Gisela und der Frauenarzt. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718858
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überlegen.«

      »Und wenn er sich nicht entschließen kann, was dann?«

      »Gerade deshalb habe ich mir etwas überlegt. Wärst du damit einverstanden, daß ich mit Fred spreche?«

      »Wozu?«

      »Ihm hast du es doch damals gleich erzählt. Er ist also der einzige Zeuge, beinah ein Zeuge.«

      Ulrike zerrte an ihren Fingern. »Ich will nicht, daß er auch noch da hineingezogen wird.«

      »Ich würde ihm natürlich nicht erzählen, worum es geht.«

      »Trotzdem. Es muß noch einen anderen Ausweg geben. Du kennst dich doch aus, Gisela. Sag mir einen Arzt!«

      »Hier in der Stadt? Nicht, daß ich wüßte. Du müßtest es eben versuchen.«

      »Ich soll von Arzt zu Arzt rennen?«

      »Du könntest nach Holland fahren. Oder London. Vielleicht hat man sogar in einem anderen Bundesland weniger Skrupel als hier bei uns in Bayern.«

      »Ich kann nicht fort. Wie sollte ich das denn meinem Vater klarmachen? Und ich hab’ ja auch nicht das Geld.«

      »Ja, dann solltest du mich eben doch mit Fred sprechen lassen.«

      »Meinst du?« fragte Ulrike, immer noch unsicher.

      »Unbedingt, das ist die Sache wert.«

      »Aber er darf auf keinen Fall denken, daß ich mich an ihn ranwerfen will!«

      »Das sollte deine geringste Sorge sein«, sagte Gisela und verabschiedete sich rasch.

      Aber sie nahm sich doch noch die Zeit, sich die Lippen nachzuziehen und sich durch das braune Haar zu kämmen, das sie, anders als am Tag, jetzt weich in die Stirn fallend trug. Sie wollte unter der Jugend der kleinen Stadt nicht aus dem Rahmen fallen.

      Gisela wußte, wo Fred Liebermann wohnte, aber sie wollte ihr Glück zuerst mal an seinem Stammplatz im ›Café Schenk ‹ am Marktplatz versuchen. Tatsächlich fand sie ihn inmitten seiner Clique im verrauchten Billardzimmer.

      Man begrüßte sie mit großem Hallo, denn es waten mehr Jungen als Mädchen anwesend, einer packte sie sogar beim Handgelenk und versuchte, sie auf seinen Schoß zu ziehen, aber sie setzte sich humorvoll, aber entschieden zur Wehr.

      »Ich wollte bloß fragen, ob einer von euch mich zum Bahnhof fährt«, sagte sie, »nein, du nicht, Bobby, du bist mir zu verwegen. Wie wär’s mit dir, Fred? Ich hab’s wirklich rasend eilig.«

      »Na schön!« Fred erhob sich, ein langer, magerer junger Mann mit einem mürrischen Gesicht. »Aber ich meine, du könntest dir auch ein Taxi leisten.«

      Sie ging auf diese berechtigte Vorhaltung nicht ein, denn es kam ihr ja nur darauf an, ihn von den anderen weg und ins Freie zu lotsen.

      Als er hinter ihr auf den dunklen Parkplatz trat, kam sie sofort zur Sache. »Du kennst doch Ulrike Simons?«

      »Na und?«

      »Nur so. Seit wann hast du mit ihr Schluß gemacht?«

      »Geht dich das was an?«

      »Du hast also mit ihr Schluß gemacht.«

      »Ist das etwa verboten?«

      »Natürlich nicht. Es würde mich nur interessieren, warum.«

      »Geht dich einen Dreck an.«

      »Ich habe einen Grund, dich zu fragen, Fred, einen sehr wichtigen Grund.«

      »Frag sie doch selber.«

      »Das habe ich getan, und es kommt mir eben darauf an, ob du ihre Geschichte bestätigen kannst. Komischerweise ist ja hier in der Stadt nicht darüber geredet worden. Komisch, wenn es wahr ist, meine ich.«

