Wärmeversorgungssysteme mit saisonalen Wärmespeichern. Anna-Elisabeth Wollstein-Lehmkuhl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna-Elisabeth Wollstein-Lehmkuhl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783816900160
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Deutschland

      Für die Erreichung der nationalen Klimaschutzziele werden zusätzliche Maßnahmen im Sektor Wärme veranschlagt. Für die Wärmeversorgung in Deutschland sind drei Schwerpunkte für die Untersuchung zu berücksichtigen. Zunächst sollen die Grundlagen der Wärmeversorgung erläutert werden. Dabei wird der Wärmesektor in seiner Gänze analysiert und der Marktaufbau dargestellt. Daran können Schwierigkeiten und Möglichkeiten für eine erfolgreiche Implementierung der erneuerbaren Energien in diesen Bereich aufgezeigt werden. Anschließend wird der Status quo der erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung analysiert. Hierbei wird auf aktuelle Trends und mögliche Szenarien eingegangen. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels stellt gezielt Betreibermodelle im Wärmesektor vor und untersucht diese hinsichtlich ihrer Potenziale für den Einsatz von erneuerbaren Energien, Wirtschaftlichkeit und sozialer Akzeptanz bezüglich der Einsatzhäufigkeit.

      2.2.1 Grundlagen

      Der Wärmesektor ist unterteilt in unterschiedliche Handlungsfelder. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff des Wärmemarktes eingesetzt, welcher zunächst theoretisch analysiert werden soll. Ein Markt wird ökonomisch beschrieben als ein „Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, aufgrund dessen sich Preise bilden. Märkte lassen sich nach dem Institutionalisierungsgrad, der Art des Marktzutritts, dem Autonomiegrad der Marktteilnehmer und den vorherrschenden Präferenzen unterscheiden.“1 Der Wärmemarkt lässt sich in diese Definition einordnen. Entgegen früherer Definitionen wird der Wärmemarkt heute nur noch bedingt als einheitlich beschrieben. Dies trifft nur auf die erste Systementscheidung des Eigentümers zu, nicht aber auf die Nutzungs- und Betriebszeit mit der notwendigen Wärmebeschaffung.2 Vereinfacht gesagt, gibt es eine ganzheitlich freie Marktentscheidung bei der ersten Auswahl des Wärmeversorgungssystems, bei der anschließenden Lieferung der Brennstoffe wird der Markt jedoch aufgeteilt. Hinzu kommt, dass Heizungssysteme auf Grund der hohen Anschaffungskosten und des technischen Aufwandes nur selten während ihrer Betriebsdauer ausgewechselt oder modernisiert werden.3

      Wie dargestellt, ist der Wärmemarkt an sich nicht einheitlich. Er ist vielmehr sehr vielschichtig und setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen, welche berücksichtigt und zum Verständnis klar voneinander getrennt werden müssen.4 Dazu zählen die eingesetzten Energieträger, die verschiedenen Betreiberkonzepte für die Wärmeversorgung und die verschiedenen Abnehmer der Wärme. Der Wärmemarkt ist im Gegensatz zum Strommarkt inhomogen organisiert. Er wird nicht national oder gar international gesteuert, sondern befindet sich in einem lokal beschränkten Handlungsraum.5

      Der Wärmesektor allgemein kann mit folgenden Merkmalen beschrieben werden:

       „große[n] Heterogenität und hohe[n] Komplexität, was die Eigentümer und Betreiber, die Heiztechnologien und Anlagengrößen sowie die Gebäudetypen betrifft,

       sehr starke Abhängigkeit von der Entwicklung global geprägter fossiler Energiepreise,

       kontinuierlich zunehmende Verschränkung mit dem Stromsektor.“6

      Diese drei Faktoren verdeutlichen bereits, wie komplex sich der Wärmesektor darstellt. Im Gegensatz zum Stromsektor, welcher in einem gewissen Maße einheitlich organisiert ist, ergeben sich somit völlig andere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Energiewende. Die Vielzahl der Akteure, welche sich in keinem einheitlichen Markt bewegen, verhindert eine aktive Steuerung und erschwert somit zusätzlich eine Energiewende in diesem Bereich. Es gilt daher umso mehr, mögliche Synergieeffekte aus der Kopplung der Sektoren zu nutzen.7 Aber nicht nur die Verknüpfung mit anderen Sektoren, sondern die ganzheitliche Betrachtung von Gebäuden und Wärmeversorgung ist für eine optimale Lösung essentiell und muss zukünftig eine noch stärkere Beachtung in der Planung finden.8

