Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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laßt Bernardo uns hievon erzählen.

      BERNARDO

       Die allerletzte Nacht,

       Als eben jener Stern, vom Pol gen Westen,

       In seinem Lauf den Teil des Himmels hellte,

       Wo jetzt er glüht, da sahn Marcell und ich,

       Indem die Glocke eins schlug -

      MARCELLUS

       O still! Halt ein! Sieh, wie's da wieder kommt!

       Der Geist kommt , in Waffen.

      BERNARDO

       Ganz die Gestalt wie der verstorbne König.

      MARCELLUS

       Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio!

      BERNARDO

       Siehts nicht dem König gleich? Schau's an, Horatio!

      HORATIO

       Ganz gleich; es macht mich starr vor Furcht und Staunen.

      BERNARDO

       Es möchte angeredet sein.

      MARCELLUS

       Horatio, sprich mit ihm.

      HORATIO

       Wer bist du, der sich dieser Nachtzeit anmaßt,

       Und dieser edlen, kriegrischen Gestalt,

       Worin die Hoheit des begrabnen Dänmark

       Weiland einherging? Ich beschwöre dich

       Beim Himmel, sprich!

      MARCELLUS

       Es ist beleidigt.

      BERNARDO

       Seht, es schreitet weg.

      HORATIO

       Bleib, sprich! Sprich, ich beschwör dich, sprich!

       Geist ab.

      MARCELLUS

       Fort ists und will nicht reden.

      BERNARDO

       Wie nun, Horatio? Ihr zittert und seht bleich:

       Ist dies nicht etwas mehr als Einbildung?

       Was haltet Ihr davon?

      HORATIO

       Bei meinem Gott, ich dürfte dies nicht glauben,

       Hätt ich die sichre, fühlbare Gewähr

       Der eignen Augen nicht.

      MARCELLUS

       Siehts nicht dem König gleich?

      HORATIO

       Wie du dir selbst.

       Genau so war die Rüstung, die er trug,

       Als er sich mit dem stolzen Norweg maß;

       So droht' er einst, als er in harter Zwiesprach

       Aufs Eis warf den beschlitteten Polacken.

       's ist seltsam.

      MARCELLUS

       So schritt er, grad um diese dumpfe Stunde,

       Schon zweimal kriegrisch unsre Wacht vorbei.

      HORATIO

       Wie dies bestimmt zu deuten, weiß ich nicht;

       Allein soviel ich insgesamt erachte,

       Verkündets unserm Staat besondre Gärung.

      MARCELLUS

       Nun setzt euch, Freunde; sagt mir, wer es weiß,

       Warum dies aufmerksame, strenge Wachen

       Den Untertan des Landes nächtlich plagt?

       Warum wird Tag für Tag Geschütz gegossen

       Und in der Fremde Kriegsgerät gekauft?

       Warum gepreßt für Werften, wo das Volk

       Den Sonntag nicht vom sauren Werktag trennt?

       Was gibts, daß diese schweißbetriefte Eil

       Die Nacht dem Tage zur Gehülfin macht?

       Kann jemand mich belehren?

      HORATIO

       Ja, ich kanns;

       Zum mindsten heißt es so. Der letzte König

       Ward, wie Ihr wißt, durch Fortinbras von Norweg,

       Den eifersüchtger Stolz dazu gespornt,

       Zum Kampf gefordert; unser tapfrer Hamlet

       - Denn diese Seite der bekannten Welt

       Hielt ihn dafür - schlug diesen Fortinbras,

       Der laut dem untersiegelten Vertrag,

       Durch Recht und Rittersitte wohl bekräftigt,

       Mit seinem Leben alle Länderein,

       So er besaß, verwirkte an den Sieger;

       Wogegen auch ein angemeßnes Teil

       Von unserm König ward zum Pfand gesetzt,

       Das Fortinbras anheimgefallen wäre,

       Hätt er gesiegt, wie durch denselben Handel

       Und Inhalt der besprochnen Punkte seins

       An Hamlet fiel. Nun hat Jung Fortinbras

       Von unerprobtem Feuer heiß und voll,

       An Norwegs Ecken hier und da ein Heer

       Landloser Abenteurer aufgerafft,

       Für Brot und Kost zu einem Unternehmen,

       Das Herz hat; welches denn kein andres ist,

       Wie unser Staat das auch gar wohl erkennt,

       Als durch die starke Hand und Zwang der Waffen

       Die vorbesagten Land' uns abzunehmen,

       Die so sein Vater eingebüßt; und dies

       Scheint mir der Antrieb unsrer Zurüstungen,

       Die Quelle unsrer Wachen und der Grund

       Von diesem Treiben und Gewühl im Lande.

      BERNARDO

       Nichts anders, denk ich, ists als eben dies.

       Wohl trifft es zu, daß diese Schreckgestalt

       In Waffen unsre Wacht besucht, so ähnlich

       Dem König, der der Anlaß dieses Kriegs.

      HORATIO

       Ein Stäubchen ists, des Geistes Aug zu trüben.

       Im höchsten palmenreichsten Stande Roms,

       Kurz vor dem Fall des großen Julius, standen

       Die Gräber leer, verhüllte Tote schrien

       Und wimmerten durch alle römschen Gassen;

       Und ebensolche Zeichen grauser Dinge,

       Als Boten, die dem Schicksal stets vorangehn,

       Und Vorspiel der Entscheidung, die sich naht,

       Hat Erd und Himmel insgemein gesandt

       An unsern Himmelsstrich und Landsgenossen,

       Wie feuergeschweifte Sterne, blutger Tau,

       Die Sonne fleckig; und der feuchte Stern,

       Des Einfluß waltet in Neptunus' Reich,

       Krankt an Verfinstrung wie zum Jüngsten Tag.

       [Der Geist kommt wieder. ] Doch still! Schaut, wie's da wieder kommt. Der Geist kommt wieder. Ich kreuz es Und sollt es mich verderben. - [Er breitet die Arme aus. ] Steh, Phantom, Hast du Gebrauch der Stimm und einen Laut: Sprich zu mir! Ist irgendeine gute Tat zu tun, Die Ruh dir bringen kann und Ehre mir: Sprich zu mir! Bist du vertraut mit deines Landes Schicksal, Das etwa noch Voraussicht wenden kann: