»Merlin«, fing Pendragon an, »damals als Du jenem, der Dich prüfen wollte, seine Todesart so bestimmt vorhersagtest, da sprachst Du zu mir, Du wissest meinen Tod eben so gut als den seinigen; darum bitte ich Dich, entdecke ihn mir.« Merlin sprach: »Laßt die heiligen Reliquien herbringen, und schwört beide darauf, daß Ihr tun werdet, was ich Euch gebiete zu Eurem Vorteil und Eurer Ehre. Nachher kann ich sichrer Euch das entdecken, was ich will.« Die Reliquien wurden gebracht, und der König und sein Bruder schwuren einander, nach Merlins Vorschrift, Treue und gegenseitige Hilfe in der Schlacht, bis in den Tod. »Jetzt«, sagte Merlin, »habt Ihr einen Eid abgelegt, Euch tapfer zu unterstützen und einer dem andern in der Schlacht treu zu helfen bis in den Tod; seid Ihr also einer dem andern getreu, so seid Ihr es auch gegen Gott. Beichtet, und empfangt den Leib unseres Heilands, ruft den Herrn um Hilfe an und betet zu ihm um Stärke in der Schlacht gegen Eure Feinde. Denn Ihr sollt die Christenheit beschützen gegen die Heiden, darum wird Gott Eure Arbeit segnen. Wer in dem Streit für den Glauben fällt, der ist selig; fürchtet also den Tod nicht in dieser Schlacht, die größer und blutiger sein wird, als je eine gewesen. Einer von Euch wird darin den Tod finden, tut also beide Eure Pflicht, wie Ihr geschworen. Wer von Euch beiden übrig bleibt, wird eine Schlacht ausführen, und einen Begräbnisplatz errichten durch meine Hilfe, reicher und schöner als je einer war. In der ganzen Christenheit wird man von den Dingen reden, die ich dort ausrichten werde. Jetzt tut Eure Ehrenkleider an, geht zur Beichte und empfangt das Abendmahl des Herrn, dann seid gutes Muts, und fröhlich vor Euern Völkern, damit sie sich tapfer halten zur Ehre Gottes.«
So endigte Merlin seine Rede, und die Brüder taten alles, wie er ihnen befahl. Als alle ihre Kriegsmänner versammelt waren, verteilte der König viel Gold und Geschenke unter sie, wie auch viele Pferde, und hielt ihnen eine Rede, wie er von ihnen erwarte, daß sie mit aller Macht und aus allen Kräften das Land verteidigten. Sie versprachen alle ihm ihre Hilfe, versammelten sich in großer Menge und waren, sowie der König ihnen Befehl gab, in der letzten Woche des Monats Juni am Ufer der Themse. Am Pfingstfest hielt der König offnen Hof, an dem Ufer der Themse, und gab jedem seiner Kriegsmänner große Geschenke, damit sie ihre Pflicht in Verteidigung des Landes desto williger täten. Sie teilten sich darauf in zwei Lager, das eine, welches Uter anführte, lagerte sich auf der Fläche von Salisbury, und das andre, Pendragon an seiner Spitze, zog sich zwei Meilen ungefähr davon.
Die Heiden kamen auf den bestimmten Tag an; da ließ Uter in seinem ganzen Lager ausrufen, daß ein jeder zur Beichte gehe, und einer dem andern etwaige Beleidigungen verzeihen möge. So geschah es dann auch. Die Heiden stiegen ans Land, und ruhten acht Tage lang aus; währenddem sandte Uter zu Pendragon und ließ ihn wissen, daß sie angekommen, und daß ihre Zahl nicht zu zählen sei. Pendragon fragte den Merlin, was er nun tun müsse. »Laß dem Uter wissen«, antwortete dieser, »daß er sich verborgen halte, und sie vorüber, tiefer ins Land ziehen lasse; dann muß er ihnen mit seiner ganzen Macht folgen, bis sie zwischen Dir und ihm eingeschlossen und umringt sind.«
Uter tat pünktlich, was Pendragon ihm befohlen, ließ die Heiden vorüber ziehen und folgte ihnen hart auf dem Fuße mit solcher Macht und mit so schnellen Pferden, daß die Heiden, die keinen Hinterhalt vermuteten, erschrocken anhielten; jetzt rückte Pendragon ihnen von seiner Seite näher, so daß sie sich auf einmal umringt sahen. »Zwei Tage bleibt so stehen«, sagte Merlin zu Pendragon; »am dritten Tage, der schön und hell aufgehen wird, wirst Du einen Drachen in der Luft fliegen sehen; bei diesem Wahrzeichen, das auf Deinen Namen sich bezieht, darfst Du sicher kämpfen, und die Deinigen auch, und der Sieg wird Euer sein.« Von diesem Zeichen des Drachen wußte niemand im Lager etwas, außer Merlin und der König; dieser ließ seinem Bruder Uter davon Nachricht geben, der sich darüber sehr freute. Nun sagte Merlin zum König: »Ich muß Euch jetzt verlassen, ich bitte Euch, denkt an alles, was ich Euch gesagt habe, seid wacker und mutig, wie es einem edlen Ritter ziemt«; nahm dann Abschied von ihm und begab sich zu Uter ins Lager. Merlin sagte ihm dasselbe, was er dem Pendragon gesagt: »Halte Dich tapfer und ritterlich, in dieser Schlacht fällst Du nicht.« Uter war im Herzen froh, als er dies hörte; dann nahm Merlin Abschied von ihm und ging nach Northumberland zum Meister Blasius, um alles dieses aufschreiben zu lassen.
