Tödliche Hände. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711719183
Скачать книгу

      »Das herauszubringen ist Sache der Kriminalpolizei«, erklärte der Staatsanwalt.

      Dr. Zacharias wandte sich an den Diener:

      »Bitte, Anton, helfen Sie mir, ihn auf sein Zimmer zu bringen.«

      »Wozu?« Der Staatsanwalt sah den Arzt scharf an.

      »Ich möchte ihn untersuchen, Herr Staatsanwalt!« Die Stimme des Arztes klang ehrlich erstaunt. »Vielleicht ist er gar nicht tot.«

      »Dies festzustellen«, erwiderte Lamprecht, »dürfte Ihnen auch möglich sein, ohne die Lage des Ermordeten zu verändern.«

      »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie mich an der Ausübung meiner ärztlichen Pflicht hindern.«

      Der Staatsanwalt beugte sich über den Toten, zog die Augenlider hoch, ließ sie fallen.

      »Kasimir Kratky bedarf keines Arztes mehr, Herr Doktor.«

      Dr. Zacharias zuckte die Schultern. »Nun gut, wie Sie meinen. Die Verantwortung liegt bei Ihnen.«

      Martin Sommer war sehr nahe an den Toten herangetreten. »Hier!« rief er. »Ist das nicht ein Zettel? Dieses Röllchen, das im Knauf steckt?«

      Der Staatsanwalt machte eine Bewegung, als ob er es herausziehen wolle, ließ dann aber die Hand wieder fallen.

      Sir Ambery holte Lederhandschuhe aus seiner Jackentasche.

      »Darf ich?« fragte er Lamprecht.

      »Bitte, aber mit äußerster Vorsicht.

      Der Engländer zog die Handschuhe an, faßte mit den Fingerspitzen das Papier, rollte es vorsichtig so auseinander, daß er nur die äußeren Ränder berührte, und hielt es dem Staatsanwalt hin. Es standen nur fünf Worte darauf, mit roter Tinte in Druckbuchstaben geschrieben: Ich komme aus dem jenseits.

      »Also doch ein Geist«, sagte Dr. Zacharias.

      »Genausogut können Sie an den Weihnachtsmann glauben«, erwiderte der Staatsanwalt kalt.

      »Darf ich den Zettel einmal sehen?« fragte Maria Sebaldt überraschend.

      Aber Annette und Dr. Zacharias beschworen sie, darauf zu verzichten, und Maria, die sich völlig erschöpft fühlte, fügte sich.

      Sir Ambery rollte den Zettel wieder zusammen und steckte ihn zurück in den Knauf.

      »Komm, Maria, ich bring dich zu Bett«, erbot sich Annette. »Oder…«, fragte sie ziemlich aggressiv und wandte sich dem Staatsanwalt zu, »… haben Sie etwas dagegen?«

      »Natürlich nicht«, versicherte dieser. »Aber ich muß Sie bitten, das Haus nicht zu verlassen. Das gilt natürlich auch für die anderen, die während des Mordes hier im Raum anwesend waren.«

      Mr. Pearson, der bisher völlig benommen dagestanden hatte, protestierte lebhaft: »Soll das gelten auch für mich? Für mich und meine Frau?«

      »Ich bedaure sehr, aber …«

      George Pearson unterbrach den Staatsanwalt: »Sie scheinen nicht zu wissen, wer ich bin … Ich bin George Pearson, und ich werde nicht dulden, daß …«

      »Bitte, Mr. Pearson, regen Sie sich doch nicht auf. Sie müssen begreifen …«

      »Ich bin amerikanischer Staatsbürger!« schrie Pearson, und seine Stimme schnappte über. »Niemand hat das Recht, mich hier festzuhalten! Ich werde mich mit meinem Konsul in Verbindung setzen! Ich werde …« »Das, Mr. Pearson, bleibt Ihnen unbenommen. Es handelt sich ja nur darum …«, versuchte der Staatsanwalt zu erklären, aber jetzt schrien sie von allen Seiten auf ihn ein.

      »Sie werden doch nicht glauben, daß ich Ihretwegen meine Hunde verhungern lasse!« rief Annette empört. »Ich denke nicht daran, auch nur eine Minute länger …«

      »Sie scheinen zu vergessen, daß ich Arzt bin«, erklärte Dr. Zacharias wütend. »Was, glauben Sie, werden meine Patienten sagen, wenn ich hier …«

      »Ich bleibe nicht!« rief Mrs. Pearson hysterisch. »Keine Macht der Welt kann mich zwingen, auch nur eine Minute länger in diesem Mordhaus zu bleiben! Ich will…«

      »Auch ich protestiere«, erklärte der Oberlehrer, aber im Gegensatz zu den anderen war er ganz ruhig.

