Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Julia Fritz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fritz
Издательство: Bookwire
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823302254
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soll so zum einen erstmals Ergebnisse im Bereich des Spanischunterrichts aus Lernersicht und zum anderen neue Einblicke und Erklärungsansätze hinsichtlich der Probleme, die beide Fächer gleichermaßen zu betreffen scheinen, liefern.

      Aufbau der Arbeit

      Im ersten Teil der Arbeit werden zunächst wesentliche Grundlagen sowie der theoretische Bezugsrahmen umrissen. Um die Spezifik der zweiten Fremdsprachen Französisch und Spanisch zu beleuchten, bietet das erste Kapitel einen Überblick über die aktuellen schulsprachenpolitischen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus kommt mithilfe statistischer Daten die Entwicklung der Lernerzahlen zur Darstellung, die sowohl Tendenzen im Verlauf der letzten Jahre als auch über die Jahrgangsstufen hinweg abbildet. Diese machen das Phänomen der Abwahl besonders deutlich, sodass im Anschluss an die nach Fächern getrennten Ausführungen ein Vergleich der beiden zweiten Fremdsprachen am Ende der Sekundarstufe I folgt.

      Die vorliegende Studie untersucht den Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Der Forschungsüberblick (Kap. 3) greift diesen Begriff auf, wobei die Auseinandersetzung mit dem Terminus „Schülersicht“ verdeutlicht, dass diesem je nach Fachdisziplin ganz unterschiedliche theoretische Konzeptionen zugrunde liegen und dementsprechend auch die (empirischen) Zugänge zum Teil stark variieren. Diese Herangehensweisen sowie zentrale Ergebnisse entsprechender Forschungsarbeiten werden vorgestellt und diskutiert. Mit dem Kapitel 3.2 ist der Pädagogik als Bezugswissenschaft ein eigenes Unterkapitel gewidmet, da in der fremdsprachendidaktischen Forschung in Deutschland die Anzahl an Arbeiten zum schulischen Fremdsprachenlernen aus der Perspektive der Lernenden noch überschaubar ist. Vor diesem Hintergrund plädiert auch Trautmann (2007:197) dafür, „erziehungswissenschaftliche und insbesondere schulpädagogische Erkenntnisse stärker als bislang zu berücksichtigen“. Den verschiedenen Zugängen zur Schülersicht in der fremdsprachendidaktischen Forschung (vgl. Kap. 3.3) ist gemein, dass sie die Wahrnehmungen der Lernenden in Bezug auf Fremdsprachen und Fremdsprachenunterricht erheben. Um jedoch die Prozessdimension dieser Wahrnehmungen stärker in den Blick zu nehmen, ergibt sich die Notwendigkeit, die vorliegenden Zugänge um den des Unterrichtserlebens zu erweitern. Der Begriff „Unterrichtserlebnis“ wird in verschiedenen Arbeiten zwar immer wieder genannt, jedoch nicht hinreichend definiert. Um eine theoretisch hergeleitete und begründete Konzeptualisierung als Grundlage für die empirische Untersuchung vorzunehmen, rückt Kapitel 3.4 diesen Begriff in den Mittelpunkt.

      Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit den methodologischen und methodischen Grundlagen der Untersuchung. Das Erkenntnisinteresse und die Forschungsfragen (Kap. 4.1) legen eine methodologische Verortung der explorativen Fallstudie im qualitativen Forschungsparadigma nahe, die im Kapitel 4.2 begründet wird. An die Beschreibung des Forschungsfeldes, d.h. der teilnehmenden Schulen (Kap. 4.3), schließt sich eine ausführliche Erläuterung des Forschungsdesigns an, wobei die Methoden der Datenerhebung (Kap. 4.4) und Datenauswertung (Kap. 4.5) sowohl theoretisch hergeleitet und betrachtet als auch in ihrer konkreten Umsetzung im Rahmen der Untersuchung dargelegt werden.

      Die empirischen Ergebnisse der vier Fallanalysen, anhand derer das kollektive (Kap. 5.1 und 5.2) sowie individuelle Unterrichtserleben (Kap. 6.1 und 6.2) rekonstruiert werden, kommen im Teil III der Arbeit zur Darstellung. Die Fallrekonstruktionen orientieren sich dabei jeweils an fünf für das Unterrichtserleben und die Bezugnahme zum Fach besonders relevanten Passagen bzw. Themen. Diese zeigen, dass in den Daten auch über die Einzelfälle hinweg bestimmte Muster und Phänomene immer wieder zum Ausdruck kommen. Die fallübergreifende, komparative Ergebnisdarstellung (Kap. 7) greift diese auf, sodass über den Fallvergleich die zentralen, für das Unterrichtserleben der SchülerInnen relevanten Dimensionen herausgearbeitet und unter Einbezug weiterer Fälle des Gesamtsamples illustriert werden.

