Geschichten vom Pferdehof. Lise Gast. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lise Gast
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711509425
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vor dem kleinen Zweispänner, und Unband, der Shettyhengst, wartete daneben. Pölze legte gerade die Geschirre für ihn und Lottchen und den zweiten Kreuzzügel hinten in den Wagen.

      „Hoffentlich spinnt er nicht, wenn er die neue Schönheit sieht“, sagte sie, während sie einstieg, „komm hier her, neben mich, du kannst ihn halten.“

      „Lottchen ist gedeckt, sie fohlt im März“, beruhigte Kornelia sie und sich selbst. Unband ging zwar brav und willig mit den zwei Stuten, die er kannte, wie er aber bei einer fremden reagieren würde, konnte man nicht voraussagen. Er hatte ein Temperament, das dem seiner Mutter Unfug ähnelte.

      Zunächst aber ging alles glatt. Erle und Espe trabten dahin, und Unband lief neben dem Wagen her, fing allerdings, kaum daß man den Hof verlassen hatte, wie irrsinnig zu trompeten an. Tina, die es nicht mochte, wenn Pferde wiehern, erhob ihre sonore Stimme nun auch, und von einem leisen und heimlichen Davonschleichen konnte keine Rede sein.

      „Warum auch, wir fahren ja zu keinem heimlichen Rendezvous“, sagte Kornelia, ärgerlich darüber, daß sie ihren Hund nicht zum Schweigen bringen konnte, und Pölze antwortete zerstreut: „Na eben.“

      Auf halbem Weg bereits trafen sie Renate Grünwald mit ihrem Wägelchen.

      „Ich wollte mich leise davonstehlen, aber da bellte die Zenzi wie verrückt“, berichtete sie als erstes. Neben ihrem Wagen lief – natürlich – der obligate Dackel.

      Da mußten sie alle drei lachen. „Aber meinen kleinen Geschwistern bin ich diesmal mit Erfolg durchgegangen. Ich dachte, es sei vielleicht doch besser, sie warten, ehe sie auf einem Vierspänner, bestehend aus drei Stuten und einem Hengst, ihre Ausfahrten machen.“

      Pölze hatte Kornelia die Zügel gegeben und war ausgestiegen. Sie nahm Unband kurz.

      „So, so, mein Lieber, das ist Lottchen, und du wirst dich benehmen wie ein guterzogener Hengst, hast du verstanden?“ Sie führte ihn an das fremde Pony heran. „Nichts Aufregendes, nichts Gefährliches. So, beschnuppert euch mal ausgiebig, und sagt euch guten Tag. Nein. Unband, so war das nicht gemeint ...“ Der kleine Hengst schnaubte aufgeregt, stellte die Ohren auf, machte aus dem Hals einen runden Kragen und ging vorn hoch, mit den Vorderbeinen in der Luft herumschlegelnd. Sie hielt ihn kurz unterm Kinn und zwang ihn wieder herunter, daß er aufsetzte und still stand.

      „Das ist nur am Anfang, das gibt sich“, versicherte sie Renate gegenüber, die etwas skeptisch dreinsah. „Vielleicht ist es besser, wir spannen ihn neben Erle, die hat die Ruhe weg, und lassen Lottchen vorn neben Espe gehen.“

      Schön. Kornelia sprang vom Wagen und half, Espe wurde ausgeschirrt und Unband an ihren Platz gestellt, dann kamen die zwei vorderen Ponys dran. Die gehen beim Vierspänner ohne Deichsel, sind also etwas schwierig zu fahren.

      „Aber wir sind ja zu dritt“, beruhigte Kornelia sich und die anderen, „vielleicht fahren wir erst mal mit zwei Zügeln. Einer fährt die vorderen beiden, einer die hinteren. Aber wer?“

      „Wir zwei, du und ich“, meinte Renate nach einem kurzen Zögern, „und Sie, Frau Werth, gehen vielleicht ein bißchen weg ...“

      „Ich? Weggehen? Warum denn?“ fragte Pölze empört. „Ich glaube, Unband kann es brauchen, daß sich jemand um ihn kümmert. Komm her, mein Lieber, so geht das nicht ...“

      Der kleine Hengst stieg im Geschirr, schlug aus, kam mit dem einen Hinterbein über die Deichsel und brachte alles durcheinander. Nun wurden auch die Stuten unruhig und traten hin und her.

      „Fahrt los!“ rief Pölze den beiden zu, die etwas bedenklich auf ihr Vierergespann guckten. Sie schob Unband an seinen Platz, hielt ihn vorsorglich – „nun gib doch nicht so an!“ – und winkte den beiden zu: „Abfahrt, vorwärts! Beim Fahren richtet er sich schon ein!“

      Erle und Espe zogen gehorsam an, Lottchen folgte. Ihr eisengraues Fell hatte bereits dunkle Schweißflecken, weil sie sich aufregte. Aber Pferde sind Herdentiere und lassen sich von anderen mitnehmen. Darauf hatte Pölze gerechnet. So begann nun auch Unband, als seine drei Damen sich ins Geschirr legten, zu ziehen, und siehe da, der Vierspänner fuhr ohne Zwischenfall los, allerdings in einem nicht berechneten, ziemlich atemberaubenden Tempo. Pölze mußte loslassen und zur Seite springen.

