Dem dunklen Rächer verfallen. Inka Loreen Minden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inka Loreen Minden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783963701764
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      »Niemand muss je von uns erfahren, falls du Angst hast.«

      »Natürlich habe ich Angst«, sagte er grollend und stand auf. »Du tust gerade so, als hättest du das schon öfter gemacht?«

      Verflucht, jetzt hörte er sich an wie eine eifersüchtige Frau! Doch er wollte sich nicht ausmalen, dass Cole in den Armen eines anderen Mannes gelegen und mit ihm dasselbe getan hatte wie sie gerade.

      »Es gab da mal jemanden …«, gestand ihm Cole leise und schlüpfte mit den Beinen unter das Laken. »Aber es war zwischen uns nicht so wie mit dir.«

      Miles versuchte, sich zu beruhigen, zog sich einen Morgenmantel über und setzte sich direkt neben Cole auf das Bett, sodass sich ihre Schultern berührten. »Magst du mir davon erzählen?«

      Er zögerte kurz, doch dann sagte er leise und mit gesenktem Kopf: »Vor drei Jahren, ich war siebzehn, also so alt wie Annie jetzt, habe ich mich mit einem Jungen getroffen, der genau wie ich auf der Straße lebte. Er hieß Jack und stammte aus einer anderen Gang. Wir waren uns ein paar Mal über den Weg gelaufen, er hat sich immer wichtig gemacht, mich provoziert. Dann hat er mich eines Tages in einem Hinterhof einfach geküsst und mir gedroht, er würde mich umbringen, falls ich irgendjemandem davon erzähle.« Unter halb gesenkten Lidern sah er Miles an. »Ich war völlig überwältigt und bekam den Kuss einfach nicht mehr aus dem Kopf.«

      Miles konnte es ihm bestens nachfühlen.

      »Bei unserer nächsten Begegnung zog er mich in ein verlassenes Haus. Es blieb nicht nur beim Küssen, wir haben uns gestreichelt, unsere Körper erforscht und uns jeden Tag um dieselbe Zeit verabredet.«

      »Habt ihr auch …« Miles wollte es nicht aussprechen, weil dann würde er gewisse Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

      »Nein, es blieb bei Berührungen. Vielleicht wäre es aber zu mehr gekommen. Doch nach etwa einem Monat tauchte Jack nicht mehr auf. Ich habe ihn seitdem auch nie wieder auf der Straße gesehen.«

      Miles wurde hellhörig. »Weißt du, was ihm zugestoßen ist?«

      Cole riss die Lider auf. »Du denkst, ihm ist etwas passiert? Ich habe immer geglaubt, er hätte keine Lust mehr, mich zu treffen, und würde sich vor mir verstecken.«

      »Wer würde sich denn mit dir nicht mehr treffen wollen?« Miles räusperte sich schnell und blickte Cole tief in die Augen. »Ich möchte mir nicht ausmalen, wie hart das Leben für dich und deine Schwester war und immer noch ist. Ihr wart also in einer Gang?«

      »Eine Weile, ja.« Cole lehnte sich leicht an ihn und seufzte schwerfällig. »Wir hatten meistens einen trockenen Unterschlupf, ich fand fast immer irgendwo Arbeit, aber die Winter waren jedes Mal die Hölle.«

      Miles schluckte. Cole sollte nie wieder frieren müssen. »Seit wann schlagt ihr euch alleine durch?«

      »Seit sechs Jahren. Annie war damals erst elf …«

      »Und du vierzehn?«

      Cole nickte.

      So jung … »Wie sind du und deine Schwester auf der Straße gelandet?«

      »Es war nach Mutter Tod«, sagte er schnell, ohne ihn anzusehen.

      »Woher kommt ihr? Du kannst dich gut ausdrücken und anscheinend auch lesen. Wer waren eure Eltern?«

      Cole drehte seinen Zeigefinger ins Bettlaken und mied Miles’ Blick. »Warum hast du keinen Kammerdiener?«

      Cole wollte also nichts mehr über sich erzählen. Warum? War die Vergangenheit zu schrecklich? Schämte er sich, so tief gefallen zu sein? Oder vermisste er sein altes Heim? Seine Mutter? Er musste zumindest aus gutbürgerlichem Hause stammen.

      Oder verbarg Cole etwas ganz anderes vor ihm?

      Wir kennen uns kaum, sagte sich Miles. Wenn er an der Stelle des jungen Mannes wäre, würde er auch nicht gleich alles preisgeben. Ihm ging es ja nicht anders, er traute dem süßen Dieb noch nicht ganz über den Weg. Miles hatte ihm ohnehin bereits zu viel erzählt.