      Im abschließenden Kapitel 8 werden die Ergebnisse der Studie vor dem Hintergrund vorliegender Erkenntnisse zur Schülersicht diskutiert und in aktuelle fremdsprachendidaktische Diskurse eingeordnet. In diesem Sinne wird hier auch der Versuch unternommen, Perspektiven, Desiderate und Fragestellungen für zukünftige Anschlussforschung zu eröffnen sowie Implikationen sowohl für die Unterrichtspraxis als auch für die Lehrerbildung abzuleiten. Der letzte Blick in der Arbeit richtet sich „zurück nach vorn“. Mit der Reflexion des Forschungsprozesses (Kap. 8.2) wird insofern der Versuch unternommen, verschiedene Entscheidungen im Verlauf der Untersuchung einer kritischen Bewertung zu unterziehen und damit gleichzeitig mögliche Fallstricke sowie Lösungsansätze für die weitere Forschung offenzulegen.

      2. Zur aktuellen Situation des Französisch- und Spanischunterrichts in Deutschland

      Die Frage, wie SchülerInnen die beiden zweiten Fremdsprachen Französisch und Spanisch lernen, hängt nicht zuletzt davon ab, unter welchen schulischen Voraussetzungen dies geschieht. Insofern sollen zunächst die bildungspolitischen Rahmenbedingungen sowie die Entwicklung der Lernerzahlen betrachtet werden, um die aktuelle Situation des Französisch- und Spanischunterrichts zu beleuchten und damit eine erste Einordnung ihrer Stellung im fremdsprachlichen Fächerkanon vorzunehmen.

      2.1 Das Unterrichtsfach Französisch

      Die sogenannte Krise des Französischunterrichts, wie sie in den zurückliegenden Jahren immer wieder ausgerufen wurde, stellt keineswegs ein Phänomen der 2000er Jahre dar. Bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lassen sich zum Teil deutliche Verluste in Bezug auf die Lernerzahlen feststellen, die nicht zuletzt auf bildungspolitische Entscheidungen und damit einhergehend eine Verschlechterung der Bedingungen des Französischunterrichts zurückzuführen sind. Die folgenden Darstellungen sollen diese Entwicklungen aus einer historischen sowie länderübergreifenden Perspektive skizzieren.

      2.1.1 Schulsprachenpolitische Rahmenbedingungen

      Vergleicht man die Bildungsangebote, Projekte und Initiativen zur Förderung der verschiedenen schulischen Fremdsprachen, ist auf die privilegierte Stellung des Französischen hinzuweisen, die in der 2004 verabschiedeten „Strategie zur Förderung der Partnersprache“ explizit festgehalten wurde (vgl. KMK 2013a: 9). Aufgrund bilateraler Abkommen1 zwischen den beiden Ländern genießt die Sprache insofern staatliche Unterstützung, als sich die Bundesregierung verpflichtet hat, durch vielfältige Maßnahmen die Zahl der Französischlernenden zu erhöhen. Diese reichen von der Einrichtung deutsch-französischer Kindergärten und Gymnasien sowie der Möglichkeit, das deutsch-französische Abitur abzulegen, über Aus- und Fortbildungsangebote im Rahmen des deutsch-französischen Lehreraustauschs bis hin zur regelmäßigen Durchführung eines deutsch-französischen Tages an Schulen sowie der im Abstand von zwei bis drei Jahren stattfindenden Treffen zwischen den deutschen Kultusministern, den Recteurs d’Académies und dem französischen Bildungsminister (vgl. KMK 2013a: 4f.). Die Möglichkeit, über staatlich geförderte schulische und außerschulische Austauschprogramme sehr früh mit der französischen Kultur und Sprache in Kontakt zu kommen, lässt sich insofern als ein Alleinstellungsmerkmal unter den Sprachenfächern hervorheben.

      Betrachtet man die historische Entwicklung des Französischen als Unterrichtsfach in Deutschland, ist festzuhalten, dass es bereits seit dem 19. Jahrhundert beinahe an allen höheren Schulen flächendeckend unterrichtet wurde und unter allen modernen Fremdsprachen die größten Unterrichtsanteile verzeichnen konnte. Mit der Einführung der freien Fremdsprachenwahl Anfang des 20. Jahrhunderts trat jedoch die englische Sprache in immer stärkere Konkurrenz zur französischen und überholte diese nur wenig später (vgl. Reinfried 2012:178) – eine Entwicklung, die spätestens mit der Verabschiedung des Düsseldorfer Abkommens der Ministerpräsidenten im Jahr 1955 besiegelt wurde. Das Abkommen regelte die verbindliche Sprachenfolge am Gymnasium. Mit Ausnahme des altsprachlichen Gymnasiums, an dem Latein für den Beginn des Fremdsprachenunterrichts vorgesehen war und erst ab der siebten Jahrgangsstufe eine moderne Fremdsprache folgte, sollte an den anderen beiden gymnasialen Schulformen, dem neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium, mit Englisch begonnen werden.2

      Ausnahmeregelungen, die einen Beginn mit Französisch oder Latein als erster Fremdsprache vorsahen, waren nur sehr vereinzelt möglich. Andere moderne Fremdsprachen, z.B. Italienisch, Russisch oder Spanisch, fanden im Düsseldorfer Abkommen keine Erwähnung (vgl. Christ 1991:103).

      Verstärkt