Am anderen Ende des Stalls erklang ein dumpfer Schlag. Es hörte sich an, als hätte sich jemand den Kopf an einem Metallstück gestoßen. »Gott, Charlie«, rief George. »Bleib jugendfrei, ja?«
Nun, Charlie wäre am liebsten auf der Stelle gestorben. Ich hingegen konnte nicht aufhören zu lachen. Und dann lachte ich noch weiter.
George kam über den Stallgang zu uns, lächelte und rieb sich den Kopf, während Charlie das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. »Entschuldige«, sagte er. »Ich hatte angenommen, wir wären allein.«
»Das dachte ich mir«, sagte George noch immer lächelnd.
Charlie, noch immer hochrot, sah mich an und zuckte zusammen. »Tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Das war wirklich respektlos, entschuldige.«
Ich musste noch einmal lachen. »Lustig, respektlos und wahr.«
Charlie stöhnte und lehnte sein Gesicht an Shelbys Hals. »Hör auf.«
George lachte leise über uns, ehe er sich umdrehte und wieder an die Arbeit ging. »Ich wollte euch viel Spaß wünschen, Jungs, aber angesichts eurer Unterhaltung sage ich einfach: Kommt nicht zu spät nach Hause.«
Noch immer lachend setzte ich den Fuß in den Steigbügel und schwang mich in den Sattel. Charlie stieg mit vertrauter Leichtigkeit auf Shelby und grummelte den ganzen Weg über den Hof vor sich hin.
»Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe. Ich sag nie solchen Mist.«
»Vor niemandem außer mir«, korrigierte ich ihn.
Charlie seufzte und schüttelte den Kopf, aber nach ein paar Minuten im Sattel und in der Wüste lächelte er bald wieder.
Es gab nichts Schöneres, als zu sehen, wenn Charlie frei war, und er war nirgends freier als in der Wüste auf Shelbys Rücken. Es war unsere Zeit, um auf andere Gedanken zu kommen, wie Charlie es ausdrückte. Weites Land, saubere Luft, blauer Himmel; die Wüste im Herbst war wunderschön. Die meisten Landschaften gingen ein und bereiteten sich auf den Winter vor, die Wüste schien sich ihm mutig und mit erhobenem Kopf entgegenzustellen.
Wie Charlie Sutton.
Ich war in Gedanken über ihn verloren gewesen, als mich seine Worte aufschreckten. »Trav? Bist du noch da?«, fragte er lachend.
»Oh ja, entschuldige. Ich war ganz weit weg.«
Er schüttelte den Kopf über mich. »Schon in Ordnung. Shelby hört mir zu«, sagte er und verdrehte die Augen. »Wenigstens eine.«
Ich schnaubte. »Was hast du gesagt?«
Er rutschte auf seinem Sattel herum, als würde es ihn ärgern, sich wiederholen zu müssen, aber er tat es trotzdem. Er sprach hitzig über den Klimawandel und dass die Politiker keine Ahnung davon hatten. »Wie sollen sie es wissen, wenn sie in klimatisierten Büros sitzen? Die Ironie des Ganzen ist sicher ein Witz.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sollten hier raus kommen und sehen, wie es wirklich ist. Sie sollten etwas über die Tiere und Jahreszeiten lernen; das sollten sie tun.« Er ereiferte sich weiter und weiter und als wir zwei Stunden später zum sechsten Bohrloch kamen, hatten wir den Klimawandel diskutiert und über die Vor- und Nachteile der Ziegen- anstelle der Rinderzucht gesprochen – es war nicht schwer zu erraten, welchen Standpunkt Charlie in dieser Sache vertrat. »Ziegenzüchter«, schnaubte er verächtlich, als wären sie die Pointe eines Witzes – was zu einem Gespräch über das Anpflanzen von Olivenbäumen und Diversifikation führte.
Wir hatten die Pumpen von Charlies Laptop aus überwacht und festgestellt, dass Nummer sechs auf der südöstlichen Weide Probleme hatte, also waren wir gekommen, um sie uns anzusehen. Nicht, dass wir abgesehen von der Kneifzange, der kleinen Drahtrolle und Isolierband, die Charlie wie üblich in seiner Satteltasche verstaut hatte, irgendwelches Werkzeug mitgebracht hätten. Und er hatte sein Gewehr im Sattelholster, falls wir uns um irgendwelche Plagegeister kümmern mussten, denen wir vielleicht begegnen würden. Ich trug den Rucksack mit Wasser, Sandwiches und dem Satellitentelefon und hatte eine kleine Tube Gleitgel hineingeworfen. Nur für den Fall.
