Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Weil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027226276
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Plätze. Das Volk aber war voller Freuden, seine rechtmäßigen Herren zu sehen, und aus allen Orten kamen sie ihnen entgegen, und empfingen sie mit großer Freude und vieler Ehre. Nunmehr ließ Aurelius den Pendragon, den ältesten Sohn des Königs Constans, zum König krönen, und ihm von allen Edlen des Landes huldigen und Treue schwören, und so hatte Aurelius den König Pendragon und seinen Bruder Uter wohl zum Ziele geleitet.

      Hangius aber hielt mit seinen Heiden noch immer viele feste Plätze und tat dem Lande vielen Schaden. Da versammelte König Pendragon den geheimen Rat und die Edlen des Landes, und befragte sie, wie man sich von diesen Heiden wohl befreien möchte. Einige der Räte erinnerten sich des Merlin und wie dieser dem Vortigern mit solcher Weisheit geraten, und alles vorher gesagt hatte; sie erzählten also dem König Pendragon die Wunder, die sie Merlin hatten verrichten sehen und sagten ihm, wenn er diesen fragen könnte, würde er gewiß die beste und weiseste Antwort auf seine Frage erhalten; denn Merlin, sagten sie, sei sicher der weiseste Mensch in der Welt. »Und wo soll ich ihn aufsuchen lassen?« fragte Pendragon. »Er muß noch im Lande sein«, sagten sie, »denn es ist noch nicht lange, daß er von Vortigern wegging.« Der König schickte sogleich Boten aus im ganzen Land, mit dem Befehl, nicht eher zurückzukommen, bis sie Merlin gefunden. Man wisse, daß Merlin, sobald der König diesen Befehl gegeben, es sogleich wußte, und zum Meister Blasius sagte: er müsse sich sogleich nach einer nicht weit abliegenden Stadt begeben. Er sagte ihm nicht die Ursache davon, wußte aber sehr wohl, daß er dort die Boten des Königs Pendragon treffen würde, die ihn zu suchen ausgingen. Unterwegs nahm er die Gestalt eines alten Hirten an; an seinem Hals eine große Keule, ohne Schuhe an seinen Füßen, ein altes ganz zerrissenes Kleid um sich herhängend, auch trug er einen langen ganz struppichten Bart. So kam er in die Stadt und in das Wirtshaus, wo die Boten saßen, er fand sie gerade beim Mittagessen. Die Boten, als sie ihn hereinkommen sahen, sagten: »Seht, das ist ein wilder Mann.« Merlin aber sah sie an und sagte: »Ihr Herren Abgesandten seid eben nicht sehr bekümmert, Eure Botschaft auszurichten; Ihr bringt Eure Zeit sehr gut mit Essen und Trinken zu, sucht aber den Merlin nicht. Wäre es mir aufgetragen ihn zu suchen, so wie Euch, ich würde ihn besser zu finden wissen.«

      Da erhoben sich die Boten von ihren Sitzen, redeten ihn an, und fragten ihn, ob er wisse, wo Merlin sei, und ob er ihn gesehen habe. »Ja, wahrlich ich kenne ihn und weiß auch, wo er sich verbirgt. Er selber sagte mir, daß Ihr ihn zu holen gekommen seid, daß er aber nicht mit Euch gehen würde, wenn Ihr ihn auch wirklich fändet, daß Ihr aber dem König sagen solltet, er würde die Schlösser nie erobern, so lange Hangius noch lebe. Wisset auch, daß von denen, die dem Könige rieten, Merlin holen zu lassen, nur noch einer im Lager des Königs ist. Es sind überhaupt nur noch drei vom großen Rat des Königs am Leben, diesen und dem König selbst dürft Ihr sagen: daß, wenn sie selber herkommen wollen, den Merlin zu suchen, sie ihn im Feld das Vieh hütend finden werden. Kommt der König nicht selber, so wird er gar nicht gefunden.«

      Die Boten sahen erstaunt einander an und wußten vor Erstaunen nicht, was sie sagen sollten; als sie sich wieder umsahen und den Mann mit ihren Augen suchten, um weiter mit ihm zu reden, war er nicht mehr da, und sie wußten nicht, wo er hingekommen. »Laßt uns gehen«, sagten sie »und dem König diese merkwürdige Geschichte erzählen.«

      XV. Wie Merlin dem neuen König in verschiedener Gestalt begegnete, zu seinem Ratgeber wurde und allerhand Schabernack trieb

       Inhaltsverzeichnis

      Die Boten kamen zum König zurück, erzählten ihm alles, was ihnen begegnet war; fanden auch zu ihrer großen Verwunderung alle diejenigen aus dem großen Rat tot, von denen der alte Hirt dies vorhergesagt hatte. Nun riefen alle, die zugegen waren, es könne kein andrer sein, als Merlin selber, der zu ihnen in der Gestalt eines alten Hirten gekommen sei.

