Drachenzähmen leicht gemacht (3). Strenggeheimes Drachenflüstern. Cressida Cowell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cressida Cowell
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Drachenzähmen leicht gemacht
Жанр произведения: Детская фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783401806457
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nichts mehr sehen und Haiwürmer sollen nur angreifen, wenn jemand eine offene Wunde hat …«

      Aber Fischbein war schon zu sehr in Panik, um noch begreifen zu können, was Hicks sagte. Er brüllte den Mast hinauf: »Ooooohnezaaaaahn!«

      »Ich höre nicht zu! Ich hö-hö-höre nicht zu!«, rief Ohnezahn zurück und bedeckte die Ohren mit den Flügeln.

      Fischbein schloss die Augen in der Hoffnung, dass das alles eigentlich nicht wahr sein konnte. Und dann öffnete er sie wieder.

      »Hör mal!«, zischte er plötzlich halb wahnsinnig vor Erleichterung. »Hörst du, was ich höre? Schwarzschwanzdrachen!« Hicks wurde ganz still.

      Und da war es tatsächlich, ganz leise aus der Ferne – das Kreischen von Drachen.

      »Ein friedländisches Fischerboot!«, rief Fischbein fröhlich. »Und auch noch genau rechtzeitig! Heute ist unser Glückstag!« Er riss Hicks das Ruder aus der Hand und schwang es herum, sodass das Boot in die Richtung zeigte, aus der das Geräusch kam.

      »Komm schon, KOMM schon!«, drängte Fischbein die Schräger Vogel, als der Wind in ihre Segel griff und sie schnell vorantrieb. »Und bitte fang nicht an, dich im Kreis zu drehen!«

      Zu Fischbeins großer Erleichterung wurde der Lärm der kreischenden Drachen immer lauter und die grauen, schattenhaften Umrisse eines riesigen Schiffes ragten aus dem Nebel.

      Das Schiff war weit, weit größer, als Hicks erwartet hatte. Bestimmt hatten friedländische Fischerboote nicht drei übereinanderliegende Reihen Ruder? Und der Lärm der Drachen klang auch ziemlich ungewöhnlich.

      »Diese Drachen sind nicht hungrig, sondern wütend«, sagte Hicks langsam.

      »Na und?«, kreischte Fischbein aufgeregt und griff nach dem Enterhaken, der, an einem Tau befestigt, im Bug der Schräger Vogel lag. Er warf den Haken aus, der sich am obersten Rand des großen Bootes festhakte.

      Fischbein war kein großer Athlet. Diese Sache zum Beispiel hatte er im Feindliches-Schiff-kapern-Unterricht unzählige Male versucht und es kein einziges Mal geschafft, den Enterhaken richtig zu werfen.

      Tatsächlich war es ihm sogar mehrere Male gelungen, sich dabei selbst auszuschalten. Und das beweist wieder mal glasklar, welch erstaunliche Dinge selbst jemand wie Fischbein leisten kann, wenn er sich in Todesgefahr wähnt.

      »Warte mal eine Sekunde, Fischbein!«, sagte Hicks warnend. »Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren! Einen Haiwurm haben wir eigentlich noch nicht zu sehen bekommen, oder? Und die Drachen schreien die abscheulichsten Dinge auf Drachenesisch …«

      Aber Fischbein war zu sehr in Panik, um auf Hicks zu hören. »Hast du es denn schon vergessen? Wir sollen ein friedländisches Fischerboot kapern! Jetzt!«, schimpfte er. »Erinnerst du dich denn nicht an den Feindliches-Schiff-kapern-Unterricht? Erinnerst du dich noch an Grobian? Großer Bursche, Mundgeruch, Muskeln wie Bummsbälle? Der wird uns UMBRINGEN, wenn wir ohne einen friedländischen Helm zurückkommen, kapiert? Einerseits ist es natürlich eine faszinierende Frage, ob das wirklich ein tödlicher, menschenfressender Haiwurm war oder nur eine optische Täuschung, andererseits ist mir nicht danach, hier noch länger rumzuhängen und darüber zu diskutieren …«

      Und Fischbein kletterte am Seil hinauf.

      Auch beim Seilhinaufklettern war Fischbein normalerweise ziemlich hoffnungslos. Aber dieses Mal kam er schneller hinauf als eine Kurzflügelschlängelschlange auf einen Baum.

      Hicks hüpfte nervös von einem Bein aufs andere und horchte auf den Lärm der wild wütenden Drachen, der von dem enormen Schiff kam, das über ihm aufragte.

      Er konnte unmöglich zulassen, dass Fischbein das Schiff allein enterte.

      Also richtete Hicks ein schnelles Gebet an Wotan, packte das Seil und kletterte hinter seinem Freund her.

