Gisela und der Frauenarzt. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718858
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getan hat, Herr Doktor«, sagte Gisela.

      »Das schon«, gab er zu, »aber ich kann es trotzdem nicht machen.«

      Jetzt setzte Gisela alles auf eine Karte. »Ich glaube, Sie haben Angst, Professor Hartmann könnte es übelnehmen«, behauptete sie herausfordernd.

      Dr. Burg blieb gelassen. »Übelnehmen? Das ist schwach ausgedrückt. Sie wissen genau, daß Professor Hartmann die Fristenlösung ablehnt und jede Schwangerschaftsunterbrechung an seiner Klinik streng untersagt hat. Und da erwarten Sie, ich soll den Helden spielen?«

      »Also doch.«

      »Es ist nicht der Hauptgrund, Gisela«, sagte er ruhig, »aber ein Grund ist es schon. Ich brauche die Betten an Professor Hartmanns Klinik. Wenn er sie mir aufkündigt, kann ich meine Praxis schließen.«

      »Er braucht es ja nicht zu erfahren!« meinte Gisela.

      »Ich werde niemand ein Wort davon verraten«, versprach Ulrike hoffnungsvoll.

      Dr. Burg hob abwehrend die Hände. »Genug davon. Ich werde es mir überlegen. Mehr kann ich beim besten Willen nicht versprechen. Kommen Sie morgen wieder. Gisela gibt Ihnen einen Termin.«

      Damit war das Gespräch beendet. Ulrike blieb nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden.

      Die nächste Patientin am Nachmittag war ein neunzehnjähriges Mädchen, Renate Unterhuber, Tochter des Notars. Gisela kannte sie flüchtig, eigentlich nur vom Sehen her, wie es unter Angehörigen der gleichen Generation eben in einer Kleinstadt üblich ist. Renate war schlank, groß, braungebrannt, ein sportlicher Typ, und wirkte durchaus nicht krank.

      Zu ihrer Überraschung begrüßten Dr. Burg und Renate sich eher freundschaftlich; sie kannten sich vom Tennisplatz her.

      »Na, wo fehlt’s denn unserer Sportskanone?« fragte er und lud sie ein, in der Sitzecke Platz zu nehmen.

      »Meine Menstruation ist ausgefallen!«

      Gisela erschrak. »Nicht schon wieder!« hätte sie beinahe gesagt. Dr. Burg verzog keine Miene.

      Renate zupfte an ihrem Minirock. »Schon seit neun Monaten habe ich keine Menstruation mehr«, berichtete sie, »zuerst habe ich mir nicht viel dabei gedacht. Ich nahm an, das würde sich schon von selbst wieder einspielen. Angst, ein Baby zu bekommen, brauchte ich ja nicht zu haben, weil … na, eben … ich bin noch Jungfrau.« Mit einem gewissen Trotz warf sie den Kopf zurück.

      »Das ist doch schön«, sagte Dr. Burg.

      »Und eben deshalb«, fuhr Renate fort, »wäre mir eine Untersuchung ganz gräßlich.«

      »Jungfrauen untersuche ich nicht«, erklärte der Arzt, »höchstens rektal, also durch den Darm, aber auch das wird bei Ihnen gar nicht nötig sein.«

      »Aber ich habe gelesen, daß man eine Ausschabung machen muß, um die Schleimhaut der Gebärmutter unter dem Mikroskop zu untersuchen.«

      »Eine sogenannte Abrasio hormonalis, ja, das ist eine Methode, aber nicht die einzige. Und bei Ihnen würde ich die bestimmt nicht anwenden.«

      »Sondern?« fragte Renate.

      »Mit Hormonen. Zuerst müssen wir einen Test machen, um festzustellen, woran Ihre Amenorrhoe, also das Ausbleiben der Menstruation, liegt. Ich werde Ihnen jetzt erst einmal Progesteron verabreichen. Heute, und morgen gleich noch einmal. Sie wissen wahrscheinlich, daß Progesteron das Hormon der zweiten Zyklusphase ist. Wenn danach die Blutung einsetzt, ist bewiesen, daß die Ovarien noch Östrogene bilden.«

      »Und wenn nicht?« fragte Renate.

      »Versuchen wir es mit Östrogen. Dann ist der Fall allerdings schwerer.«

      »Und Sie sind sicher, daß Sie es nur mit Hormonen wieder hinkriegen?« fragte Renate ungläubig.