      »Woher soll ich das wissen? Ich hab’ ja nicht dabeigestanden.«

      »Aber sie hat es dir gesagt? Gleich damals, als es passiert ist?«

      »Kann schon sein.«

      Gisela, die die Art der einheimischen Jungen kannte, nahm es als Bestätigung. »Und das hast du zum Anlaß genommen, sie stehenzulassen? Warum?«

      »Warum? Warum?« äffte er. »Mich hat sie zappeln lassen, und von so ’nem Kerl läßt sie sich gleich aufs Kreuz legen!«

      »Aber er hat sie gezwungen!«

      »Das ist mir eins.«

      »Fred!« Gisela packte den großen Jungen bei den Schultern und schüttelte ihn. »Ist dir eigentlich nie die Idee gekommen, daß du selber schuld warst? Ja, ja du! Hättest du sie, wie es sich gehört, nach Hause gebracht, hättest du dich wenigstens drum gekümmert, wie sie zurück kam …« Sie ließ ihn los. »Ach, warum erzähl ich dir das überhaupt! Wenn du zu blöd bist, selber darauf zu kommen, dann ist an dir ja sowieso Hopfen und Malz verloren.« Sie wandte sich ab und ging davon.

      »He!« rief er ihr nach. »Ich dachte, du wolltest zum Bahnhof!«

      »Jetzt nicht mehr«, behauptete sie und machte, daß sie davonkam.

      Bei der morgendlichen Visite in der Klinik Professor Hartmann hatte Gisela keine Gelegenheit, mit Dr. Burg zu reden, und danach mußte sie sich wie immer beeilen, um vor ihm in der Praxis zu sein.

      »Sie können die erste Patientin hereinholen«, sagte er, noch während er sich seinen frischen weißen Kittel zuknöpfte.

      Aber ausnahmsweise folgte Gisela diesmal nicht. »Ich habe mit Fred gesprochen«, berichtete sie und blieb stehen.

      »Mit wem?«

      »Fred Liebermann. Ulrikes Freund. Der, der sie vor ein paar Wochen hat stehenlassen. Wegen der Vergewaltigung.«

      »Na und?«

      »Er hat es bestätigt. Sie hat es ihm seinerzeit tatsächlich brühwarm berichtet. Es ist also wahr.«

      »Daran habe ich gar nicht gezweifelt. Mir schien das Mädchen durchaus glaubwürdig.«

      »Aber dann …«

      Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch. »Ich werde die Kürettage vornehmen, Gisela. Und Sie werden mir dabei assistieren!«

      Gisela erschrak, faßte sich aber sogleich wieder. Sie begriff, warum Dr. Burg die Abtreibung nicht in der Klinik vornehmen wollte, denn sie kannte die mehr als konservativen Grundsätze Professor Hartmanns. Hier in der Praxis aber war er auf ihre Hilfe angewiesen, und sie konnte ihn nicht im Stich lassen.

      »Ja, Herr Doktor«, sagte sie gefaßt.

      Es war ihr, als läse sie Anerkennung in dem eindringlichen Blick seiner blauen Augen. »Danke. Würden Sie jetzt bitte …«

      Gisela wich nicht von der Stelle. »Ich habe noch eine Frage, Herr Doktor.«

      »Ja?«

      »Warum wollen Sie es jetzt doch tun, nachdem Sie gestern noch so dagegen waren?«

      »Weil es falsch wäre, von einem Mädchen, dem Gewalt angetan worden ist, zu verlangen, daß sie die ungewollte Frucht eines ungeliebten Mannes austrägt. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein, darüber sind sich alle Experten einig.« Er machte eine kleine Pause, aber Gisela spürte, daß er noch weiterreden wollte.

      Ihr Blick hing an seinen Lippen.

      »Und dann, Ulrike scheint mir gerade der Typ Mädchen zu sein, der imstande ist, etwas sehr Unvernünftiges zu tun.«

      »Selbstmord?« fragte sie.

      »Vielleicht. Wahrscheinlicher aber würde sie versuchen, die Frucht selber abzutreiben, und Sie wissen, wie gefährlich das ist. Schon allzu viele Frauen sind bei solchen Versuchen verblutet oder haben sich so verletzt, daß sie nie wieder Kinder bekommen können. Nein, das können wir nicht riskieren. Ich bin meinem Gewissen verantwortlich.«

      Gisela begriff,