Ein reines Wesen. Isabella Archan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Isabella Archan
Издательство: Bookwire
Серия: Willa Stark
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956022326
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wegschicken?« Dr. Daniels sah hoch.

      »Nein, bleiben Sie bei Frieda, um die draußen kümmern wir uns später.«

      Die Frau begann sich zu wiegen. Der Arzt nahm sie in den Arm.

      »Kann ich aufstehen?«, fragte der Patient mit dem Gipsbein.

      Harro schüttelte den Kopf. »Nein, bleiben Sie bitte alle beide in Ihren Betten. Gleich wird man sich um Sie kümmern.«

      »Das ist Schwester Karin.« Er zeigte nach unten, ohne hinzusehen. »Sie war immer so freundlich.«

      Es klopfte und der Pfleger kam zurück, an seiner Seite eine Krankenschwester mit einem Tablett, auf dem eine Spritze vorbereitet lag. Sie stieß einen spitzen Laut aus, als sie die Tote sah.

      »Geben Sie ihr die Spritze, Dr. Daniels. Sofort. Und Sie, Schwester, helfen Sie ihm. Los, machen Sie.«

      Harro blieb bei seinem strengen Ton. Das Krankenhauspersonal war es gewohnt, mit Krankheit und Tod umzugehen, aber nicht mit einem Kapitalverbrechen.

      Dr. Daniels nahm der Schwester das Tablett ab. Die ging in die Knie und schob den rechten Ärmel ihrer Kollegin nach oben. Widerstandslos ließ sich Frieda die Injektionsnadel in den Oberarm stechen und im Anschluss vom Pfleger hochheben.

      »Bringen Sie sie raus. Los.«

      Als die Tür geöffnet wurde, sah Harro, dass sich eine Menschentraube davor gebildet hatte.

      Harro wandte sich an Dr. Daniels Kollegen, der immer noch die Hände in die Hüften gestemmt hatte.

      »Kümmern Sie sich zusammen mit der Schwester um die beiden Kranken. Schieben Sie sie in ihren Betten ebenfalls vorsichtig aus dem Zimmer. Passen Sie dabei auf, dass Sie die Position der Leiche nicht weiter verändern.«

      Die Krankenbetten quietschten, als sie über den Boden geführt wurden. Keiner sagte ein weiteres Wort. Dr. Daniels hielt die Tür auf.

      Endlich kam Ruhe in den Raum. Harro und Dr. Daniels blieben bei der Toten zurück. Das Krankenzimmer sah plötzlich verlassen und groß aus.

      »Wir müssen die Polizei verständigen.« Dr. Daniels flüsterte.

      »Übernehme ich sofort.« Harro nickte dem Arzt zu. »Wir sollten nichts mehr anfassen.«

      Er holte sein Handy aus seiner Hosentasche und wählte Kraus’ Nummer. Nach dem dritten Klingeln wurde der Anruf angenommen.

      »Ja?«

      »Hallo, Peter. Hier Harro.«

      »Hab’ es auf dem Display gesehen. Hallo.« Der Hauptkommissar klang verschlafen.

      »Die späte Störung hat einen Grund, Peter. Im Evangelischen Krankenhaus in Weyertal ist ein Mord geschehen.«

      »Bitte? Was? Ist mit Willa alles in Ordnung?«

      »Ja, ist es. Mit ihr hat es, Gott sei Dank, nichts zu tun. Ich bin vor Ort und stehe vor der Leiche einer Krankenschwester. Ich gehe davon aus, dass bereits jemand den Notruf gewählt hat und die Polizei jede Sekunde eintrifft. Ich wollte, dass du und dein Team ebenfalls Bescheid wisst, damit du die Sache schnell in die Hand nehmen kannst. Ist ohnehin dein Revier.«

      Peter Kraus legte auf.

      Harro klopfte Dr. Daniels auf die Schulter.

      Von der Straße her erklangen Sirenen.

      Keine weitere Viertelstunde später waren auch Willas Kollegen vor Ort.

      Die Besprechung fand diesmal im Rechtsmedizinischen Institut statt. Hauptkommissar Peter Kraus war zu Harro gefahren, um den aktuellen Bericht des Rechtsmediziners persönlich mit ihm zu besprechen. Hauptkommissarin Marielle Kaiser-Rhön und Kommissar Frank Zauber waren dazugestoßen.