      Die Wärmeversorgung wird in zentrale und dezentrale Systeme unterschieden. Zentrale Anlagen sind beispielsweise Fernwärmeversorgungen durch Heizwerke oder Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-Anlagen). Im Gegensatz dazu wird bei dezentralen Anlagen die Wärme bei dem Verbraucher, beispielsweise Einfamilienhäuser oder Siedlungsstrukturen, bereitgestellt, zum Beispiel durch Heizkessel oder Wärmepumpen.9 Insbesondere erneuerbare Energien ermöglichen eine dezentrale Wärmeversorgung und können somit zur Erreichung der Klimaziele und zur Minderung der Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen beitragen.10

      Für die zukünftige Wärmeversorgung lassen sich verschiedene Trends erkennen, welche in Abbildung 2-1 veranschaulicht sind. Diese wurden in unterschiedlichen Studien untersucht. Grundsätzlich lassen sich Tendenzen feststellen, welche in unterschiedlichen Ausprägungen und Möglichkeiten umgesetzt werden können. Abbildung 2-1 stellt nicht nur die Maßnahmen dar, sondern zeigt darüber hinaus, dass diese sinnvoll verknüpft werden müssen. So bestehen zwischen den Trends Interdependenzen, welche in die zukünftigen Entwicklungen einbezogen werden sollten. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten im Rahmen der Dezentralisierungen durch das Angebot von virtuellen Kraftwerken. Gleichzeitig müssen für dezentrale Systeme die lokalen Verbrauchs- oder Speicheranlagen vorhanden sein. Die Trendentwicklung greift die festgesetzten Sektorenziele aus Tabelle 2-1 auf. Die relevanten Sektoren der nachhaltigen Energiepolitik sind Strom, Wärme und Verkehr. Ziel ist es unter anderem diese optimal zu verknüpfen.11 Eine Stellschraube dafür stellen Power-to-X-Technologien (P2X) dar.12 Überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien wird dabei zum Beispiel in Wärme (Power-to-heat) oder Gas (Power-to-gas) umgewandelt.13

      Abbildung 2-1:

      Trends der Wärmewende14

      Der Wärmemarkt kann in verschiedene Handlungs- und Untersuchungsfelder aufgeteilt werden, welche in den folgenden Kapiteln näher untersucht werden:

       Wärmeabnehmer,

       Energieträger und

       Betreiberkonzepte (Wärmeversorger).

      2.2.2 Struktur der Wärmeabnehmer

      Die Wärmeabnehmer lassen sich in drei Verbrauchssektoren unterteilen:1

       Private Haushalte,

       Gewerbe, Handel und Dienstleistung (GHD) und

       Industrie.

      Diese Sektoren haben einen unterschiedlichen Wärmebedarf,2 welcher deren spezifischen Anwendungen geschuldet ist.

      In Abbildung 2-2 wird ersichtlich, dass der größte Anteil des Wärmebedarfs mit 2.151 PJ in Deutschland auf die privaten Haushalte entfällt. Dabei ist wiederum der Bedarf an Raumwärme mit 77,4 % (1.664 PJ von 2.151 PJ) am höchsten. Der Wärmebedarf beträgt 1.888 PJ in der Industrie und 892 PJ im Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Insgesamt ergibt sich ein Wärmebedarf über alle Verbrauchssektoren mit 51,6 % für Raumwärme, 39,7 % für Prozesswärme und 8,7 % für Warmwasser.

      Abbildung 2-2:

      Wärmebedarf nach Verbrauchersektoren im Jahr 20163

      Der Energieverbrauch4 für Raumwärme bei privaten Haushalten unterliegt jährlichen Schwankungen, welche in Abbildung 2-3 dargestellt sind. Diese können durch die Temperaturschwankungen im Vergleich der Betrachtungsjahre, der demografische Entwicklung und dem gestiegenen Wohnraumbedarf pro Kopf erklärt werden.5 Circa 50 % des Endenergieverbrauchs des Gesamtwärmebedarfs in Höhe von 4.931 PJ wird für die Raumwärme benötigt.6

      Im Gegensatz dazu steht jedoch die Einsparung von Raumwärme durch die gestiegenen Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäudehülle in Folge der Erhöhung der baulichen Standards.7 Der Endenergieverbrauch von Bestandsgebäuden kann durch Sanierungstätigkeiten drastisch gesenkt werden.8 Übereinstimmende Studien gehen daher von einem sinkenden Wärmebedarf bis 2050 in Deutschland aus.9

      Abbildung 2-3:

      Entwicklung Endenergieverbrauch