Sechs Monate lang bekam Henri Briefe von Jeanne, die teuersten seines Lebens; denn wie viele Frauen er anbeten, an wie viele er die Kraft seines Lebens noch wenden soll, im Grunde wird er immer fühlen, daß nur eine einzige ganz im Ernst für ihn gekämpft und nur um seinetwillen geatmet hat bis auf den Rest ihrer Lungen.
Zu Tours, im Februar, hätte sie sich gern entschlossen, umzukehren, nur ging es nicht mehr. Den Reden der Herren, die Katharina zu ihrem Empfang entsandt hatte, hörte sie es gleich an, daß sie wirklich betrogen werden sollte. Die alte Königin und ihr Sohn, der König, befanden sich in Blois, kamen ihr aber ein Stück entgegen. Da hütete sich Jeanne d’Albret, von ihrer kostbaren Lebenszeit noch etwas zu verlieren: sofort verlangte sie, daß die Braut ihres Sohnes zum Protestantismus überträte. Das Gefährliche war, daß die alte Königin nicht einfach nein sagte; sie tat, als glaubte sie gar nicht, daß es ernst gemeint wäre. Ein Einfall im wolkigen Hirn einer Aufgeregten, die man beruhigen mußte durch fortwährende gute Laune, und daran ließ Katharina es nicht fehlen. Immer blieb diese schreckliche alte Frau zu Scherz und Spott aufgelegt, während des ganzen Winters und bis in den Mai: so lange verhandelten sie im Schloß zu Blois. Jeanne aber, die ihre Kräfte abnehmen fühlte, mußte haushalten mit ihnen, niemals durfte sie außer sich geraten, das hätte wieder Tage gekostet.
Die alte Königin scherzte: „Aber gute Freundin! Was macht es denn Ihrem tüchtigen Hahn aus, welchen Glauben meine hübsche Henne hat, wenn er sie ...“ Laut und deutlich, sogar noch andere hörten es und brachen in Lachen aus. Wollte Jeanne auch zornig werden, das Gelächter hätte sie nicht überschreien können. Daher verzog sie selbst das Gesicht, daraus wurde ein geringschätziges Lächeln, etwas Abseitiges inmitten der vereinigten Fröhlichkeit der andern. Aber Jeanne wahrte doch, so gut sie es konnte, die Überlegenheit des Gesunden. Nur keine Krankheit verraten! Dann hätten sie mit ihr gemacht, was sie wollten.
Katharina log im Scherz, dagegen war schwer aufzukommen. Sie behauptete einfach, der Erzieher des Prinzen von Navarra hätte gemeldet, daß der Prinz für seine Person ganz bereit wäre, sich katholisch trauen zu lassen — in Vertretung sogar, während er noch dort unten säße; es könnte ihm nicht schnell genug gehn.
Jeanne erwiderte trocken: „Wie sonderbar, daß ich die Wünsche meines Sohnes nicht kennen sollte, während Sie, Madame, darüber Bescheid wissen!“
„Ihnen wollte er es auch sagen, aber das hat er wohl vergessen über seinen galanten Abenteuern“, scherzte Katharina und wiegte sich in ihren dicken Hüften, als ob sie jetzt gleich tanzen sollte auf ihren kurzen Beinen.
Nachher aber, als Jeanne sich erschöpft zurückgezogen hatte, erzählte die furchtbare Alte ihrem Hof alles umgekehrt. Jeanne selbst war es danach, die gebeten hatte, man möchte ihren Sohn auf alle Fälle nehmen, ob katholisch oder nicht, nur ohne Aufschub! Alle sprachen sie darauf an, die protestantischen Herren machten ihr heftige Vorwürfe, während die zahllosen Ehrenfräulein Katharinas ihr vorschwärmten von dem Wunderprinzen, auf den sie sich freuten wie die Kinder. Diese Ehrenfräulein hatten sämtlich keine Ehre mehr zu verschenken, sondern nur noch Vergnügen, und das taten sie auf jeden Wink ihrer ruchlosen Herrin. Sie befolgten wohl den Auftrag, die Sittenlosigkeit dieses Hofes der empfindsamen Jeanne unverhohlen vorzuführen, um sie eher abzunutzen. Am Abend, oder auch schon vorher, ging es hier zu wie in einem besonderen Haus. Abseits blieb nur Margot, die Braut.
Ein Florentiner Teppich
Die Mutter Henris konnte nicht leugnen, daß die Prinzessin von Valois sich wohlverhielt und daß sie von fehlerloser Gestalt, wenn auch zu sehr geschnürt war. Sie hatte ein völlig weißes Gesicht, gelassen heiter wie der Himmel, so kennzeichnete es ein Hofmann namens Brantôme; Jeanne aber durchschaute natürlich, was an all dem Geziertheit und was Schminke war. Sie legten hier so dick auf, wie sonst nur in Spanien. Diese Höflinge übertrieben auch, ganz wie Götzenanbeter. Jeanne beobachtete aus sicherer Entfernung eine der gottlosen Prozessionen, die Hauptperson darin war kein Pfaff und auch der Bischof nicht: Margot, in Perlen und Edelsteinen schimmernd, mit ihnen bestirnt bis über den Scheitel, war Gegenstand der gesamten Verehrung von Adel und Volk. Die Gemeinen knieten am. Wege hin. Wer im Zuge ging, fühlte sich getragen. Gemurmel wie Gebete stieg aus dem Gedränge auf. Wahrscheinlich war es Lästerung.
