ihr besonderes Augenmerk richten die beiden Ballistikgutachter auf zwei Erkenntnisse der Sprengstoff war von minderer Qualität und es handelte sich um Sicherheitssprengstoff das heißt er konnte nicht von selbst explodieren sondern nur indem man ihn zündete doch kein Mensch löst die Zündung aus wenn nicht vorher alle Sprengladungen an der vorgesehenen Stelle angebracht wurden die Ladungen die benutzt werden sollten lagen aber großenteils noch auf der Erde wie erklärt sich das?
fünfzehn Uhr vierzig Öffnung des Brustkorbs Schnitt und beidseitige Resektion der Rippen flüssiges Blut tritt aus teils hämolytisch ein Teil davon wird aufgefangen es wird für andere Untersuchungen speziell für toxikologische gebraucht Entnahme des Herzens es wird herausgetrennt und ausgedrückt dann werden die Lungenflügel mitsamt der Luftröhre entfernt die Bronchien werden mit einer Schere abgetrennt der Magen wird oben und unten verschnürt damit der Mageninhalt nicht austritt und so herausgeschnitten dann wird er geöffnet und der Inhalt begutachtet es findet sich Blut das im traumatischen Moment des Todes den Rachen hinuntergesickert ist im Magen finden sich keine Speisereste das Opfer war als es starb sicher seit vielen Stunden nüchtern zusammen mit dem Blut dem Urin und dem Mageninhalt werden alle herausgetrennten Eingeweide mit Nieren Leber und Milz dem toxikologischen Gutachter anvertraut das Ergebnis der Analyse wird erst zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen
wird es alle Zweifel ausräumen? übereinstimmend sind die Gutachter der Ansicht dass sich eindeutige Aussagen treffen lassen falls sich offensichtliche Spuren einer Droge finden wenn aber die Spuren vage und unsicher sein sollten würden Zweifel bleiben ob das Opfer unter Rauschgift stand oder nicht? acht von neun Menschen nehmen heutzutage Beruhigungsmittel Schlaftabletten oder Angsthemmer natürlich ohne deshalb unter Rauschgift gesetzt worden zu sein stärker wäre die Unsicherheit noch falls dem Opfer dies nur als mögliche Hypothese anstatt irgendwelcher Medikamente Betäubungsmittel wie Chloroform oder Äther verabreicht worden wären leichtflüchtige Substanzen dieser Art könnten bei einer Autopsie die mehr als vier Tage nach Eintritt des Todes durchgeführt wird nicht mehr festgestellt werden
es ist jetzt bereits nach fünf Uhr am Nachmittag Untersuchung des Leibes nachdem man ihn mit einem Bauchschnitt unterhalb des Zwerchfells geöffnet hat der Professor wechselt sich jetzt freundlicherweise mit dem Pathologen ab der schon lange hart gearbeitet hat die Atmosphäre ist immer noch gelassen und sehr korrekt ohne Polemik und Befangenheit keine Unterstellungen weil es wie gesagt keinen Grund gibt wenn die Messer gewechselt werden oder ein Schnitt gesetzt wird der Dünndarm kommt zum Vorschein und der lange Strang des Darms wird Stück für Stück abgeschnitten und geöffnet auch der Darm ist überwiegend leer selbst im Dickdarm findet sich nur wenig kotiger Brei die Genitalien sind anatomisch vollständig
zur Untersuchung des Rückgrats das heißt der Wirbelsäule wird der Tote auf den Bauch gedreht zuvor wurde noch der Kehlkopf kontrolliert wenn das Opfer erwürgt worden wäre wäre der Kehlkopf gebrochen er ist es nicht schwieriger ist es in einer ersten Untersuchung die Möglichkeit des Erstickens beispielsweise mit einem Kissen zu überprüfen aber darüber werden vielleicht später die mikroskopischen Untersuchungen der Lungen Klarheit bringen Untersuchung des Rachenraums es wird kontrolliert ob der Kiefer gebrochen ist nein ob der Gaumen ein Loch hat nein die Untersuchung des Rückgrats bestätigt den Bruch einiger Wirbel was nicht überrascht es passt zu dem schon vorhandenen Bild der Wirkungen eines Sturzes oder Stoßes
um neunzehn Uhr endet die Untersuchung der Wirbelsäule der Körper wird gewaschen und gesäubert der Pathologe nimmt Nadel und Faden zur Hand und vernäht sorgfältig die langen Öffnungen die Kopfhaut wird an ihren Platz zurückgebracht und befestigt sodass das Gesicht wieder kenntlich wird der Richter diktiert die übliche Feststellung dass der Leichnam wieder anständig hergerichtet wurde der Schlussbericht wird vervollständigt und noch einmal verlesen gesichert ist also die hauptsächliche Todesursache nicht gesichert ist der Zeitpunkt des Todes und die Abfolge von Explosion und Prellungen die Fragen die sich bereits am Morgen gestellt haben sind auch am Abend noch unbeantwortet es bleibt zu hoffen dass sie nach Abschluss aller Untersuchungen ihr Fragezeichen verlieren
er gab in bedächtigem Abstand noch zwei Schüsse ab Donnerschläge krachten in den Bergen und dann unmittelbar neben ihnen freigelassen stieg das Pferd hoch den Kopf hin und her werfend drehte es sich um sich selbst und galoppierte dann wiehernd in den Wald zuerst empfand er eine wunderliche Erleichterung sie hatten ihn erschossen das wusste er jetzt er ging auf ein Knie nieder dann fiel er stöhnend flach aufs Gesicht ins Gras es regnete sacht Gestalten geisterten um ihn und hielten seine Hand vielleicht noch immer um ihn auszurauben oder um ihm zu helfen oder auch nur aus Neugier er fühlte sein Leben entgleiten wie ein Stück glitschige Leber und im zärtlichen Gras versickern er war allein wo waren sie alle? oder war nie jemand da gewesen?
