Aber es war so früh, die Nebel lagen noch auf der Erde, wenn sie ihn vergaß? Wenn sie die Stunde verschlief?
Schon sah er das Schafott, es ragte hoch über die Häupter des Volkes empor, welches es umgab. Ein Regiment Fußvolk hatte ein großes Viereck um dasselbe gebildet, nur einzelne Schlitten vornehmer Damen, welche in prächtigen Pelzen dasaßen und ihn lorgnettierten, um jedes leise Zucken der Todesangst von seinem Gesichte herab zu lesen, hatten in demselben Einlaß gefunden.
Am Fuße des Gerüstes empfing der Gerichtshof den Verurteilten. Noch einmal wurde feierlich das Schuldig über ihn gesprochen. Kalten Blutes, ruhigen Angesichts hörte Mirowitsch das Urteil verlesen, sah er den Stab brechen, die Kerzen verlöschen.
Man übergab ihn dem Henker.
Als man ihm die Hände auf den Rücken band, überlief es ihn. Er fühlte sich nun vollkommen willenlos der Gewalt, der Gnade oder Ungnade der Geliebten hingegeben. „Ich selbst bringe dir Gnade!“ murmelte er, und ein sanftes Lächeln überflog sein entsetzlich bleiches Gesicht.
Man zögerte noch. Der Polizeiminister blickte auf die Uhr und flüsterte mit dem Henker, er hatte den Befehl, bis zu einer bestimmten Stunde und Minute auf Begnadigung zu warten.
Jetzt führten sie Mirowitsch endlich die Stufen des Schafotts empor, jetzt stand er oben und blickte umher. Eine unabsehbare Menge umgab dasselbe, Totenstille. Noch keine Bewegung, welche das Nahen der Monarchin angekündigt hätte! Ein tiefer Schauer kam über Mirowitsch, die Knie bebten ihm. Da stand der furchtbare Block, der Henker stützte das blanke Beil auf denselben. Man wollte Mirowitsch die Augen verbinden, er wies es zurück und blickte gen Norden. Von dort mußte sie kommen, kalter Schweiß stand auf seiner Stirne, das Herz schlug ihm bis zum Halse hinauf.
Da sah er einen Schlitten, der pfeilschnell herangeflogen kam, näher, immer näher, sie war es — ihr Hermelin glänzte im Sonnenlicht.
Lächelnd kniete er nieder, noch einmal blickte er hinüber, er erkennt sie, die Menge wogt auf und ab, er legt sein Haupt auf den Block und lacht.
Die Kaiserin fliegt im phantastischen Schlitten, in Zobelfelle köstlich gebettet, herbei, sie trägt einen Ueberwurf von blutrotem Samt mit Hermelin — er sieht alles deutlich — und hat eine hohe Mütze von Hermelin auf dem göttlich schönen Haupte. Heute ist sie eine Göttin, die Leben gibt und nimmt. An ihrer Seite sitzt die Fürstin Daschkow und zittert.
Der Schlitten der Kaiserin teilt die Menge, sie sieht das Schafott, sie sieht Mirowitsch knien — ein Blitz fährt durch die Luft.
Die Fürstin Daschkow schließt die Augen.
Jetzt hebt der Henker ein blutiges Haupt empor und zeigt es der Menge.
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