Als Margot ins Schloß zurückgekehrt war, ließ Jeanne sie in ihr Zimmer bitten, und sie kam sogleich, noch trug sie ihr Staatskleid und allen Schmuck. Jeanne konnte sich der Beobachtung nicht erwehren, daß diese so erfolgreiche Schönheit dennoch Hängebacken hatte, oder wenigstens ließ sich voraussehen, die Wangen würden herabfallen, wenn das Mädchen nur noch wenig älter wäre, und langsam entstand dann wohl das Bild der alten Katharina.
„Liebe Tochter“, sagte Jeanne, zärtlicher als sie gewollt hatte. „Du bist schön und gut. Mein einziger Wunsch ist, daß du so bleiben mögest. Dein Mann wird wahrhaft glücklich sein.“
„Ich kann nur hoffen, meine liebe Mutter, daß Sie mit meinem Aussehen recht haben. Hinsichtlich meiner moralischen Verdienste indessen will ich Ihnen gestehen, daß sie noch leichter wiegen als meine physischen. Ich habe keine Erziehung, oder nur eine sehr unregelmäßige, genossen.“
„Sie sprechen so gut“, sagte Jeanne und hörte schon auf, ihre Schwiegertochter zu duzen. Inzwischen dachte die beredte Margot an die erzieherischen Prügel, die sie von Mutter und Bruder bekommen hatte, weil sie mit dem Guise schlief. Ach! Wann sollte sie diese Freude wiederhaben? Er war fortgeschickt worden von Madame Catherine, sobald die Schwiegermutter sich näherte. Er sollte heiraten, ihr Süßer ging verloren! Tränen drohten der Armen in die Augen zu treten. Noch rechtzeitig bedachte sie ihre bemalten Lider, von denen die Farbe wäre fortgeschwemmt worden, und ihr glattes Gesicht, das durch salzig rieselndes Wasser bald Falten bekommen hätte. Man darf nicht erst anfangen.
Jeanne sagte weiter: „Mein Sohn ist ein Junge vom Lande, und doch ein Königssohn. Er ist Soldat, daher hat er sowohl das Ehrgefühl als auch den unscheinbaren Edelmut, die beide dem echten Soldaten gehören.“
„Güte und Ehre sind ein und dasselbe. Ich habe im Plutarch gelesen —“
„Auch mein Sohn hat von mir den Plutarch zu lesen bekommen; er weiß sehr wohl seine Vorbilder aufzufinden unter den großen Männern. Er ist nicht geistlos, wenn ich auch sagte, daß er einfach ist. Sein Witz kommt aus einem lebendigen Herzen, nicht aus eitler Klügelei und getünchtem Grab!“
Margot setzte das Charakterbild unmittelbar fort: „Er hat königliches Blut, das aber ganz gesund ist, und sein Geist ist sich seiner Verfeinerung wenig bewußt.“ Dies war das grade Gegenteil ihrer eigenen Lage, daher konnte sie es sich denken. Jeanne glaubte statt dessen irrtümlich, ihr inständig angepriesener Sohn habe jetzt an das Gefühl gerührt. Unachtsam setzte sie ihre Eröffnungen fort.
„Oh! Wie sehr wünschte ich, liebe Tochter, daß ihr beide euch nach eurer Verheiratung zurückzöget von diesem Hof. Denn hier ist nur Verderbnis. Sie geht soweit, daß hier die Frauen die Männer auffordern.“
„Haben Sie es auch bemerkt?“ seufzte Margot. „Ja, es ist schlimm.“
„Lebt beide in Frieden und Einigkeit fern von hier! Ich habe Güter in Vendôme, dort wäret ihr die Herren, anstatt daß ihr am Hof von Frankreich einen leeren, nutzlosen Prunk entfalten müßt — wie heute bei der Prozession. Habe ich doch Herren gesehen: hunderttausend Taler reichen nicht für das Geschmeide, das einer an sich trug! Gott will aber anders geehrt werden, und er befiehlt, daß wir für ihn nicht prahlen, sondern kämpfen. Liebe Tochter! Wir alle sind fehlbar, aber die Protestanten hängen nicht allein an dem Reich von dieser Welt: das rechtfertigt uns, wir verstehen es, arm zu sein, bedroht zu leben und lange zu warten — um der Freiheit willen, und die ist in Gott.“
Die Königin Jeanne machte endlich eine Pause, sie hielt ihren drängenden Blick auf dem weißen Gesicht der Prinzessin Margot, worin die Augen sich ganz geschlossen hatten. Margot dachte: ,Gefährlich! Meine Mutter hat nur zu recht, sie sind eine große Gefahr. Man wird gegen sie etwas