»Ich bin mit einem Ritz in der Haut davongekommen«, antwortete der zweite, indem er sich die durch eine gesprungene Kutschenscheibe verletzte Wange abwischte.
»Und ich mit einer Hautabschürfung!« erwiderte der dritte, von dessen Wade ein Tröpfchen Blut hervorquoll.
Niemand hatte also ernstlich Schaden genommen.
»Doch mein Violoncell!« rief der vierte. »Wenn nur mit meinem Violoncell nichts passiert ist.«
Zum Glück erweisen sich die Instrumentenkästen alle unversehrt. Weder das Violoncell, noch die Bratsche oder die beiden Violinen hatten von dem Stoße gelitten, ja, es war sogar kaum nötig, sie neu zu stimmen. Eine vortreffliche Sorte Instrumente, nicht wahr?
»Verwünschte Eisenbahn, die uns auf halbem Wege sitzenlässt!« beginnt der eine wieder.
»Verwünschte Kutsche, die mit uns mitten in der Wildnis umwirft!« setzt der zweite hinzu.
»Und gerade zurzeit, wo es anfängt, dunkel zu werden!« jammerte der dritte.
»Zum Glück ist unser Konzert erst für übermorgen angezeigt!« bemerkt der vierte.
Dann folgen einige drollige Wechselreden zwischen den Künstlern, die ihr Missgeschick von der lustigen Seite aufgenommen haben. Der eine entlehnt seine Kalauer nach eingewurzelter Gewohnheit der musiktechnischen Sprache und sagt:
»Na, da wäre ja unsere Kutsche glücklich ›auf den Rücken gelegt!‹«1
»Au, Pinchinat!« ruft einer seiner Gefährten.
»Und ich meine«, fährt Pinchinat fort, »wir haben umgeworfen, weil wir die Vorzeichnung (Schlüssel) der Straße unbeachtet ließen.«
»Wirst du schweigen lernen?«
»Und wir werden gut tun, unsere Stücke in eine andere Kutsche zu transponieren!« wagt Pinchinat noch hinzuzusetzen.
Ja, es handelte sich um einen tüchtigen Unfall und Umfall, wie der Leser sofort erkennen wird.
Die angeführten Worte wurden französisch gesprochen; es hätte dies aber auch englisch erfolgen können, denn das Quartett beherrschte die Sprache Walter Scotts und Coopers – dank vielfacher Kunstreisen in Ländern angelsächsischen Ursprungs – ebenso wie die eigene Muttersprache. So verhandeln sie denn auch nur auf englisch mit dem Führer der Kutsche.
Dieser brave Mann hat am schlimmsten zu leiden, da er, als die Vorderachse des Wagens brach, von seinem erhöhten Sitz heruntergeschleudert wurde. Zum Glück beschränkte sich das auf verschiedene mehr schmerzhafte als ernste Kontusionen.2 Immerhin kann er infolge einer Verstauchung nicht auftreten und also nicht gehen, und daraus ergibt sich die Notwendigkeit, ein Hilfsmittel zu finden, um den Mann wenigstens bis ins nächste Dorf zu schaffen.
Es ist wirklich ein Wunder zu nennen, dass bei dem Unfall niemand das Leben eingebüßt hat. Der Weg schlängelt sich nämlich durch eine sehr bergige Gegend, streift da und dort an schroffe Abgründe oder wird von rauschenden Bergströmen begleitet und häufig durch kaum zu passierende Furten unterbrochen. Wäre der Bruch am Vorderteil des Wagens nur eine kurze Strecke weiter oben erfolgt, so wäre das Gefährt ohne Zweifel über das Felsengeröll des Abhangs hinuntergestürzt und vielleicht wäre bei dieser Katastrophe keiner mit dem Leben davongekommen.
Jedenfalls war die Kutsche jetzt aber nicht weiter zu benutzen. Dazu liegt eines der beiden Pferde, das sich mit dem Kopfe an einen spitzen Stein gestoßen hat, röchelnd am Boden. Das andere ist an der Hanke ziemlich schwer verletzt. Da fehlte es nun an einem Wagen ebenso wie an einem Gespann dafür.
Die vier Künstler waren auf dem Boden Nieder-Kaliforniens überhaupt von einem seltenen Pech verfolgt worden und hatten binnen vierundzwanzig Stunden nun zwei Unfälle erlitten. Wenn man da aber nicht gerade Philosoph ist …
Zu jener Zeit stand San Franzisko, die Hauptstadt des Staates, schon durch einen Schienenstrang in unmittelbarer Verbindung mit San Diego, das fast an der Grenze der alten Provinz Kalifornien liegt. Nach dieser bedeutenden Stadt begaben sich die vier Künstler, die dort am übernächsten Tage ein vielfach angezeigtes und mit Spannung erwartetes Konzert geben sollten. Am Tage vorher von San Franzisko abgefahren, befand sich der Zug kaum noch fünfzig (amerikanische) Meilen von San Diego, als sich zuerst ein »aus dem Tempo kommen« ereignete.
Jawohl, ein aus dem Tempo kommen, wie der Lustigste der kleinen Gesellschaft sagte, und diesen Ausdruck wird man einem alten Schüler des Noten-ABC schon freundlich nachsehen.
An der Station Paschal hatte es einen unfreiwilligen Aufenthalt nämlich deshalb gegeben, weil der Bahndamm durch ein plötzliches Hochwasser auf eine Strecke von drei bis vier Meilen zerstört worden war. Erst zwei Meilen weiter hin konnte man die Eisenbahn wieder besteigen, und eine Überführung der Reisenden war auch noch nicht eingerichtet, weil sich der Unfall erst vor wenigen Stunden ereignet hatte.
Nun gab es nur eine Wahl: entweder zu warten, bis die Bahn wieder fahrbar war, oder in der nächsten Ortschaft einen Wagen bis San Diego zu mieten.
Das Quartett hatte den zweiten Ausweg gewählt. In einem benachbarten Dorfe entdeckten sie glücklich eine Art alten Landauers mit rasselndem Eisenwerk, dessen Inneres von Motten zerfressen und alles andere als einladend war. Mit dem Besitzer um den Fahrpreis einig geworden, hatten sie den Kutscher noch durch das Versprechen eines reichlichen Trinkgeldes bestochen und waren nur mit den Instrumenten, ohne das übrige Reisegepäck, wohlgemut davongerollt. Das war gegen zwei Uhr nachmittags, und bis sieben Uhr ging die Fahrt auch ohne große Schwierigkeit und Anstrengung vonstatten. Dann sollten sie aber zum zweiten Male »aus dem Tempo kommen«, indem die alte Kutsche umstürzte, und zwar so unglücklich, dass sich eine Weiterbenützung derselben ganz von selbst verbot.
Jetzt befand sich das Quartett noch reichlich zwanzig Meilen von San Diego entfernt.
Ja, warum hatten sich denn die vier Musiker – von Nation Franzosen und, was noch mehr sagen will, von Geburt Pariser – in diese unwirtlichen Gebiete Nieder-Kaliforniens verirrt?
Warum?… Das werden wir sofort kurz mitteilen und werden dabei mit einigen Zügen die vier Virtuosen abmalen, die der Zufall, der fantastische Rollenverteiler, den Persönlichkeiten der nachfolgenden merkwürdigen Geschichte zugesellen sollte.
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