      König Pendragon ließ sein Reich unter der Obhut seines Bruders Uter, nahm sein Gefolge mit sich und ritt nach Northumberland, wo er, wie die Boten aussagten, den Merlin finden sollte. Er fragte im ganzen Northumberland nach Merlin, keiner aber wußte etwas von ihm zu sagen, denn er hatte sich nirgend zu erkennen gegeben. Endlich vertiefte der König sich in die Wälder und sandte einige von seinen Edelleuten voran in den Wald. Einer von ihnen stieß auf eine große Herde Vieh und einen sehr ungestalteten häßlichen Mann, der sie hütete. Der Edelmann fragte ihn, wem das Vieh angehöre. »Ich gehöre«, antwortete jener, »einem angesehenen sehr weisen Mann aus Northumberland zu; er sagte mir, König Pendragon würde kommen und ihn hier suchen, könnt Ihr mir sagen, ob dem so ist?« – »Ja wahrlich«, sagte der Edelmann, »dem ist so; kannst Du mir den Ort sagen, wo ich den weisen Mann finde?« – »Dir werde ich es nie sagen, dem König aber, wenn er hier wäre, will ich es wohl entdecken.« – »Nun, so geh mit mir zum König.« – »Ei, da könnte ich ja meine Herde schlecht hüten, auch habe ich nicht nötig, den König zu sehen; wenn er zu mir kommt, will ich ihm sagen, wo er findet, was er sucht.« – »Nun, so bitte ich Dich, erwarte mich hier, ich will Dir den König herführen.«

      Der König ritt sogleich, als der Edelmann ihm dies erzählte, mit ihm zu dem Hirten in den Wald. Es war wieder Merlin selber, der in Gestalt eines Viehhirten erschien. Er sagte dem König: »Du willst den Merlin holen, aber wüßtest Du auch, wo er ist, er ginge doch nicht eher mit Dir, bis es ihm gefiele; willst Du meinem Rat folgen, so begib Dich in die nächste Stadt; sobald Du dort sein wirst, wird auch Merlin bei Dir sein.« – »Wie soll ich wissen«, fragte der König, »ob das, was Du sagst, die Wahrheit ist?« – »Wenn Ihr mir nicht glauben wollt«, antwortete der Hirt, »so tut nicht, was ich Euch sage; es wäre ja eine Torheit, einem Rat zu folgen, dem man nicht traut.« – »Ich will Dir nicht mißtrauen«, sagte der König, »und will Deinem Rat folgen«, ritt darauf wieder zurück und begab sich in die nächste Stadt; hier kehrte er in ein Wirtshaus ein. Kaum war er abgestiegen, als ein sehr wohl aussehender, gut gekleideter Mann auf einem schönen Pferd ankam, der nach dem König fragte. Es war Merlin selber. Als er vor den König kam, sagte er: »Herr König, Merlin sendet mich und läßt Dir sagen, er sei es gewesen, den Du im Wald als einen Hirten angetroffen hast. Er hatte Dir versprochen, zu Dir herzukommen, er läßt Dir aber sagen, Du bedürfest seiner nicht mehr.« – »Gewiß, mein Freund«, antwortete der König, »ich werde immer seiner bedürfen.« – »Er läßt durch mich Euch gute Botschaft wissen: nämlich Hangius ist tot, Euer Bruder Uter hat ihn erschlagen.« – »Du sagst erstaunliche Dinge!« rief der König höchst verwundert aus, »ist es denn gewiß so wie Du sagst?« – »Wenn Du zweifelst, so schicke hin und erkundige Dich nach der Wahrheit.«

      König Pendragon ließ alsbald zwei von seinen Leuten aufsitzen und schickte sie zu seinem Bruder Uter; sie waren aber noch nicht weit geritten, als sie zwei Boten von Uter begegneten, die den König Pendragon aufsuchten, um ihm zu sagen, daß Uter den Hangius erschlagen habe. Alle vier kehrten sie nun in die Stadt zurück, wo König Pendragon immer noch Merlin erwartete. Er war erstaunt, den Tod des Hangius so eingetroffen zu sehen, wie es ihm durch den verwandelten Merlin, den er aber nicht erkannt, war vorhergesagt worden. Er verbot es jenen bei Lebensstrafe, irgendeinem zu sagen, auf welche Weise Hangius erschlagen worden war; er wollte sehen, ob Merlin auch dieses wissen würde, wenn er käme.

      Endlich zeigte Merlin sich dem König in seiner wahren Gestalt, so daß alle ihn erkannten, die ihn vormal gesehen. Er nahm den König beiseite und sagte ihm: »Von nun an bin ich ganz der Eurige und will Euch in allem, was Ihr bedürft, beistehen. Ich bin Merlin, nach dem Ihr so lange sucht; ich war der Hirt, der im Walde mit Euch sprach; ich war auch derselbe, der als Abgesandter hier bei Euch war; ich habe auch Eurem Bruder geraten, mit dem Hangius zu fechten. Unter den verschiedenen Gestalten, die ich angenommen, konnten Eure Räte, die mich ehedem gekannt, mich nicht wiedererkennen; denn diese Leute kennen nichts an mir als meine Außenseite, mein inneres Wesen aber werden sie nie erkennen. So wie ich jetzt hier vor Dir stehe, bin ich ihnen bekannt; ich kann aber, wenn ich will, mich immer vor ihnen verbergen. Euch aber, Herr König, bin ich ganz ergeben.«

      Der König freute sich so, den Merlin zu haben, als hätte man ihm die ganze Welt geschenkt. Er ließ seine Räte kommen, diese erkannten den Merlin sogleich und waren ganz erstaunt, als sie hörten, daß er unter so mancherlei Gestalt schon mit dem König geredet habe. »Jetzt, Merlin«,