Von Flöhen und Mäusen. Mila Roth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mila Roth
Издательство: Bookwire
Серия: Spionin wider Willen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783967110258
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mit geringem Einkommen oder Arbeitslose gegründet. Für diesen Service betreue ich das Büro, weil er das zeitlich nicht schafft, sich dafür aber keine festen Angestellten leisten will. Das würde sonst seine Honorare wieder erhöhen, und das möchte er vermeiden. Ich finde das sehr ehrenwert. Er hat mir mal gesagt, dass er der Gesellschaft etwas zurückgeben will. Manche Leute berät er sogar kostenlos! Ich meine, das muss man doch anerkennen! Nicht alle Menschen denken so wie er. Vor allem nicht die, die das Geld mit beiden Händen scheffeln. Es ist doch lobenswert, dass er sich so engagiert. Und jetzt kommen Sie mir damit, dass er in irgendwas Illegales verstrickt sein soll. Dabei arbeite ich schon über ein Jahr für ihn, und da müsste mir doch längst aufgefallen sein, wenn etwas mit seiner Firma nicht stimmt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er die Daten seiner Kunden stehlen würde.« Janna atmete tief ein, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.

      Markus schauderte innerlich und hätte beinahe die Augen verdreht. Er hatte vergessen, dass diese Frau es fertigbrachte, in einem Atemzug so viele Wörter zu sagen, dass er nach der Hälfte des Wortschwalls schon Schwierigkeiten hatte, ihr zu folgen. Er versuchte, sich seine Irritation nicht zu sehr anmerken zu lassen, dennoch klang seine Stimme etwas angestrengt, als er erklärte: »Mag sein, dass er sich sozial engagiert. Dennoch führen alle unsere Hinweise zu ihm. Deshalb benötigen wir Ihre Hilfe, Frau Berg.«

      »Nein.« Energisch schüttelte sie den Kopf. »Ich schnüffele nicht hinter einem meiner Kunden her. Schon gar nicht wegen eines derart absurden Verdachts.«

      »Frau Berg …« Markus seufzte und fuhr sich leicht entnervt mit der rechten Hand durch sein kurzes, dunkelbraunes Haar. Irgendwie hatte er geahnt, dass sie es ihm nicht leicht machen würde. Von ihrer Warte aus war ihre Reaktion wohl auch verständlich. »Wir haben bereits herausgefunden, dass Leitner eine teure Scheidung hinter sich hat.«

      »Das ist doch seine Privatangelegenheit.«

      »Und er hat Spielschulden.«

      »Wie bitte?« Janna riss die Augen auf. Offensichtlich nervös strich sie sich eine Locke hinters Ohr. »Spielschulden?«

      »Sechsstellig«, bestätigte Markus.

      »Um Gottes willen!«

      »Deshalb kann es also durchaus sein, dass er sich an den Steuerdaten vergriffen hat, um sie weiterzuverkaufen.«

      »Ich glaube das nicht!«, murmelte Janna sichtlich erschüttert. »Er würde doch niemals …«

      »Das – oder jemand setzt ihn unter Druck«, fuhr Markus unbeirrt fort. »Aber ganz gleich, was der Grund sein mag – wir müssen die gestohlenen Daten sicherstellen und vor allen Dingen verhindern, dass sie in die falschen Hände gelangen. Es geht hier nicht nur um Steuerhinterziehung, Frau Berg.«

      »Was denn noch?«

      »Wir haben Grund zu der Annahme, dass die gestohlenen Daten Aufschluss über illegale Geldströme geben. Wer immer sie jetzt hat, sitzt auf einer Goldgrube. Erpressung«, setzte er hinzu, als er ihre verständnislose Miene sah, »und zwar in den höchsten Kreisen.«

      »Sie meinen, aus diesen Daten können Sie ersehen, ob jemand an Korruption beteiligt ist?«, fragte sie.

      »Wahrscheinlich.« Er hob die Schultern. »Korrupte Politiker gehören zum Beuteschema diverser illegaler Vereinigungen.«

      »Ich fasse es nicht.« Janna schüttelte den Kopf, spielte unruhig mit ihrer Kaffeetasse. Dann hob sie ruckartig den Kopf und blickte ihm ins Gesicht. »Wenn … Also für den Fall, dass ich Ihnen helfe – und ich sage nicht, dass ich das tun werde! – was müsste ich denn machen?«

      Markus atmete auf. »Es handelt sich nur um eine Kleinigkeit und ist auch absolut nicht gefährlich.«

      »So wie beim letzten Mal, als ich Ihnen einen Gefallen getan habe.«

      Markus verdrehte die Augen. »Das Einzige, was Sie tun müssten, wäre, Leitner an einem der kommenden beiden Abende für ein paar Stunden abzulenken.«

      »Abzulenken?«, echote sie verständnislos.

