Drachenzähmen leicht gemacht (3). Strenggeheimes Drachenflüstern. Cressida Cowell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cressida Cowell
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Drachenzähmen leicht gemacht
Жанр произведения: Детская фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783401806457
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ein Rollmops gewesen. Ein edler Rollmops vielleicht, ein ruhmbekleckster, mutiger Rollmops; aber nichtsdestotrotz ein ganz, ganz toter Rollmops.

      Stattdessen ließ sich Hicks, so still und heimlich er nur konnte, über die Bordwand gleiten. So leise wie ein Gespenst versteckte er sich hinter ein paar Amphoren mit Olivenöl, die auf dem Deck standen, und zwar unmittelbar neben einem großen zeltähnlichen Baldachin. Mittlerweile wurde Fischbein von den römischen Soldaten gejagt. Die Jagd dauerte nicht sehr lange. Fischbein schlug Haken, so gut er konnte, aber am Ende prallte er direkt gegen den Bauch des gewaltigen Zenturios, der ihn mit einer seiner Pranken packte und glatt vom Boden hochhob.

      »Na, wen haben wir denn da …?«, bellte der Zenturio, während Fischbein um sich kickte wie ein aufgespießter Mistkäfer. »Ein wahrhaft Furcht einflößendes Wikingerchen, das uns ganz allein angreift …?«

      »Hahaha!«, röhrten die übrigen dreihundertneunundvierzig Soldaten, die das zum Biegen komisch fanden.

      »Das ist alles ein riesiges Missverständnis!«, jammerte Fischbein und begann sich heftig zu kratzen, weil seine Pickel in solchen Stresssituationen immer besonders stark juckten. »Bitte lasst mich los …«

      »Wir bringen dich zum Boss, mein kleiner Barbar«, sagte der Zenturio. Er trug Fischbein zum Zelt hinüber, hinter dem sich Hicks versteckt hielt.

      Hicks spähte hinter den Amphoren hervor. Vorsichtig schob er den Zeltvorhang ein wenig zur Seite, um besser sehen zu können, was da abging.

      Fischbein war inzwischen knallrot angelaufen, zitterte heftig und seine Pickel juckten höllisch. In diesem Zustand brachte man ihn vor die beiden reich gekleideten Männer, die unter dem Zeltdach lagen, nur einen Meter von Hicks’ Versteck entfernt.

      Der eine Mann war sehr, sehr dick. So dick, dass seine Bauchspeckfalten über die Couch quollen und herunterhingen, wo sie von einem kleinen Sklaven hochgehalten wurden. Der andere Mann war sehr, sehr dünn und trug einen seltsamen Helm mit einem gigantischen Federbusch und einem Visier, das seine Augen bedeckte.

      Der fette Römer aß Nanodrachen in Honig von einem Teller, der auf einem kleinen Tisch vor ihm stand. Nanodrachen waren eine besonders winzige Drachenart und kamen so oft vor wie Insekten. Sie hatten ungefähr die Größe von Heuschrecken. Die armen Viecher waren noch lebendig und zappelten herum, konnten aber nicht fliehen, weil der Honig ihre hauchzarten Flügel verklebte. Hicks konnte ihre jammervollen Hilferufe hören, wann immer der Dicke mit seinen wulstigen Fingern nach einem Nanodrachen griff und ihn verschlang.

      Der fette Römer war schwer zu verstehen, weil er mit vollem Mund sprach. Gerade hatte er eine große Portion Nanodrachen im Mund.

      »Beim Jupiter, Präfekt«, nuschelte der fette Römer gedehnt. »Glaube fast, wir sind von diesem barbarischen Winzling angegriffen worden!«

      »Richtig, Präfekt«, antwortete der Dünne Präfekt. »Dieses Exemplar hier kenne ich bereits. Er gehört zu einem der hier ansässigen Stämme, von denen ich dir erzählt habe. Ich mache mir große Sorgen, dass sich diese Stämme wieder einmal UNSEREM TEUFLISCH SCHLAUEN PLAN widersetzen könnten.«

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      »Oh, äh, ach so, ja, erkläre mir doch noch einmal, was unser teuflisch schlauer Plan war?«, fragte der Dicke Präfekt.

      »Erstens: Wir verkleiden uns geschickt als Raufbolde und entführen den Stammeserben der Grausamen Sumpfdiebe …«

      »Wunderbar«, spuckte der Dicke Präfekt mit vollem Mund.

      »Zweitens: Wir verkleiden uns geschickt als Grausame Sumpfdiebe und entführen den Stammeserben der Räuberischen Raufbolde …«

      »Präfekt, du bist wahrhaftig ein Genie!«, würgte der Dicke Präfekt grinsend hervor.