      »Jetzt geht’s los«, murmelte Fischbein, als er das obere Seilende erreicht hatte und sich bereit machte, sich über die Bordwand zu schwingen. Mit zitternder Hand zückte er sein Schwert.

      »Denk immer dran: Das sind nur ganz einfache Fischer und die haben eine Höllenangst vor uns Raufbolden«, machte er sich selber Mut. »Was hat Grobian gesagt, dass wir sagen sollen, wenn wir über die Bordwand springen? Oh, jetzt fällt es mir wieder ein, wir sollen diesen blöden Kriegsruf der Raufbolde ausstoßen, wie ging er noch mal? – JAAAAAAH!«

      »Warte!«, flüsterte Hicks heftig und kletterte wie wild hinter ihm her. »Nichts überstürzen!«

      Aber es war schon zu spät.

      Hicks erreichte das Seilende im selben Augenblick, in dem sich Fischbein über die Bordwand schwang und aus voller Brust »J-A-A-A-A-A-A-A-A-A-A-H!« schrie. Grobian wäre stolz auf ihn gewesen.

      Fischbein landete auf dem Deck, schwang sein Schwert so drohend und barbarisch, wie er nur konnte, über dem Kopf und erwartete eigentlich nur, es mit zwei oder drei zu Tode erschrockenen friedländischen Fischerleuten zu tun zu haben.

      Stattdessen drehten sich dreihundertfünfzig der feinsten und tapfersten und brutalsten Soldaten des römischen Weltreichs zu ihm um – von Zehen bis Zähnen mit den modernsten Waffen ausgestattet – und glotzten ihn an.

      »Oh Scheiße«, flüsterte Hicks, der noch am Seil hing und vorsichtig über die Bordwand linste, voller Inbrunst. »Und das soll unser Glückstag sein …?«

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      »Oh nein«, stöhnte Fischbein oben auf dem Deck. Allmählich dämmerte ihm, dass das hier ganz bestimmt KEIN friedländisches Fischerboot war.

      Sondern eine stattliche römische Galeere, siebzig Meter lang vom Bug bis zum Heck. Die Segel strahlten in reinstem Weiß, und als Hicks seinen Hals verdrehte, konnte er hoch oben die Flagge mit dem römischen Reichsadler ausmachen, die lustig im Wind flatterte. Das Schiff war zum Bersten gefüllt, offenbar mit einer halben Legion römischer Elitesoldaten. Sie starrten Fischbein mit einer Mischung aus ungläubigem Staunen und wachsender Wut an. Mittschiffs, neben dem Mast, stand ein gigantischer Eisenkäfig.

      Und hinter den Gitterstäben saß eine enorme Menge Drachen gefangen, von jeder denkbaren Art und Vielfalt. Tödliche Naddern, Fliegende Drachogatoren, Rotfleckige Dämlichgreife, ein paar Gelbbrüstige Vampirinchen und eine Menge Gewöhnliche oder Felddrachen … Egal, welche Art, sie alle waren dort im Käfig zusammengepfercht: ein wildes Gemisch von Krallen und Klauen, Flügeln und Fängen, Schnäbeln und Scharfzähnen – sie alle sollten an die Restaurants und Schuhmacher Roms geliefert werden.

      »Oh, um Thors willen«, stöhnte Hicks flüsternd. »Römische Drachenhändler. Ich kann’s nicht glauben …«

      »Ah«, sagte Fischbein oben auf dem Deck mit nervösem Grinsen, wobei er sich rückwärts zur Bordwand schob. »Kleiner Irrtum, Leute, merke ich grade. Falsches Boot, versteht ihr?« Er versuchte ein völlig entspanntes, ungezwungenes Lachen. »Tut mir echt leid, dass ich euch gestört hab, Leute … Achtet einfach nicht auf mich, ja? Macht nur einfach weiter …«

      Nicht weit von ihm entfernt stand ein Soldat, ein zwei Meter großer Zenturio mit Beinen wie Baumstämme, der mit drohender Geste sein Schwert zückte.

      »Und wohin so eilig?«, fragte er Fischbein auf Lateinisch*. Er streckte seine große Hand aus, um Fischbein zu packen, aber der tauchte in letzter Sekunde unter seinem Arm weg.

      »HALTET IHN!«, brüllte der große Zenturio und sechs oder sieben Soldaten stürzten sich auf Fischbein.

      Also, wenn Hicks ein richtiger, traditionsbewusster Raufboldheld gewesen wäre, hätte er jetzt sein neues Schwert Wagemut gezogen und sich über die Bordwand geschwungen und hätte aus voller Lunge den Raufboldkriegsruf ausgestoßen und wäre seinem Freund in höchster Not zu Hilfe geeilt und so.

      Aber