Am dritten Tag, der hell und klar aufging, ordnete Pendragon sein Heer in Schlachtordnung. Die Heiden, die mit Schrecken sich von beiden Heeren eingeschlossen und ihre mißliche Lage einsahen, stellten sich auch in Ordnung, weil sie nicht anders konnten als sich so lange als möglich zu verteidigen. Nun erschien der Drache in der Luft, den Merlin dem König prophezeit hatte. Er war wunderbar anzuschauen, und Feuer strömte aus seiner Nase und aus dem Mund, so daß alle sich entsetzten, die ihn sahen. Der König ließ sogleich die Trompeten ertönen und rief, daß man den Feind anfalle und alles ohne Gnade niedermache. Uter ließ dasselbe in seinem Lager geschehen, und so fielen sie beide mit ihren Heeren zu gleicher Zeit in den Feind. Uter und die Seinigen fochten so tapfer, daß endlich die Heiden unterlagen. König Pendragon aber wurde erschlagen, nebst vielen andern Herren des Reichs mehr. Keiner konnte sagen, welcher von beiden sich tapferer gehalten, ob Uter oder Pendragon; wir finden aber, daß Uter und sein Heer alle Heiden erschlugen, daß er das Feld behielt, und diesen Tag den vollkommensten Sieg davontrug.
XIX. Wie aus Uter König Uterpendragon wurde und Merlin in Irland Steine auftürmte, die er allein zum Grabmal zusammenfügte
Nach beendigter Schlacht und König Pendragons Tod fiel das Reich seinem Bruder Uter mit Recht zu. Er ließ nun alle auf dem Schlachtfeld gebliebenen Christen auf einen Ort zusammentragen und legte dort einen Begräbnisplatz an; auf jedem wurde ein Grabmal errichtet mit dem Namen dessen, der darunter lag. Seinen Bruder Pendragon ließ er inmitten legen und ihm ein höheres Grabmal errichten als den übrigen, seinen Namen aber ließ er nicht daran schreiben; »denn«, sagte er, »der müßte sehr töricht sein, der nicht gleich an der Größe des Grabmals sähe, daß hier der Herr aller übrigen begraben ist.« Nachdem ein jeder seinen Verwandten oder Freund begraben hatte, begab Uter sich nach London, wo die Bischöfe und Prälaten ihn salbten und ihm die Krone aufsetzten; darauf nahm er die Lehnseide und Huldigung aller seiner Untertanen an.
Sechzehn Tage nachher kam Merlin an Uters Hof, und dieser empfing ihn mit Freuden und großer Ehre. Einige Zeit darauf sagte Merlin dem König, daß der Drache am Tag der Schlacht Pendragons Tod und Uters Erhaltung bedeutet habe, bat darum den König, daß er sich künftig zum Andenken an dieses Ereignis und um seines Bruders willen Uterpendragon nennen möchte. Der König willigte ein, und wurde fortan Uterpendragon genannt. Merlin ließ ihm ein Panier mit einem Drachen machen, der Feuer ausströmte, und verlangte vom König, daß er es in allen künftigen Schlachten vor sich her tragen ließe.
Nachdem Uter lange in Frieden regiert und in einer seiner Städte mit Merlin zusammen lebte, fragte dieser ihn einmal, ob er denn nichts mehr am Begräbnisplatz, wo sein Bruder ruhe, wolle machen lassen? »Was willst Du, daß ich machen lasse? sage es, und es soll geschehen.« – »Sende zehn oder zwölf von Deinen Schiffen nach Irland und laß von den Steinen dort welche nach Salisbury schiffen, so will ich erfüllen, was ich Deinem Bruder versprach, und das Grabmal so erbauen; ich will auch mit Deinen Leuten hinfahren und ihnen die Steine zeigen, die sie nehmen sollen.« Die Schiffe wurden gerüstet und Merlin mit den Leuten hingesandt, ihnen die Steine zu zeigen, die sie einschiffen sollten. Als die Leute die großen Steine sahen, die sie fortbringen sollten, sahen sie verwundert einander an. »Die ganze Welt«, sagten sie, »bringt nicht einen solchen Stein vom Ort; Merlin muß toll sein, daß er verlangt, wir sollen diese Steine mit aufs Schiff nehmen«; kehrten darauf mit ihren Schiffen zurück und ließen Merlin in Irland.
Als die Schiffe wieder zum König Uterpendragon kamen, und sie ihm erzählten, warum sie weder die Steine noch den Merlin wieder zurückgebracht hätten, sandte der König noch ein Schiff nach Irland und ließ ihn abholen. »Deine Leute«, sagte Merlin, als er vor den König kam, »haben nicht getan, was Du ihnen befahlst; aber ich will mein Wort halten und die Steine nach Salisbury schaffen.« Darauf brachte er es mit