      Marielle war froh, dass sie direkt in Harros Büro bestellt worden waren. Sie mochte die Kälte und den Geruch in den Sektionsräumen absolut nicht. Obwohl sie gerne ihren Dienst versah und die Aufklärungsarbeit mit Leidenschaft betrieb, hatte sie sich nie an den Anblick von Leichen gewöhnen können.

      Frank entschuldigte sich und rannte Richtung Toiletten.

      »Was hat er?« Harro sah ihm hinterher.

      »Ihm ist übel. Was Falsches gegessen oder wieder zuviel getrunken. Wer weiß das schon.«

      Peter Kraus’ Tonfall war ärgerlich.

      Frank Zauber entwickelte sich mehr und mehr zu einem Problemfall unter den Teammitgliedern. Obwohl Zaubers Scheidung Jahre zurücklag, hatte sich der Kommissar immer noch nicht mit dem Scheitern seiner Ehe abgefunden. Er trank seither zuviel und wurde im Umgang mit den Kollegen immer öfter ausfallend. Eine Dienstbeschwerde lag bereits auf dem Schreibtisch des Hauptkommissars, ein Kollege hatte sich über angeblichen Alkoholkonsum Zaubers während einer Razzia beschwert. Kraus musste in den nächsten Tagen ein weiteres ernstes Wort mit Zauber wechseln.

      Doch der Mord an Karin Lieberstätt hatte Priorität.

      Eine Woche war es jetzt her, dass die Krankenschwester erwürgt im Evangelischen Krankenhaus gefunden worden war. Während die Todesursache sofort geklärt werden konnte, tappten sie bei der Tätersuche im Dunkeln. Die Stimmung im Team war angespannt. Es gab zurzeit keinen Platz für Zaubers private Dauerprobleme.

      »In meiner Gegenwart war Frank während Ermittlungen nie betrunken.« Marielle schien einen Teil der Gedankengänge von Peter Kraus erraten zu haben.

      »Ist alles okay bei euch im Team?« Harro fixierte Peter Kraus.

      Der nickte kurz.

      »Dann können wir anfangen.«

      Sämtliche DNA-Proben des Krankenhauspersonals waren vom Labor zu Harro geschickt worden, in der Hoffnung, Vergleichsmaterial zu finden. Der Rechtsmediziner deutete auf eine Kanne Tee und übereinandergestapelte Tassen in verschiedenen Farben, die auf seinem Schreibtisch standen.

      »Tee, Harro, ist das dein Ernst?« Marielle verdrehte die Augen.

      »Wir alle konsumieren zu viel Kaffee.«

      »Ich kann auch nach zwei Espressi wie ein Murmeltier pennen.« Peter Kraus war wie Marielle überrascht.

      »Heute serviere ich euch eben mal grünen Tee, Leute. Lebt damit. Tine Latisch hat ihn zubereitet, sie sorgt sich um mich. Ich möchte nicht die ganze Kanne allein austrinken müssen.«

      »Willa hätte dir deinen Tee um die Ohren gehauen.« Marielle schmunzelte.

      »Statt dich zu umsorgen, hätte sie dich mit einem starken Meinl Originalkaffee aus Österreich zugedröhnt.«

      Harro lächelte matt. »Kleiner Brauner, großes Brauner, Melange, Einspänner. Die Sorten und noch mehr hab ich von ihr gelernt. Dazu das ›Habe die Ehre‹ und das ›Küss’ die Hand‹.«

      Jetzt mussten beide lachen.

      Auch Peter Kraus entkam ein Schmunzeln. »Sie war schon eine richtige Marke, das Mädel.«

      »Gibt es einen Grund in der Vergangenheit vom Fräulein Ösi zu reden, habe ich etwas verpasst?«

      Frank Zauber war zurück und sprengte die gute Stimmung.

      »Nein, natürlich nicht.« Harro wurde schlagartig blass. »Sie lebt und sie wird aufwachen.«

      »Wie lange bisher?«

      »Vierunddreißig Tage und zwanzig Stunden inzwischen. Nicht, dass ich mitzählen würde.«

      Harro griff sich die Teekanne mit beiden Händen und begann einzuschenken. Ein paar Tropfen landeten auf der Schreibtischplatte. Er wischte sie mit dem Ärmel weg.

      Für eine Weile schwiegen sie.

      »Ich möchte auf unseren aktuellen Mordfall zurückkommen.« Peter Kraus ergriff das Wort. »Harro, was hast du für uns?«

      Der Rechtsmediziner nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Nach Auswertung