      »Damit wir seine Büro- und Privaträume durchsuchen können.«

      »Ist das nicht illegal?«, fragte sie und erinnerte ihn dabei an eine Situation, in der sie ihn genau dies schon einmal gefragt hatte. »Brauchen Sie dazu nicht einen Durchsuchungsbefehl?«

      »Wenn wir von der Polizei wären, dann ja. Oder wenn wir einen offiziellen Verdacht und Beweise gegen ihn hätten. Beides ist nicht der Fall. Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen, aber das Institut hat in dieser Hinsicht«, er zögerte, »ein paar Sonderrechte.« Ihre hochgezogenen Augenbrauen ignorierte er. »Hören Sie, es geht nicht darum, ihm etwas anzuhängen, sondern um die simple Suche nach Hinweisen auf mögliche Hintermänner, anhand derer wir dann wieder die offiziellen Wege beschreiten können – falls es notwendig sein sollte. Leitner ist ein kleiner Fisch, aber durch seine Verbindungen ins Landesparlament so gut wie abgeschirmt. Offiziell ist er über jeden Verdacht erhaben. Wenn sich auch nur das kleinste Gerücht verbreitet, dass wir gegen ihn ermitteln, laufen sehr einflussreiche Personen gegen uns Sturm. Bedenken Sie, dass er alljährlich vielen Leuten eine Menge Geld spart.«

      »Sie meinen, er steht sozusagen unter dem Schutz seiner Kunden?« Janna runzelte erneut die Stirn. »Obwohl er vielleicht ihre Steuerdaten gestohlen hat? Das ist doch paradox. Das klingt so …«

      »Wie?«, fragte er.

      »Nach einem schlechten Film«, antwortete sie. »Ich dachte, so was gibt’s nur im Kino.«

      Markus schnaubte. »Sie würden sich wundern, mit was für Machenschaften wir uns tagtäglich herumschlagen müssen, Frau Berg. Bedenken Sie, dass wir nicht wissen, wer sonst noch in die Sache verwickelt ist. Wenn Leitner im Auftrag eines seiner einflussreichen Kunden gehandelt hat, wird die Vertuschungsmaschinerie anlaufen, sobald auch nur der Schatten eines Verdachts auf ihn fällt.« Er hob die Schultern und beschloss, seine Taktik zu ändern. Mit seinem charmantesten Lächeln blickte er ihr in die Augen. »Sie würden uns wirklich enorm bei unseren Ermittlungen helfen, Frau Berg, wenn Sie uns diesen winzigen Gefallen täten.«

      Er beobachtete sie genau. Im ersten Moment sah es so aus, als wolle sie erneut rundheraus ablehnen. Dann zögerte sie und knabberte nachdenklich an ihrer Unterlippe. Wieder spielte sie mit ihrer Kaffeetasse herum. Als sie den Kopf hob und ihm ins Gesicht sah, konnte er alle Bedenken, die sie hatte, deutlich in ihrem Blick lesen. Er wollte erneut ansetzen und weitere Argumente vorbringen, als sie unvermittelt nickte.

      »Also gut. Ich tue es.«

      Erleichtert, aber auch etwas überrascht über ihren plötzlichen Entschluss, stieß er die Luft aus. »Sehr gut«, sagte er. »Das ist wirklich …«

      »Wenn Sie mir verraten, wie ich das überhaupt anstellen soll. Ich meine, ich bin nur geschäftlich mit Herrn Leitner bekannt. Privaten Kontakt haben wir nicht.«

      »Sie könnten ihn um ein Gespräch wegen Ihrer Steuererklärung bitten«, schlug Markus spontan vor.

      »Die mache ich immer selbst und ganz sicher nicht um diese Jahreszeit«, konterte sie. »Außerdem gehöre ich wohl nicht ganz zu seinem Kundenstamm, nicht wahr?«

      »Dann denken Sie sich etwas anderes aus«, sagte Markus. »Vielleicht wegen Ihrer Arbeit für seinen Beratungsservice. Oder meinetwegen fragen Sie ihn um einen Rat wegen Ihrer Selbstständigkeit. Bezirzen Sie ihn ein bisschen.«

      »Bezirzen?« Janna hob empört die Augenbrauen. »Das gibt‘s ja wohl nicht! Ich soll Herrn Leitner einen Abend lang beschäftigen, und Sie kommen mir mit bezirzen Sie ihn? Etwas Besseres fällt Ihnen nicht ein? Ich dachte, Sie hätten schon einen Plan!«

      »Frau Berg, ich habe nicht …«

      »Also wirklich. Bezirzen Sie ihn ein bisschen!« Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Sie wissen schon, dass Herr Leitner einen gewissen Ruf hat, was Frauengeschichten angeht.« Sie gestikulierte erregt. »Ich finde ihn ja sehr nett, aber auf privater Ebene möchte ich mich lieber nicht näher mit ihm abgeben. Er wechselt die Frauen so oft wie andere Leute ihre Socken.