neunzehn Uhr dreißig die Leichenträger treten ein sie heben den Körper vom Keramiktisch und legen ihn auf eine Bahre während die Gutachter ihrer Wege gehen verschwindet die Bahre in einem Korridor nimmt den Weg ins Leichenschauhaus der elfenbeinfarbene Leichnam hat aufgehört die Gutachter die Richter das breite Publikum zu interessieren er ist nun mit einem Tuch bedeckt weiß wie ein leeres Blatt auf das man jetzt schreiben kann was man will wie auf ein großes weißes Stück Papier das sich über das stumme elfenbeinfarbene Gesicht legt
Zweite Szene
das Gesicht mit den zurückgekämmten Haaren der großen Brille den schmalen Lippen das Gesicht auf den Zeitungsfotos an jenem Morgen das Bild auf der Titelseite der Zeitungen ein graues Passfoto ein Automatenbild er mit den zurückgekämmten Haaren der großen Brille und den schmalen Lippen ich wusste es sofort ich stand da und mir blieb die Luft weg aber das ist ja tatsächlich er wirklich er ist es und da beginnt die Geschichte ich las den Artikel tragisches Ende eines Saboteurs und ich erinnere mich noch gut wie ich damals gleich gedacht habe das ist doch nicht möglich da nimmt die ganze Geschichte ihren Anfang all das was dann geschehen ist was sie uns allen bedeutet hat und so weiter
alles beginnt mit diesen Zeitungen mit dem Bild auf den Titelseiten der Zeitungen nehmen wir an da ist er er geht aus dem Haus recht früh wie jeden Morgen um am Kiosk vor dem Haus Zeitungen zu kaufen sein Blick fällt auf das Bild unter der fetten Schlagzeile auf der Titelseite der Zeitung ihm bleibt die Luft weg einen Moment lang steht er völlig konsterniert da alle Muskeln seines Körpers verkrampfen sich er spürt ein Ohrensausen oder was weiß ich dort vor dem Kiosk mitten im Straßenlärm die Geräusche der Stadt dann schüttelt er sich kauft alle Zeitungen die es am Kiosk gibt er kauft drei vier fünf sechs Zeitungen und geht nach Hause betrachtet die Titelseiten der anderen Zeitungen die fast immer die gleiche Schlagzeile haben und darunter fast immer das Bild das gleiche Foto
wieder zu Hause weckt er sie sie schläft noch er weckt sie um ihr die Zeitungen zu zeigen er ist sehr aufgeregt sie versteht nicht gleich weil sie noch halb am Schlafen ist aber dann begreift sie schlagartig und sagt das ist nicht möglich ihr steigen die Tränen in die Augen er ist sehr aufgeregt glaubt sie trösten zu müssen er nimmt ihre Hand legt die Zeitungen aufs Bett blickt ihr in die Augen voller Tränen und so bleiben sie einen Moment lang bewegungslos und still aber man darf die Szene nicht zu traurig machen weil es keine sentimentale Geschichte ist es ist eine harte und gewalttätige Geschichte oder besser es ist die Geschichte einer großen Spannung hart und gewalttätig auch mit viel Gefühl aber nie sentimental
er hat sie geweckt um ihr Bescheid zu sagen um ihr die Zeitungen zu zeigen um mit ihr zu reden und sie schlief noch in dem dunklen Zimmer er hat das Licht der Nachttischlampe angeknipst hat die Zeitungen aufs Bett geworfen sie ist aufgewacht vielleicht war sie auch schon wach er hat ihr eine der Zeitungen die mit dem großen Bild auf der Titelseite vor die Augen gehalten einen Augenblick lang versteht sie nicht traut ihren Augen nicht dann sagt sie etwas oder sagt auch nichts und die ganze Spannung in ihm das Ohrensausen entlädt sich durch ihre Gegenwart dehnt sich aus und füllt das Halbdunkel des Zimmers es erfasst sie umschließt sie erstickt sie sie sind beinahe unfähig zu reden oder sich zu bewegen
dort also beginnt die ganze Geschichte