      »Nicht nur. Natürlich müssen wir der Störung auch tiefer auf den Grund gehen. Waren Sie in den letzten zwei Jahren mal krank?«

      »Nein.«

      »Haben Sie Kummer?«

      »Nein!« entgegnete Renate wieder, doch dann dachte sie nach und gab zu: »Ich bin in der vorigen Klasse sitzengeblieben. Das hat ’ne Menge Ärger zu Hause gegeben. Kann das denn wirklich mit meiner …« sie suchte das Wort, »also mit meiner Menstruationsstörung zu tun haben?«

      »O ja. Sie sollten Ihr Pech in der Schule nicht so schwernehmen. Und noch ein Rat: Sie spielen fabelhaft Tennis, ich hatte oft genug Gelegenheit, das zu beobachten. Aber Sie sollten da ein bißchen kürzertreten. Sport ist gesund, aber nicht, wenn man ihn bis zur Erschöpfung betreibt!«

      »Ich werd’s mir merken, ganz bestimmt!« versprach Renate. »Jetzt bin ich froh, daß ich zu Ihnen gekommen bin, Doktor Burg. Es hat mich unheimliche Überwindung gekostet, wissen Sie!«

      Am Abend klingelte Gernot Mannhardt, ein Boy aus der Nachbarschaft, bei Schmitts und wollte Gisela in die Diskothek abholen. Unter normalen Umständen wäre sie liebend gern mitgegangen, aber heute konnte sie sich nicht aufraffen. Sie wußte, daß sie nicht mit den anderen unbeschwert lachen und tanzen konnte.

      »Tut mir leid, ich habe keine Zeit«, behauptete sie.

      »Was hast du denn jetzt noch zu tun?«

      »Eine ganze Menge. Ich kann wirklich nicht. Ein andermal gern.«

      Sie zwang sich zu einem Lächeln, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug. Was Ulrike in der Sprechstunde des Frauenarztes erzählt hatte, machte ihr immer noch zu schaffen.

      Sie kannte Hans Sattelmeier, den LKW-Fahrer, und hatte ihn bisher immer für einen etwas groben, aber netten Menschen gehalten. Er schien sehr verliebt in seine Frau zu sein. Dennoch hatte er, wenn man Ulrike glauben wollte, und Gisela sah keinen Grund, das nicht zu tun, ein junges Mädchen vergewaltigt.

      Seine Frau hatte damals ein Kind erwartet. Gisela wußte, daß der Arzt, wenn es während der Schwangerschaft zu Blutungen kommt, der Patientin jeden Geschlechtsverkehr verbot. So mochte es auch im Fall Sattelmeier gewesen sein.

      Aber war das eine Entschuldigung für den Mann, seine Frau zu betrügen und einer anderen Gewalt anzutun? Würde Frau Sattelmeier das verzeihen können? Konnte man so etwas überhaupt verzeihen?

      Nachdenklich ging Gisela in ihr Zimmer zurück. Sie hatte keine Lust, mit ihrer Familie fernzusehen. Zu sehr war sie immer noch innerlich mit der Vergewaltigung beschäftigt, von der Ulrike ihr erzählt hatte.

      Sie konnte auch Fred Liebermann nicht verstehen! Er war doch eigentlich schuld daran gewesen, daß Ulrike diesem Kerl in die Hände gefallen war. Aber anstatt nachher zu ihr zu halten, hatte er sie stehenlassen.

      Diese Männer!

      Plötzlich hatte Gisela eine Idee.

      Sie riß die Tür zum Wohnzimmer auf und rief: »Tschüß, Mutti, ich geh’ noch ein bißchen fort, nein, ich glaube nicht, daß es spät wird!« Dann schlüpfte sie in ihre rote Clubjacke, denn abends war es immer noch reichlich kühl, und verließ das Haus.

      Heute scheute sie nicht mehr davor zurück, bei Simons zu klingeln. Es war ihr gleichgültig, was Ulrikes Vater von ihrem ungewohnten Besuch sagen würde. Das spielte jetzt keine Rolle mehr.

      Sie hatte Glück, und Ulrike selber öffnete die Tür. »Komm rein«, sagte sie, gar nicht erstaunt.

      »Bist du allein?«

      »Das nicht. Aber Vater sitzt vor dem Fernseher.«

      Ulrikes Zimmer war ein hübsch und modern eingerichteter Raum mit Bettcouch und dazu passenden Schränken. Nur lagen, für Giselas Geschmack, allzuviel Stofftiere herum, vielleicht ein Zeichen dafür, wie sehr sich das junge Mädchen nach Zärtlichkeit sehnte.

      Gisela mußte ein paar Viecher beiseite schieben, bevor sie sich auf den kleinen Sessel setzen konnte.

      Ulrike nahm ihr gegenüber auf der Couch Platz. »Meinst du, es hat überhaupt Zweck, daß ich morgen nochmal