Der Mensch ist böse. Julian Hannes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julian Hannes
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Юриспруденция, право
Год издания: 0
isbn: 9783833872105
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      Holmes kaufte ein Stück Land, nicht weit von seiner kurz zuvor erschlichenen Apotheke. Und er entwickelte, technisch überaus begabt, Skizzen für das Gebäude, das darauf entstehen sollte. Im unteren Bereich sollte es Geschäfte beherbergen, im Obergeschoss ein Hotel. 1893 sollte die Weltausstellung nach Chicago kommen, man rechnete mit Millionen von Besuchern. Vier Jahre zuvor waren zum selben Anlass 32 Millionen Menschen aus aller Herren Länder in die französische Hauptstadt geströmt. Mit diesem Argument fand Holmes rasch Investoren, die ihm Geld liehen, mit dem er seine »Burg« bauen konnte.

      Ein Hotel, nicht weit entfernt von der Weltausstellung, schien vielen als lukratives Anlageprojekt. Doch obwohl Holmes genug Geld beisammenhatte, betrog er stets Arbeiter und Lieferanten und feilschte um jeden Cent. Zudem wechselte er mehrmals die Baufirmen, denn kein Architekt, kein Bauarbeiter und kein Maurer sollte wissen, was er da eigentlich genau baute. Die vollständigen Pläne kannte nur Holmes selbst.

      Im Inneren war das Hotel ein Labyrinth. Es gab Treppen ins Nirgendwo, Falltüren und eine Gas- und Folterkammer. Holmes hatte sich seine »Burg« ganz nach den kranken Vorstellungen in seinem Kopf gebaut. Nur er kannte sich in ihr aus, wusste, wo die Geheimwege und die Verbindungsgänge in den Keller lagen. Im Keller nämlich hatte er sein eigenes Reich errichtet. Dort wollte er ganz alleine mit den Toten sein. Für später gab es dann eine Verbrennungskammer.

      Doch Holmes’ Vorbereitungen blieben nicht ganz unbemerkt. Einige Arbeiter hielten ihren Chef durchaus für merkwürdig. Als er dann noch literweise Chloroform bestellte, wurde mehr als einmal skeptisch nachgefragt. Aber Holmes war schon immer ein guter Lügner, er bräuchte das Chloroform für Forschungszwecke, lautete seine Ausrede – und man glaubte ihm.

      DIE ERSTEN OPFER

      Wie viele Menschen Dr. Holmes wirklich umbrachte, kann man nur schätzen. Er selbst gestand 27 Morde, es könnten aber auch weit mehr gewesen sein. Eines seiner ersten Opfer war Julia Conner. Ihr Mann Ned suchte einen Laden für sein Juweliergeschäft und Holmes schlug ihm die Räumlichkeiten unterhalb des Hotels vor. Seine Frau Julia könnte derweil in Holmes’ Apotheke arbeiten. Es klang nach einem guten Deal für Ned Conner, doch schnell verfiel seine Frau dem Charme des gerissenen Arztes. Holmes manipulierte sie über Monate hinweg und schaffte es, die Ehe mit Ned zu torpedieren. Am Ende zog Ned aus Chicago weg und überließ Julia und ihre gemeinsame acht Jahre alte Tochter Pearl dem Horrorarzt. Nun waren die beiden allein mit ihm in seiner Burg.

      Julia und Holmes waren ein Liebespaar, doch dann wurde sie auf einmal schwanger. Es war kurz vor Weihnachten, als er sie überredete, das Kind abzutreiben. Er sei Arzt, er könnte das schmerzlos durchführen, versprach er ihr. Julia Connor glaubte ihm. Gemeinsam mit ihrer Freundin Sylvia Crowe schmückte sie noch in einem Hotelzimmer den Weihnachtsbaum, unter dem ihre Tochter Pearl am nächsten Morgen die Geschenke finden sollte. Nur ihre Schwester Gertie war nirgendwo auffindbar. Sie war über die Festtage extra nach Chicago gekommen, doch auf einmal kam sie nicht mehr ins Hotel. Julia machte sich Sorgen, aber Holmes tischte ihr eine Lüge auf, die sie beruhigte. In Wahrheit aber war Gertie sehr wohl im Hotel – allerdings einige Stockwerke tiefer. Im Keller.

      Als Julia Conner sich an Weihnachten der Operation unterziehen wollte, legte sie sich bereitwillig auf den Tisch und schloss die Augen. Doch Holmes hatte nie vor, die Abtreibung wirklich zu vollziehen. Er packte seine hilflose Geliebte und drückte ihr ein in Chloroform getunktes Tuch ins Gesicht. Er ließ nicht los, bis das letzte Leben aus ihren Gliedern gewichen war, dann ging er weiter in das Hotelzimmer, in dem Julias kleine Tochter Pearl schlief. Sie hatte keine Chance und auch diesmal benutzte Holmes das Chloroform in einer tödlichen Dosis.

