Ein Kinderspiel. Mila Roth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mila Roth
Издательство: Bookwire
Серия: Spionin wider Willen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783967110333
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Motorroller und hatte nicht viel später Rheinbach erreicht. Ihre beiden Verfolger waren noch immer hinter ihr, jedoch etwas entfernt. Da sie sich in ihrer Heimatstadt bestens auskannte, bog sie bei nächster Gelegenheit links ab, dann wieder rechts und fuhr im Zickzack durch den Ort. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der noch immer die Warteschleifenmusik dudelte, passierte sie die Shell-Tankstelle und bog, einer Eingebung folgend, einen Moment später auf den Parkplatz vor dem HIT Markt ab. Dort fuhr sie in eine Parklücke nahe beim Eingang, schnappte sich Umhängetasche und Handy und rannte, so schnell sie konnte, in den Supermarkt.

      2

       Rheinbach, Meckenheimer Straße

       HIT Markt

       Donnerstag, 26. April, 15:27 Uhr

      Etwas atemlos sah Janna sich in dem großen Supermarkt um und steuerte dann zielstrebig die Kassen an. Renate Loosen, eine gute Bekannte ihrer Mutter, arbeitete hier und hatte hoffentlich auch jetzt gerade Dienst. Als Janna sie an einer der Kassen sitzen sah, setzte sie ein, wie sie hoffte, fröhliches Lächeln auf und ging auf sie zu. Zum Glück war gerade nicht viel los.

      »Hallo Renate, gut, dass ich dich hier treffe.«

      »Janna, hallo, hast du gar nichts eingekauft? Du siehst ein bisschen gestresst aus.« Die Kassiererin lächelte ihr neugierig zu. Sie war Mitte fünfzig, ein wenig mollig und trug einen schicken schwarzen Pagenschnitt, der gut zu ihrem herzförmigen Gesicht passte.

      »Ja, äh, nein, ich habe nichts gekauft. Ich wollte zu dir.« Ruhig, mahnte Janna sich, verhaspele dich nicht!

      »Zu mir? Wie nett. Ich habe gleich meine Pause. Dann können wir ein Tässchen Kaffee trinken, wenn du möchtest.«

      »Ähm, nein, dazu habe ich leider keine Zeit. Ich wollte dich nur um einen großen Gefallen bitten.« Kurz blickte Janna sich um, weil sie sich beobachtet fühlte, doch weit und breit war kein Verfolger zu sehen.

      »Siebzehn Euro dreiundfünfzig.« Renate kassierte das Geld der einzigen Kundin, die sich an ihrem Kassenband eingefunden hatte, dann verabschiedete sie sie freundlich.

      »Marlene, ich mache jetzt schon meine Pause, ja?« Sie winkte einer Kollegin an der übernächsten Kasse, die daraufhin nur kurz nickte, weil sie mit einem älteren Herrn beschäftigt war, der ihr sein Kleingeld hinzählte.

      Mit wenigen Handgriffen hatte Renate sich aus der Kassensoftware ausgeloggt und entnahm die Geldkassette. »Hier bitte nicht mehr auflegen«, rief sie einer älteren Dame zu. »Komm, Janna, lass mich nur schnell das Geld wegbringen.«

      »Okay.« Janna folgte ihr bis an die Tür zum Personalbereich und wartete dort ungeduldig, bis Renate wieder erschien.

      »Also, was kann ich für dich tun?«

      Janna holte tief Luft. »Du bist doch bestimmt mit dem Auto hier, oder?«

      »Ja, selbstverständlich.«

      »Würdest du es mir für ein paar Stunden ausleihen? Mein Golf ist gerade kaputtgegangen. Ich weiß nicht genau, was mit ihm nicht stimmt, aber der Motor springt nicht mehr an.« Sie hasste es, lügen zu müssen, aber jetzt ging es leider nicht anders. »Ich muss aber dringend zu einem Termin nach Bonn. Meine Eltern sind unterwegs und ein Taxi würde ziemlich teuer ...«

      »Stimmt. Wie ärgerlich. Aber Autos haben es ja immer so an sich, dass sie zu den unpassendsten Gelegenheiten kaputtgehen. Ich könnte dir da Geschichten erzählen ...« Renate kramte bereits in ihrer Hosentasche und brachte einen Schlüsselbund zutage. »Selbstverständlich kannst du meinen Wagen ausleihen. Er steht drüben bei der Tankstelle. Ich müsste ihn nur bis kurz nach acht heute Abend zurückhaben.«

      »Na klar, so lange wird es gar nicht dauern. Danke, Renate, du bist ein großer Schatz! Ich tanke auch, bevor ich zurückkomme.« Erleichtert nahm Janna den Schlüssel für Renates Renault Clio entgegen.

