Das Geisterschiff. Hubert Haensel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hubert Haensel
Издательство: Bookwire
Серия: HOPF Autorenkollektion
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863053741
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wurde, dass die Stimme nicht nur in seiner Einbildung existierte, sondern sich auf unverständliche Weise in seinen Gedanken formte. Seine erste Regung war, sich umzusehen. Aber da war niemand außer seinen beiden Begleitern, die sich neben ihm niedergelassen hatten.

       Captain Finch!

      In ihm formten sich Begriffe, die aus weiter Ferne zu kommen schienen, drängend und ungeduldig. Telepathie!, durchzuckte es Finch. Ja, das musste es sein. Jemand suchte die mentale Verbindung zu ihm.

      »Wer bist du?«, fragte er und sprach die Frage laut aus. »Woher kennst du meinen Namen?« Ohne darüber nachzudenken, benutzte er das vertrauliche »Du«. Die verständnislosen Blicke seiner Begleiter beachtete er überhaupt nicht.

      Dave Quinger sprang auf.

      »Lass den Captain!«, zischte Küber, obwohl er ebenso wenig verstand, was geschah.

      Finch blickte ausdruckslos vor sich hin; er wirkte mittlerweile wie in Trance.

      Konnte der Unbekannte Gedanken lesen? Wenn ja, dann musste er bereits alles über die drei Männer und ihre Herkunft wissen. Samuel Finch war krampfhaft bemüht, seine Gedanken im Zaum zu halten, er schaffte es kaum.

      »Wer bist du?«, fragte er noch einmal, weil die erwartete Antwort ausblieb. Angespannt konzentrierte er sich nur auf diese Frage. Und tatsächlich: Erneut klangen jene Symbole auf, die ihn verstehen ließen, was sein unsichtbarer Partner dachte.

       Ich höre dich, Captain Samuel Finch, wenn auch nur sehr undeutlich. Du musst alles Störende von dir fernhalten. ‒ Ich weiß nicht, wie viel Zeit für diesen Kontakt bleibt.

      In Finchs Überlegungen schlug etwas Alarm. Befand sich der Unbekannte in Bedrängnis? Es klang so.

      Der Captain verharrte in der Hocke. Die Beine angezogen und beide Arme um die Knie geschlungen, lauschte in sich hinein. Ich bin Oam-Pham-Phu. Ich will dir und deinen Begleitern helfen, wie ich es versprochen habe, verstand er. Vor seinem inneren Auge formten sich zugleich Bilder, mit denen er nichts anzufangen wusste: endlos lange Reihen gläserner, sargähnlicher Kästen, übereinandergestapelt und nur durch schmale Gänge voneinander getrennt. In jedem dieser Kästen lag ein Mensch – zumindest ein Wesen, das einem Menschen verblüffend ähnlich sah.

      Tot?, durchzuckte es den Captain.

       Das wären wir ohne deine Hilfe wohl für immer geblieben. Trotzdem sollten wir uns jetzt nur auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn ihr diese Welt je wieder verlassen wollt, müsst ihr ins Reich von uns Photiden eindringen.

      Es folgte die kurze, sehr präzise Beschreibung einer subplanetaren Stadt und ihres einzigen unbewachten Zugangs. Captain Finchs spontane Vermutung, dass er es mit zwei einander gegenüberstehenden Parteien zu tun hatte, wurde bestätigt.

      Trotzdem: Wem konnte dieser Oam-Pham-Phu etwas versprochen haben? Kein Besatzungsmitglied der MADELEINE hatte den Planeten jemals zuvor betreten. Finch vermutete, dass er irgendetwas falsch verstanden hatte.

      Eine Frage brannte ihm besonders auf den Lippen: »Was ist mit unserem Raumschiff geschehen?«

      Euer Sternenschiff befindet sich in der Gewalt der Krieger, erklärte sein unsichtbar bleibender Gesprächspartner. Seit Jahrtausenden warten sie auf eine solche Gelegenheit. Nun werden sie Hass und Vernichtung über die Völker der Galaxis bringen und das Imperium unserer Schöpfer neu entstehen lassen. Angst und Schrecken werden regieren.

      Die Szenen, die Finch vor seinem inneren Auge zu sehen bekam, entsetzten ihn. Sie waren pures Grauen, doch er konnte sich nicht von ihnen lösen. Sterbende Sonnen, brennend auseinanderbrechende Planeten, vernichtende Raumschlachten …

      So war es, kommentierte Oam-Pham-Phu, und der Captain spürte deutlich die Verbitterung, die in den Gedanken mitschwang. Und so wird es wieder sein, sollte es den Kriegern gelingen, euer Sternenschiff umzurüsten. Dann werden erneut die alten Waffen sprechen!