      Über seine Falltüren schaffte er die Leichen hinab in den Keller. Dann benachrichtigte er Charles Chappell. Dieser gehörte zu dem kleinen kriminellen Netzwerk, das sich Holmes aufgebaut hatte – genauso wie Benjamin Pitezel, ein Zimmermann mit ebenfalls kriminellem Background. Er und Holmes wurden schnell Freunde und später sollte ihn ein Staatsanwalt als Holmes’ »Werkzeug« bezeichnen. Auch Charles Chappell war im wahrsten Sinne des Wortes ein Werkzeug. Er durfte mit in den geheimen Keller und sollte Holmes dort helfen, die Leichen zu zerlegen. Chappell hatte als Arbeiter am Horrorhotel mitgewirkt und wollte sich nun ein wenig dazuverdienen. Er wusste nicht, wie die beiden ums Leben gekommen waren, und das Gesicht von Julia hatte Holmes vorsorglich entfernt. Dass ein Arzt in dieser Zeit zwei Tote im Keller liegen hatte, war für den Arbeiter nichts Besonderes. Und Holmes zahlte ihm 36 Dollar. Das Geld holte er sich später wieder, indem er das Skelett seiner Geliebten für gutes Geld an eine Universität verkaufte. Der Schreckensarzt war eben immer auch schon ein guter Unternehmer.

      Als Sylvia Crowe am nächsten Tag wiederkam, um sich nach Julia und Pearl zu erkundigen, tischte Holmes ihr einfach eine weitere Lüge auf: Die beiden wären spontan weggefahren.

      DIE TODESMASCHINE

      Von nun an begann in seinem Horrorhotel die Arbeit. Die Zimmeranfragen boomten, viele wollten in die Stadt und Holmes’ Herberge schien günstig und zentral gelegen. Doch wenn Männer oder ganze Familien anfragten, war »The Castle« seltsamerweise stets ausgebucht. Nur allein reisenden Frauen bot Holmes zu jeder Tageszeit gerne ein Zimmer in seinem Schloss an. Meist nachts begann er dann sein teuflisches Werk: Er betäubte seine Opfer mit Chloroform und schickte sie über die Falltüren nach unten in schallisolierte Räume. Mal ließ er die Frauen dort dann verhungern oder verdursten, mal tötete er sie mit Gas oder Gift. Bei den Baumaßnahmen hatte er ein Guckloch eingebaut, die Arbeiter hatten keine Ahnung, zu welch grausigem Zweck es einmal benutzt werden sollte – von einem kranken Psychopathen, der seinen Opfern beim Sterben zusah. Holmes liebte es, sie in ihren letzten Momenten zu beobachten, ehe er sie zerlegte, verbrannte oder ihre Leichen an die Forschung verkaufte.

      Alternativ stellte Holmes auch gerne Frauen als Sekretärinnen ein. So wie zum Beispiel Emeline Cigrand, eine weitere junge hübsche Frau, die ihm verfiel. Spielend luchste er ihr ihre Ersparnisse ab und schwärmte ihr von der bevorstehenden Hochzeit vor. Doch seine Verlobte schöpfte Verdacht und hinterfragte mit der Zeit ihren zukünftigen Ehemann. Holmes hatte keine Lust auf Diskussionen und löste das Problem wie gewöhnlich auf seine Art – im Keller des Horrorhotels. Er gab selbst eine gefälschte Anzeige auf, in der stand, dass Emeline einen anderen Mann geheiratet hätte. Wenn Freunde nach ihr fragten, spielte er den verlassenen Liebenden und zeigte ihnen unter Tränen die Annonce.

      Sein Spiel blieb lange unentdeckt. Doch während der Weltausstellung wurde Holmes zu übermütig und tötete seine Opfer in immer kürzeren Abständen. Die Angestellten und Besucher des Horrorhotels bemerkten irgendwann einen beißenden chemischen Geruch. Und wo waren eigentlich die ganzen Sekretärinnen? Hatten sie so schnell wieder gekündigt? Erste Gerüchte gingen um in den Straßen von Englewood. Holmes war zu unvorsichtig und neben seinen Morden wie eh und je im Betrugsgeschäft mit seinem Kumpel Benjamin Pitezel aktiv. Doch die Versicherungen schöpften langsam Verdacht. Sie wollten ihn drankriegen, setzten Privatdetektive auf ihn an. Sie vermuteten, dass er selbst Brandstiftung begangen hätte, um das Geld für eine kurz zuvor abgeschlossene Gebäudeversicherung einzustecken. Holmes wusste: Wenn sie tiefer bei ihm gruben, würden sie auf seine Geheimnisse stoßen. Und die waren um einiges schlimmer als seine betrügerischen Geschäfte. Als die Schlinge sich immer enger um seinen Hals zog, floh er schließlich nach Texas. Hier hatte er einer seiner »Geliebten« ein Stück Land auf ihn überschreiben lassen. Jetzt war auch diese Frau nicht mehr am Leben. Kurzzeitig plante er, auf dem Land ein neues »The Castle« zu errichten. Ein Horrorhaus, noch größer und verzweigter als das in Chicago. Doch die Träumereien endeten jäh. Holmes wurde festgenommen und muss zum ersten Mal in seinem Leben ins Gefängnis. Es ging jedoch nur um ein paar kleinere illegale Handelsaktivitäten, weshalb er auf Kaution wieder freikam. Wieder floh er, an seiner Seite diesmal sein letzter Getreuer, Benjamin Pitezel. Der wusste nichts von Holmes’ Serienmorden. Er kannte ihn nur als kumpelhaften Kleinkriminellen und darum war er einverstanden, als Holmes ihm einen letzten großen Deal vorschlugt, der sie beide mit Geld versorgen sollte.

      DER LETZTE BETRUG

      Der Coup schien ganz einfach, Holmes hatte ihn in der Vergangenheit schon oft ausgeführt. Sein Freund