      Sir Ambery sprach mit leiser, beruhigender Stimme auf seine Frau ein.

      Der Staatsanwalt hob die Hand. »Meine Herrschaften, Ruhe!« verlangte er nun zornig. »Sie verkennen die Lage. Nicht weil Sie etwa nur Zeugen eines Mordes geworden sind, verlange ich von Ihnen zu bleiben, sondern weil sich unter Ihnen der Mörder selbst befindet. Ich besitze die Befugnis, Sie zurückzuhalten. Die Kriminalpolizei wird bald hier sein. Sie können versichert sein, daß jeder, der die Burg eigenmächtig verläßt, sofort wieder zurückgeholt wird. Sie alle stehen unter Mordverdacht…«

      »Sie etwa nicht?« rief Annette dazwischen.

      »Doch, ich auch. Aber im Gegensatz zu Ihnen werde ich der Polizei keine Schwierigkeiten machen.«

      »Herr Staatsanwalt«, sagte der Mann in dem braunen Anzug bedrückt, »kann ich Sie einen Augenblick unter vier Augen sprechen?«

      Jetzt erst richteten sich alle Blicke auf den Fremden. »Wer sind Sie überhaupt?« fragte Dr. Zacharias verblüfft.

      »Aber Doktor«, fiel Maria Sebaldt ein, »das ist doch Signor Bressoni.«

      »Nein, Maria, das ist er nicht. Signor Bressoni kenne ich. Dieser Mensch hier hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit deinem Manager, der sich heute bei dir vorstellen wollte.«

      Der Mann im braunen Anzug hob flehend die Hände, breite, leicht behaarte Hände mit kurzen Fingern.

      »Ich kenne überhaupt keinen Signor Bressoni«, sagte er aufgeregt.

      »Nicht?« herrschte der Arzt ihn an. »Wenn ich die Situation richtig sehe, haben Sie sich doch unter diesem Namen bei uns eingeschlichen?«

      »Nein!« Er schrie es fast. »Bitte, lassen Sie mich doch zu Wort kommen. Das war es ja gerade, was ich dem Herrn Staatsanwalt auseinandersetzen wollte. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, daß hier eine spiritistische Sitzung stattfindet.«

      Er wies auf Anton, den Diener. »Dieser Mann da hat mich einfach hier hereingeführt, bevor ich mich überhaupt vorstellen konnte. Er hat gesagt: ›Sie werden erwartet.‹ Ich frage Sie, meine Herrschaften, was hätte ich denn tun sollen? Ich bin ihm gefolgt. Jeder andere Handelsvertreter hätte das auch getan. Die Schwierigkeit in unserem Geschäft liegt ja hauptsächlich darin, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Wenn man erst einmal in der Wohnung ist…«

      »Sie sind Vertreter?« unterbrach der Staatsanwalt ihn. »Jawohl, Vertreter für Staubsauber. Vielleicht darf ich Ihnen einmal unser Gerät…«

      »Sie heißen?«

      »Heinz Heinrich. Sie müssen schon entschuldigen, Herr Staatsanwalt, aber man nutzt jede Gelegenheit…«

      »Schon gut, Herr Heinrich. Ich unterstelle, daß das, was Sie uns erzählt haben, der Wahrheit entspricht. Trotzdem muß ich auch Sie bitten, auf Burg Eberstein zu bleiben, bis die Kriminalpolizei Ihnen die Erlaubnis erteilt, sich zu entfernen.«

      »Aber, Herr Staatsanwalt, heute ist doch Freitag. Meine Frau und meine Kinder erwarten mich. Ich komme jeden Freitagabend pünktlich nach Hause.« Er fuhr sich verzweifelt durch sein onduliertes blondes Haar. »Ich hätte es wissen müssen … weiß Gott, ich hätte es wissen müssen. Freitag, der Dreizehnte. Also, das sage ich Ihnen, das ist der letzte Freitag, der Dreizehnte, an dem ich gearbeitet habe.«

      »Ist hier ein Telefon?« fragte der Staatsanwalt.

      »Leider nein«, antwortete Maria Sebaldt. »Ein Telefon paßt nicht zu unserer alten Burg. Wir haben ganz bewußt darauf verzichtet.«

      »Wo ist das nächste Telefon?«

      »In einer kleinen