In zweiter Ehe. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718957
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sie nicht böse auf sie sein, nicht einmal über sie lächeln. Selbst wenn man sich auseinandergelebt hatte, so liebte und achtete sie ihre Eltern noch genauso wie in den Tagen ihrer Kindheit. Es tat ihr weh, sie um ihretwillen leiden zu sehen. Aber sie hatte keine Wahl, sie mußte es durchstehen – um ihrer Liebe willen.

      Entschlossen begann Birgit ihren Koffer auszupacken, stapelte Bücher und Manuskripte, die sie während ihres Hamburger Aufenthaltes lesen wollte, auf das Tischchen neben dem Bett, hängte ihre Kleider in den Schrank, legte die Wäsche in die Schubladen. Dann begann sie, sich anzuziehen. Sie wählte ein einfaches, stahlblaues Wollkleid, weil sie wußte, daß ihr Vater immer der Meinung gewesen war, daß Blau ihr besonders gut stand. Dann bürstete sie mit kräftigen Strichen ihr weizenblondes Haar, zog die Augenbrauen sorgfältig mit einem dunkelgrauen Stift nach, tuschte ihre Wimpern und bürstete sie nach oben, benutzte einen zarten pastellfarbenen Stift für ihren schöngeschwungenen Mund. Sie wußte, daß Schönheit die wirkungsvollste Waffe der Frau war, und sie hatte gelernt, ihre Waffen zu gebrauchen. Mit raschen Schritten stieg sie die knarrende Treppe hinunter, atmete tief durch und öffnete die Tür.

      »Na, endlich!« sagte Rechtsanwalt Kreuger, und seine Herzlichkeit klang gezwungen. »Wir haben schon gedacht, du wärst in der Badewanne ertrunken!«

      »Tut mir leid, Paps, wenn ich gebummelt habe!« sagte Birgit lächelnd und küßte ihren Vater zärtlich auf die Wange. »Es ist schön, wieder einmal zu Hause zu sein!«

      Rechtsanwalt Kreuger trat einen Schritt zurück und betrachtete seine Tochter mit Stolz. »Na, laß dich mal anschauen… Also, allzu schlecht scheint es dir in der Fremde nicht zu gehen. Du siehst großartig aus!«

      »Vater und ich«, sagte die Mutter, »hatten immer mal vor, dich in München zu besuchen… Aber du weißt, wie das so geht, es ist immer wieder etwas dazwischengekommen.«

      Birgit zog sich einen lederbezogenen Sessel zum Kamin, setzte sich. »Hast du so viel zu tun, Vater?« fragte sie, denn sie erinnerte sich, daß es ihrem Vater Freude gemacht hatte, wenn seine Familie sich für seine Arbeit interessierte.

      Aber diesmal antwortete er nur kurz: »Kann man wohl sagen.«

      »Vater vertritt einige große Industrieunternehmen«, erklärte Frau Kreuger mit leichtem Stolz, »er ist auch vor einem Jahr in einen Aufsichtsrat gewählt worden. Aber das habe ich dir doch geschrieben, nicht wahr?

      »Scheidungsfälle übernehme ich gar nicht mehr«, sagte Rechtsanwalt Kreuger, »ein schmutziges Geschäft. Es verdirbt auf die Dauer den Charakter.«

      »Womit wir wieder beim Thema wären«, sagte Birgit. «Bitte, Paps, werde nur nicht gleich wieder zornig… hör mich doch erst mal an! Wenn du mir nicht glaubst, kannst du dich ja über Marius Ellmann erkundigen. Er ist ein durch und durch anständiger Mann… kein Fleckchen auf der Weste. Ich begreife wirklich nicht, was ihr gegen ihn einzuwenden habt!«

      »Bitte, versuch doch Vater zu verstehen«, sagte Frau Kreuger rasch, »ihn stört es eben, daß Herr Ellmann geschieden ist.«

      »Na und? Ist das etwa ein Charakterfehler?«

      »Birgit! Also wirklich! In diesem Ton möchte ich mich nicht mit dir unterhalten!«

      »Mich ärgert einfach, daß ihr so tut, als ob Marius ein Verbrecher wäre!«

      »Birgit, jetzt übertreibst du aber wirklich«, sagte Frau Kreuger, »das hat doch niemand behauptet.«

      »Doch! Vater! Vielleicht hat er’s nicht direkt gesagt, aber jedenfalls denkt er das. Oder willst du das etwa leugnen, Paps?«

      »Jetzt hör mich mal in aller Ruhe an, Birgit«, sagte Rechtsanwalt Kreuger, »mir scheint, wir reden die ganze Zeit aneinander vorbei. Das Problem… Herrgott, wie soll ich dir das erklären? Das Problem liegt nicht in der Persönlichkeit deines Freundes. Es liegt in seiner Situation. Selbst wenn wir unterstellen, daß er ein Mensch ohne Fehler und Schwächen ist, so bleibt doch die Tatsache: er ist geschieden und hat zwei halb erwachsene Kinder, für die er sorgen muß. Du mußt schon erlauben, daß uns das zu denken gibt.«