      Er wollte Cole zu nichts drängen und beantwortete stattdessen seine Frage: »Ich habe keinen Valet, weil ich keinen so engen Kontakt zu einem anderen Mann möchte. Wer weiß, vielleicht rede ich ja im Schlaf? Ich will mir nicht ausmalen, was passiert, wenn er von meiner krankhaften Neigung erfahren würde.«

      Cole sah ihn zögerlich an. »Denkst du wirklich, dass wir krank sind?«

      »Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist es verboten, was wir tun, und wir könnten dafür am Galgen baumeln. Vielleicht sollten wir es lieber bei diesem einen Mal belassen.« Miles wusste nur nicht, wie er das überstehen sollte, jetzt, da er von der verbotenen, zuckersüßen Frucht gekostet hatte.

      Cole schüttelte schnaubend den Kopf. »Ich will dich aber wiedersehen, Rochford. Wir müssen uns ja nicht bei dir treffen, sondern könnten doch auch zusammen draußen auf Patrouille gehen. Du bist der dunkle Rächer und ich dein verwegener Helfer. Ich kenne ein paar hübsche Orte, an denen wir ungestört wären.«

      »Du hast wohl Todessehnsucht!«, stieß Miles dunkel hervor. »Was ich tue, ist gefährlich. Was wir machen ebenso!«

      »Ich habe viele Sehnsüchte, Rochford«, flüsterte Cole ernst, beugte sich zu ihm und gab ihm einen schnellen Kuss.

      »Verdammter Kerl«, murmelte Miles an dessen Lippen. Dann griff er in seinen Nacken und küsste ihn so verlangend, dass er davon fast wieder hart wurde.

      Miles wollte am liebsten, dass Cole die ganze Nacht bei ihm blieb. Doch er hatte Angestellte, ein Mädchen, das jeden Morgen in sein Zimmer kam, die Vorhänge aufzog, ihm warmes Waschwasser brachte …

      Zu seinem Leidwesen glitt Cole aus seinen Armen, stieg aus dem Bett, suchte seine Sachen zusammen und begann, sich anzuziehen. »Ich muss zurück zu Annie. Ich kann sie nicht die ganze Nacht allein lassen.«

      Miles nickte. Es war besser so.

      Er stand ebenfalls auf und schnürte den Morgenmantel ordentlich zu. Schließlich musste er Cole ungesehen nach draußen bringen.

      Als der sein zerrissenes Oberhemd begutachtete, stopfte er es in seinen Beutel und drehte sich schief grinsend zu ihm um. »Du schuldest mir noch ein Hemd.« Er hob das getragene Kleidungsstück von Miles auf und schlüpfte hinein.

      »Ich gebe dir ein neues. Das hatte ich die halbe Nacht an!«

      »Perfekt.« Cole nahm einen tiefen Atemzug vom Ärmel und schloss kurz die Augen. »Dann habe ich noch ein wenig länger etwas von dir. Und falls du dein Parfüm vermisst …« Er wackelte mit dem Beutel. »Das nehme ich auch mit.«

      Oh, dieser Teufelskerl!

      Miles konnte ihm jedoch nicht böse sein und sagte nichts dazu. Stattdessen nahm er die Kerze und ging voran zur Tür, um in den dunklen Gang zu spähen. Als er nichts sah und hörte, winkte er Cole zu sich. »Falls uns jemand begegnet, gib mit irgendeiner weiblichen Eroberung an.«

      »Warum?«

      »Dann denken meine Angestellten, du bist ein Bekannter aus dem Club und ein genauso großer Frauenheld wie ich.«

      Cole grinste vergnügt. »Verstehe. Du hast dir eine Tarnung zugelegt.«

      »Du glaubst gar nicht, was ich dafür schon alles unternommen habe …«

      Gemeinsam schlichen sie hinunter zur Küche, wobei Miles nicht fassen konnte, was sich zwischen ihnen ereignet hatte. Immer noch raste sein Herz, wenn er daran dachte, aber nun mischte sich neue Angst hinzu. Ihr Liebesspiel sollte besser eine einmalige Sache bleiben.

      Als er die Kerze auf den Küchentisch stellte, sagte er möglichst ruhig: »Besuch mich nie wieder, Cole. Es ist zu riskant.«

      »Dann stell mich doch als deinen Kammerdiener ein. Wir könnten zusammen sein, ohne dass es jemand mitbekommt.«

      »Cole, ich …« Seufzend schüttelte er den Kopf. Die Vorstellung war zu verlockend. »Wir sollten uns nicht mehr sehen. Nicht hier,