      »Drittens: Die Sumpfdiebe und die Raufbolde sind vollauf damit beschäftigt, einander abzuschlachten, und merken deshalb nicht, dass wir jeden einzelnen Drachen in den Inneren Inseln fangen.«

      »Bravo!«, brüllte der Dicke Präfekt.

      Hicks wäre gern noch ein wenig länger geblieben, um mehr über den teuflisch schlauen Plan zu erfahren, aber im Moment hatte er Wichtigeres zu tun. Er musste Fischbein und sich selbst von der Galeere retten. Glücklicherweise lief Hicks, für den normalerweise schon der Wikingeralltag eine einzige Qual war, ausgerechnet in einer Krise immer zur Höchstform auf. Und das hier durfte man wohl als Krise bezeichnen.

      Hicks fasste das Problem kurz und bündig zusammen. Auf der Seite des Feindes: dreihundertfünfzig der besten Soldaten des Römischen Reiches, bewaffnet mit Lanzen, Wurfspeeren, Schwertern, Pfeilen, Schanzwerkzeugen etc., etc., etc. Auf Hicks’ Seite: zwei kleine, magere Wikinger und zwei kleine Drachen, von denen einer streikte und der andere im Koma lag.

      Ja, das war wohl eine echte Krise.

      Hicks erspähte aus dem Augenwinkel einen winzigen Zitteregel, der am Vorhang hing. Er ließ den Blick zum Drachenkäfig wandern. Das ganze Gerede über Ablenkungsmanöver brachte ihn plötzlich auf einen genialen Einfall.

      Mit dem Zitteregligen Glimmstängler könnte er vielleicht die Aufmerksamkeit der Römer ablenken, sich auf Zehenspitzen hinüberschleichen und den Drachenkäfig öffnen. Die Drachen würden förmlich herausquellen und alles und jeden angreifen und in dem ganzen Durcheinander könnte Hicks mit Fischbein das Weite suchen.

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      Hicks zog ein Taschentuch heraus, wickelte es um seine Hand und packte den Zitteregligen Glimmstängler sehr, sehr vorsichtig am Schwanz.

      Wie der Zitteraal versetzt dir auch der Glimmstängler einen wirklich sehr unangenehmen elektrischen Schlag, wenn du ihn an der falschen Stelle anfasst. Am Schwanz ist es in Ordnung, weil der aus einer Art Hornhaut besteht, und Hornhaut leitet den Strom nicht. Aber an jeder anderen Stelle des Zitteregligen Glimmstängler-Körpers würdest du glatt einen Stromschlag erleiden.

      Hicks ließ sich auf Hände und Knie nieder und schob die Zeltplane vorsichtig noch ein Stück weiter zurück.

      Der Dünne Präfekt und der Dicke Präfekt waren immer noch ins Gespräch vertieft.

      Der Dicke Präfekt hatte inzwischen fast alle Nanodrachen-in-Honig verschlungen. Es war nur noch ein Nanodrache auf dem Teller übrig, der verzweifelt versuchte zu entkommen. Niemand achtete auf ihn; die beiden Männer waren zu sehr in ihr Gespräch vertieft.

      Hicks kroch vorwärts, schob die Hand hinauf, holte den Nanodrachen vom Teller und ließ ihn in seine Hosentasche rutschen. Wenigstens eines der armen Geschöpfe hatte er gerettet. An seiner Stelle legte er den Glimmstängler auf den Teller, der fast genau dieselbe Größe hatte.

      Hicks kroch weiter zum Drachenkäfig hinüber.

      Der Dicke Präfekt redete noch immer und griff, ohne hinzusehen, nach einer weiteren Portion Nanodrachen. Seine Schweinefinger wühlten im Honig nach dem letzten saftigen Brocken … und schlossen sich um den Bauch des Glimmstänglers.

      Die gesamten zweihundertfünfzig Kilo Fettmasse des Dicken Präfekten hoben fast einen Meter von der Couch ab. Sein Haar sträubte sich und stand ab wie bei einem Igel, Funken sprühten aus seinen Ohren und seine riesigen Schwabbermassen leuchteten in bizarrem blauem Licht auf und bebten und wabbelten und zitterten und schwabbelten so hysterisch wie ein ungeheuer riesiger rosaroter Wackelpudding, in den der Blitz einschlägt. Ein paar Sekunden später platschte der Fettberg wieder auf die Couch zurück. Seine Toga rieselte als Asche zu Boden und seine Fleischberge wabbelten und schwabbelten volle zehn Minuten lang weiter.

      Während alle fasziniert den nackten Dicken Präfekt und seine Ein-Mann-Imitation des Nordlichts anstarrten, schob Hicks leise den Holzriegel des Drachenkäfigs zurück.

      Im nächsten Augenblick brach auf dem Deck der römischen Galeere die reinste Hölle los. Die gesammelte Artenvielfalt der Drachen quoll wie ein wütender, kreischender, schnappender und Feuer speiender Strom von Krallen und Klauen und Flügeln