      „Laßt sie laufen, damit sie sich die Mucken abreagieren. Sie werden schon müde werden“, rief sie den beiden Kutscherinnen zu. Dann stand sie und sah das Wägelchen kleiner und kleiner werden.

      Alles ging gut. Pferde sind wie Kinder: Solange man sie beschäftigt, machen sie keine Dummheiten. Natürlich war der kleine Wagen viel zu leicht für vier kleine Pferdekräfte, die im Grunde gar nicht so klein sind. Man rechnet, daß ein Shetlandpony in der Ebene das Vierfache seines Gewichts ziehen kann. Wenn es also an die drei Zentner wiegt, könnte es einen solchen Wagen allein im Trab über Land bringen, ohne Mühe. Hier waren es vier, die sich diese Aufgabe teilten ...

      Kornelia und Renate auf dem Bock sahen mit Vergnügen, wie ihre Pferdchen dahindackelten. Ihnen lachte das Herz. Sie gaben einander halblaute Anweisungen, brachten es fertig, an einer Wegbiegung, wo eine andere Straße abging, sogar im großen Bogen umzudrehen, und fuhren nun wieder zu Pölze zurück. Die stand am Straßenrand und sah dem kleinen Gefährt entgegen.

      „Wunderbar, wer sagt es denn!“ lobte sie. „Nun haaaaalt. Ja, Unband, du bist doch der Beste, mit drei Frauen zusammenzugehen und keinen Terror zu machen! Beim nächsten Turnier fahren wir alle Preise nach Hause! – Und nun will ich mal!“

      Wirklich, die vier Pferdchen hielten. Unband hämmerte zwar mit den Vorderhüfchen wild auf die Erde, während er stand, aber Pölze war schnell auf dem Bock und nahm alle vier Zügel in die Hände. Renate sprang ab, um Platz zu machen, Kornelia blieb neben Pölze sitzen.

      „Vorwärts, jawohl!“ kommandierte Pölze halblaut, und die vier zogen wieder an. Sie trabten gut und gleichmäßig, jetzt auch in vernünftigem Tempo. Pölze merkte mehr, als sie sah – sie konnte nur aus den Augenwinkeln nach hinten seitlich gucken –, daß Renate sich im letzten Augenblick hinten in den Wagen geschwungen hatte. „Gut so, wir brauchen Gewicht. Ho, hoooo, nein, hier wird nicht verrückt gespielt, immer mit der Ruhe.“ Sie sprach ständig mit ihren Pferden, auch beim Reiten, halblaut, beruhigend. „So, und nun etwas zulegen, ja zeigt mal, was ihr könnt ...“

      „Darf ich mal kutschieren? Allein?“ fragte Kornelia begierig. Pölze gab ihr erst den rechten und dann den anderen Doppelzügel hinüber, immer auf die Pferdchen sehend, und Kornelia fühlte sich ins Kutschieren hinein. Annehmen, nachgeben, eine kleine Parade hier, ein bißchen Luft mehr für Espe. „Erle, komm, komm, meine Schöne. Nein, Lottchen, nicht aus der Reihe tanzen, so, siehst du ...“

      Da geschah es.

      Sie fuhren jetzt auf den Wald zu, einen ziemlich schmalen Weg. Dort sprang, kurz vor ihnen, vielleicht fünf Meter entfernt, ein Reh darüber, von links nach rechts, gleich darauf noch eins und das dritte. Meist sind es drei. Kornelia wollte das gerade sagen, als die Ponys reagierten. Lottchen warf erschrocken den Kopf, stemmte sich zurück, Espe zog noch vorwärts, und schon hatte auch Unband geschaltet. Wie verrückt drückte er nach rechts an die Deichsel, Erle mußte nachgeben, und so hing der Wagen mit den rechten Rädern überm Graben, der hier zwar nicht sehr tief war, aber immerhin tief genug, daß der Wagen kippte. Kornelia kam halb darunter, Pölze war eine Sekunde vorher abgesprungen, nach links.

      Es gab ein heilloses Durcheinander von schlagenden Pferdehufen und zerrissenem Geschirr, schrilles Wiehern, und dazu bellten Tina und Zenzi, daß es klang, als probierten eine Kesselpauke und ein grelles Becken miteinander aus, wer lauter könnte.

      „Hau, hau, hau!“ gellte Zenzi in den höchsten Tönen, und „Wuff wuff!“ tobte Tina dazu.

      „Haltet doch die Klappe!“ japste Kornelia, die sich unter dem Wagen hervorarbeitete. „Renate, kannst du deinem Köter nicht das Maul zupeppen? Und du, Tina, gib endlich Ruhe, es ist ja nichts passiert.“

      Nein, gottlob, nichts war passiert – außer zerrissenem Geschirr, einer kleinen Anzahl Schrammen und blauer Flecke