      »Ach was, das ist nicht nötig. Du hast mir schließlich auch schon so oft Sachen aus dem Gartencenter mitgebracht und nimmst meine Enkel immer mit zu den Pfadfindern. Ich bin direkt froh, dass ich mich mal revanchieren kann. Hast du schon die Werkstatt benachrichtigt?«

      »Ja. Sie kümmern sich darum, sobald es geht.«

      »Gut. Hoffentlich hauen sie dich nicht übers Ohr. Man weiß ja, wie das immer geht, wenn Frauen in die Werkstatt kommen.«

      »Ich passe schon auf.« Janna lächelte etwas gezwungen und sah sich noch einmal unauffällig um. »Ich muss jetzt los, sonst komme ich zu spät.«

      »Ja, natürlich. Mach‘s gut und bis später, Janna!« Renate winkte ihr kurz zu und ging dann zurück in den Personalraum.

      Janna machte, dass sie hinauskam. Dabei dachte sie verärgert darüber nach, dass sie sich nun besser auch eine Geschichte für ihre Eltern ausdachte, nur für den Fall, dass diese in der nächsten Zeit mit Renate zusammentreffen würden. Das war ein Punkt bei ihrer Arbeit für das Institut, an den sie sich einfach nicht gewöhnen konnte. Diese ständige Heimlichtuerei und die Lügen, die sie ihren Freunden und ihrer Familie auftischen musste, weil niemand etwas über ihre Tätigkeit für den Geheimdienst erfahren durfte. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen.

      Sie verließ den Supermarkt und sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. Weit und breit waren weder die schwarze Limousine noch der VW Beetle zu sehen.

      Im Laufschritt lief sie hinüber zur Tankstelle und fand zum Glück Renates Auto auf den ersten Blick. Es war dunkelrot, hatte aber eine gelbe Heckklappe und Motorhaube. Eine Sonderedition; Renate hatte das Auto vor zwei Jahren bei einem Preisausschreiben gewonnen.

      Kurz fragte Janna sich, ob dieses Auto nicht vielleicht zu auffällig war, doch daran konnte sie jetzt nichts ändern. Rasch stieg sie ein und duckte sich erschrocken, als ein grauer Van, gefolgt von dem verflixten VW Beetle auf den Parkplatz einbog.

      Vorsichtig sah sie den beiden Autos nach und beobachtete, wie sie hinter dem Supermarkt verschwanden. Im selben Moment fuhr auf der Straße eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben vorbei.

      »O Mann!« Janna wartete, bis das Auto weit genug weg war, dann drehte sie mit fahrigen Bewegungen den Zündschlüssel und lenkte den Clio vom Parkplatz. Im Rückspiegel sah sie den Beetle, der langsam über den Parkplatz fuhr und dann neben ihrem Golf anhielt.

      Innerlich betend, dass die Verfolger nicht errieten, dass sie in dem rotgelben Auto saß, fuhr sie zügig in Richtung Autobahn.

      ***

       Bonn, Kaiserstraße

       Institut für Europäische Meinungsforschung

       Donnerstag, 26. April, 15:40 Uhr

      Gähnend warf Markus Neumann seine Lederjacke über die Lehne seines Bürostuhls in dem von Geschäftigkeit summenden Großraumbüro.

      »Na, Jetlag?« Seine schwarzhaarige und überaus attraktive Kollegin Melanie Teubner hob mit amüsierter Miene den Blick von ihrem Bildschirm.

      »Und wie.« Markus hätte sich am liebsten die Augen gerieben, unterließ es jedoch. »Dreimal Russland und zurück in sechs Tagen.«

      »Du Ärmster. Kriegst du jetzt wenigstens ein paar Tage frei?«

      »Das wird sich gleich herausstellen. Aber so, wie Walter eben am Telefon klang, kann ich mir das vermutlich abschminken.«

      Verständnisvoll nickte Melanie. »Wir sind immer noch notorisch unterbesetzt. Hoffentlich bringen sie diese Umstrukturierung der Abteilungen bald über die Bühne, damit wir ein paar neue Kollegen zugeteilt bekommen.«

      »Mhm.« Weiter ging Markus nicht darauf ein, denn so ganz wusste er noch nicht, was er von den Plänen halten sollte, die Walter im Zuge dieser Umstrukturierung mit ihm hatte. Die Leitung einer neuen Abteilung, eines Sondereinsatzteams, hatte er ihm in Aussicht gestellt. Mit anderen Worten eine Beförderung, die eine Menge an Verantwortung