      »Ihr meint also, weil er einmal geschieden ist, muß seine zweite Ehe auch schiefgehen? Aber, Vater, Mutter! Das ist doch nicht euer Ernst! So altmodisch könnt ihr einfach nicht sein. Jeder weiß, es kommt manchmal vor, daß zwei Menschen heiraten, obwohl sie eigentlich gar nicht zueinander passen. Gerade du als Scheidungsanwalt, Paps…«

      Er unterbrach sie. »Findest du nicht auch, daß es etwas sonderbar ist, wenn man zwanzig Jahre braucht, um das festzustellen?«

      »Aber, Paps, so ist das gar nicht gewesen! Ihr seht die Dinge ganz falsch. Natürlich haben sie es sehr viel eher gemerkt, schon vor Jahren. Aber damals waren die Kinder noch so klein, und da haben sie es eben immer wieder versucht. – Sie haben sich alle Mühe gegeben – bis sie dann eines Tages festgestellt haben, daß es doch nicht geht.«

      »Du willst wohl sagen, bis dein Freund dich kennengelernt hat?«

      Birgit errötete jäh. »Ich habe damit gar nichts zu tun, das müßt ihr mir schon glauben. Ich würde dazu stehen, wenn es so wäre – aber als ich Marius kennengelernt habe, stand er kurz vor seiner Scheidung.«

      »Natürlich, Kind«, sagte Frau Kreuger und warf ihrem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wir wissen doch genau, daß du so etwas nie tun würdest. Eine Ehe auseinanderbringen, das wäre doch geradezu verwerflich. Er ist also schuldlos geschieden, ja?«

      »Was für eine Frage! Du müßtest doch wissen, daß das Schuldprinzip bei der Scheidung längst keine Rolle mehr spielt!«

      »Aber wer wollte die Scheidung?«

      »Seine Frau«, mußte Birgit zugeben.

      Eine quälende Pause entstand.

      »Meine liebe Birgit«, sagte Rechtsanwalt Kreuger dann, wählte sorgfältig einen schwarzen Zigarillo aus einer Teakholzdose und zündete ihn mit einem Streichholz an, »meine liebe Birgit, ich habe schon einmal gesagt, wir wollen unterstellen, daß dein Marius Ellmann tatsächlich ein Ehrenmann ist. Darum handelt es sich ja gar nicht. Mein Gott, warum kannst du das denn nicht begreifen? Du machst es mir verdammt schwer, mein Kind. Also, nun paß mal auf… ich glaube zwar nicht, daß ein Mann, der seine erste Frau betrogen hat, das bei seiner zweiten Frau wiederholen wird. Schließlich ist der Altersunterschied zwischen euch auch ziemlich groß, nicht wahr? Er würde kaum in Versuchung kommen, sich noch einmal nach einer Jüngeren umzusehen. Bitte, mach jetzt nicht so ein Gesicht, Birgit, wir wollen die Dinge beim Namen nennen. Anders hat es ja keinen Sinn. Tatsache aber ist und bleibt, daß er kein freier Mann ist. Daran ändert auch die Scheidung nichts. Er trägt die Verantwortung für seine erste Frau und die beiden Kinder, und er wird sie bis an sein Lebensende tragen. Begreifst du denn wirklich nicht, was das für dich bedeutet?«

      »Ich liebe ihn«, sagte Birgit, »alles andere ist ganz unwichtig.«

      Rechtsanwalt Kreuger seufzte. »Ich glaube dir ja, daß du die Dinge so siehst. Aber ich weiß – und du mußt mir schon glauben, daß ich mehr Erfahrung habe als du – ich weiß aus den langen Jahren meiner Praxis als Scheidungsanwalt, wie sich so was nachher tatsächlich entwickelt. Es wird Probleme über Probleme geben, Schwierigkeiten, die du dir jetzt gar nicht vorstellen kannst. Ich kenne dich, Birgit. Ich glaube, ich kenne dich besser, als andere Väter ihre Töchter kennen. Du bist ein klarer, sauberer und unkomplizierter Mensch, du bist diesen Dingen nicht gewachsen. Von der finanziellen Belastung durch diese erste Ehe will ich gar nicht sprechen. – Hast du dir mal vorgestellt, was es für dich bedeutet, zwei Stiefkinder zu bekommen, die nur wenige Jahre jünger sind als du? Ja, jetzt glaubst du, du wirst kaum etwas mit ihnen zu tun haben. Aber das stimmt nicht. Sie sind dann die Kinder deines Mannes, und sie haben einen Anspruch auf ihren Vater. Bildest du dir ein, daß du so schweren Problemen überhaupt gewachsen bist?«

      »Ach, Papa«, sagte Birgit, »du tust so, als wenn seine Kinder zwei kleine Teufel wären. – Ich kenne sie noch nicht, aber Marius erzählt oft von ihnen. Es sind zwei nette, harmlose junge Menschen. Marina ist siebzehn – Marius ist überzeugt, daß wir die besten Freundinnen werden. Und Florian ist erst sechzehn, eben ein