Charlie hatte einen Check durchgeführt, den Kolben geschmiert und anschließend schien die Pumpe etwas runder zu laufen. Wir saßen im Schatten des Schuppens, die Pferde hatten ihr Wasser und wir genossen unser Mittagessen. Charlie wühlte im Rucksack und fand das Gleitgel, das er hochhielt. »Optimistisch?«
Ich lachte. »Pfadfinder.«
Er prustete, aber wir benutzten das Gleitgel nicht. Charlie hatte stattdessen Mas selbst gebackene Kekse gefunden. Nachdem wir alles aufgegessen hatten, packten wir zusammen, schwangen uns wieder in den Sattel und ritten nach Hause.
Ich fing an zu glauben, dass mit dem Bohrloch von Anfang an alles in Ordnung gewesen war und es verdammt schneller gewesen wäre, den Pick-up zu nehmen, aber Charlie hatte mit mir ausreiten wollen. Das konnte ich ihm schlecht übel nehmen. Es war ein perfekter Tag.
Auf dem Weg nach Hause erzählte mir Charlie, was er, Greg und Allan für das nächste Treffen vorbereiteten. Ich war in eine Art Tagtraum versunken, bei dem ich Charlie zwar zuhörte, aber gleichzeitig die Sonne auf meinem Rücken genoss, als Shelby plötzlich scheute.
Sie blieb abrupt stehen, grub ihre Hufe in die Erde und taumelte dann nach hinten. All das passierte sehr schnell und unerwartet.
»Whoa, whoa, Mädchen«, sagte Charlie und versuchte, sie zu beruhigen, während er sich festhielt. Shelby stand beinahe senkrecht auf der Hinterhand und Charlie tat gut daran, sich nicht abwerfen zu lassen.
Es gab nur eine Sache, die das bei Shelby auslösen konnte. Ich sollte es wissen, denn sie hatte es bei mir auch schon getan. Texas war ebenfalls nervös und ich hielt die Zügel straff, um ihn ruhig zu halten, während er sich drehte und dann sah ich es.
Eine Schlange.
Sie hatte eine rotbräunliche Färbung, ähnlich wie die Erde unter ihr, hatte sich aber im Angriffsmodus aufgerichtet und war bereit zuzuschlagen. Charlie und Shelby waren beinahe direkt über ihr.
»Charlie, Schlange!«, rief ich.
Irgendwie gelang es ihm, Shelby nach hinten zu dirigieren, und als sie endlich wieder auf allen vieren stand, zog er sie herum und zwang sie, die Schlange zu umrunden, indem er ihr fest die Fersen in die Flanken drückte. Ich zerrte heftig an den Zügeln, stupste Texas mit den Stiefeln an und wir jagten hinter den beiden her, während Adrenalin durch meine Adern pumpte und mein Herz hämmerte.
In der einen Minute ritten wir friedlich und entspannt nebeneinander und in der nächsten Sekunde donnerten wir in vollem Galopp dahin, sodass mir das Blut in den Ohren dröhnte.
Charlie brachte Shelby ruckartig zum Stehen und stieg schnell ab. Als ich zu ihnen stieß, lagen seine Hände auf ihrem Hals und ihrer Brust, während er beruhigend auf sie einredete. Er drückte ihre Stirn an seine Brust und flüsterte: »Alles gut, Mädchen, alles gut.«
Ich stieg ebenfalls ab und führte Texas an den Zügeln zu Charlie. Shelby hatte den Kopf gesenkt und Charlies Hände lagen an ihrem Maul. Sie knabberte oft an seinen Händen, doch dann zog Charlie seine Hand zurück und betrachtete sie.
Sie war mit etwas verschmiert, das wie flüssiger Rost aussah, und Shelby lehnte sich nach vorn, als würde sie schwanken.
»Nein«, rief Charlie. »Nein, nein, nein, nein. Wag es bloß nicht.«
Er zog ihren Kopf nach oben. Sie blutete aus den Nüstern.
»Shelby, nein«, flüsterte er. »Nicht du, Mädchen.«
Offensichtlich wusste Charlie sofort, was los war. Ich brauchte eine Sekunde, um es ebenfalls zu begreifen. Die Schlange musste sie gebissen haben…
Oh gütiger Gott, nein.
»Trav, nimm ihr den Sattel ab«, befahl Charlie. »Sofort.«
Ich gehorchte. Ich fummelte an den Verschlüssen und sobald sie den Sattel los war und ich ihn auf den Boden warf, schien sie zu schwanken.