Er war zu den 3. Parder-Kavalieren in Galaxis Delta versetzt worden, den ›Sturmreitern‹. Da diese Einheit im Gefolge der generellen Umorganisation der Nebelparder nach den schweren Verlusten auf Tukayyid jedoch neu aufgebaut wurde, war es nur schwer möglich, Näheres über sie herauszufinden.
Als das Licht der aufgehenden Spätwintersonne auf die Wände des Krankenzimmers traf, sah Trent einen Mann in einer makellos gestärkten grauen Uniform eintreten. Er erkannte Sterncolonel Benjamin Howell sofort. Howell kam an die Seite des Betts und sah zu Trent herab. Seine Miene wirkte matter und mitgenommener,