      *

      Als er erwachte, war Dunkelheit um ihn. Von irgendwo drang verhaltenes Stöhnen heran. Er versuchte, sich zu erinnern, fand aber nur Leere in seinen Gedanken.

      Das Stöhnen wurde lauter.

      Jack Swensson wälzte sich zur Seite und richtete sich halb auf. Er vermisste die vertrauten Geräusche, das monotone Brummen der Konverter, das Flüstern der Umwälzanlage. Die Luft, die er atmete, war stickig; sie schmeckte nach Moder und Schimmel. Kein Zweifel, er befand sich nicht an Bord der MADELEINE.

      Der Boden, uneben und glitschig, schien nur aus roh behauenem Stein zu bestehen. Swensson ertastete etwas Ekliges, Nasses, das sich sofort um seine Finger wickelte. Angewidert riss er die Hand zurück.

      Das halb erstickte Gurgeln, mit dem das Stöhnen abbrach, ließ Swensson frösteln. In die entstandene Stille hinein platzten die kaum verständlichen Worte: »Ist hier noch jemand?«

      »Ich bin es, Jack«, antwortete der Erste Offizier.

      Ein Rascheln erklang. Jemand schob sich vorsichtig über den Boden.

      »Gott sei Dank!« Das war Wilson Kanes Stimme. Sie klang deutlicher als eben, erleichtert. »Ich fürchtete schon, allein ausharren zu müssen.« Eine Hand klammerte sich um Swenssons Knie. »Bist du das?«

      »Ja. – Du weißt, was geschehen ist?«, fragte der Erste.

      »Wir haben uns angestellt wie Idioten. Nicht einmal dein Laser konnte ihn beeindrucken.«

      »Ich habe geschossen …?« Swenssons Erinnerung kam allmählich zurück.

      Ein Licht flammte auf, winzig und flackernd. Der Widerschein der zitternden Flamme spiegelte sich auf Clem Parkers Gesicht und ließ seine mürrischen Züge härter erscheinen als gewohnt. Schützend hielt der Smutje seine Hand vor den brennenden Docht des Feuerzeugs. Kein Zweifel, er fürchtete, die Flamme durch einen unvorsichtig verursachten Luftzug auszulöschen.

      »Ich habe keine Ahnung, wohin man uns verschleppt hat«, sagte Parker, »trotzdem sollten wir versuchen, hier wegzukommen.«

      Der Raum, in dem sie sich befanden, war gerade so hoch, dass ein erwachsener Mensch darin stehen konnte. Die Wände waren feucht und glitschig, Kondenswasser sammelte sich in trüben, übel riechenden Pfützen. Von der Decke hingen bizarre Tropfsteine. Sie waren wuchtig genug, um erkennen zu lassen, dass die Höhle seit Jahrtausenden existierte.

      Nahezu alles wurde überwuchert von einer langstieligen Flechtenart, die in unmittelbarer Nähe der Feuerzeugflamme sichtlich in Bewegung geriet.

      Soweit Swensson es erkennen konnte, war die gesamte Besatzung der MADELEINE in der Höhle zusammengepfercht. Einige Männer und Frauen regten sich noch nicht einmal.

      Die Laserpistolen hatte man ihnen abgenommen. Ebenso alles andere, was sich als Waffe oder Werkzeug hätte verwenden lassen.

      »O’Harra fehlt«, stellte Swensson fest, doch Parker wischte den winzigen Hoffnungsschimmer sofort beiseite.

      »Der Fremde hat William ebenfalls paralysiert«, sagte der Smutje. »Ich weiß es, denn er stand unmittelbar neben mir.« Wütend fügte er hinzu: »Hätten wir eine vernünftige Schleusenüberwachung, wären wir mit Sicherheit nicht hier.«

      »Keinen von uns trifft ein Vorwurf«, schwächte Swensson ab. Er hielt inne, weil plötzlich blendende Helligkeit die Höhle erfüllte.

      Wie von Geisterhand geschaffen, war eine Öffnung im Fels entstanden. Ein Mann erschien. Er war hochgewachsen und muskulös. Sein Blick erschien wie eine einzige stumme Drohung. Unter dem rechten Arm, nachlässig, wie man ein Bündel Lumpen zu tragen pflegt, hielt er einen schlaffen menschlichen Körper.

      »William!«, stöhnte jemand.

      Etwas an dem Fremden faszinierte Swensson und stieß ihn zugleich ab. Waren es die blitzschnellen, geschmeidigen Bewegungen? Seine Erinnerung kam vollends zurück: Er stand in der Schleuse, riss den Laser vom Holster und schoss …

      »Nein!«, schrie