Soziale Arbeit in der Suchthilfe. Marion Laging. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Laging
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170390164
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Erschöpfung und Kopfschmerzen bis zu fünf Tagen (Scherbaum 2017: 68).

      Eine körperliche Abhängigkeit ist bei Ecstasy wenig wahrscheinlich, jedoch sind Symptome der Postaktphase (s. o.) und Entzugssymptomatik schwer voneinander zu trennen (Hoch et al. 2012: 138; Scherbaum 2017: 69).

      Bei Ecstasykonsumenten und -konsumentinnen finden sich zwar vermehrt Symptome wie Depressivität, Ängstlichkeit, Impulsivität, Emotionalität sowie ein generell erhöhtes Beschwerdeniveau; Untersuchungen weisen jedoch darauf, dass psychische Störungen eher als begünstigend für den Konsum zu sehen sind – und nicht umgekehrt (Daumann und Gouzoulis-Mayfrank 2015: 75). Dies schließt aber natürlich nicht aus, dass der Ecstasykonsum dazu beitragen kann, dass psychische Probleme sich durch den Ecstasykonsum verfestigen und verstärken.

      Es gilt mittlerweile als gesichert, dass Ecstasykonsumenten und -konsumentinnen unter einer Beeinträchtigung ihrer kognitiven Leistungen leiden; besonders betroffen ist hier das Gedächtnis und das Lernen, während Aufmerksamkeit und Vigilanz weniger betroffen sind. Unklar ist, inwieweit sich die kognitiven Beeinträchtigungen bei Abstinenz zurückbilden können (Daumann und Gouzoulis-Mayfrank 2015: 76f; Scherbaum 2017: 68).

      3.5 Kokain

      3.5.1 Hintergrund

      Kokain wird aus den Blättern des Kokastrauches gewonnen. Man geht davon aus, dass der Kokastrauch bereits in vorkolumbianischer Zeit, eventuell sogar schon vor 5000 v. Chr. im heutigen Peru als Kulturpflanze angebaut und genutzt wurde. Als heilige Pflanze war er zunächst vornehmlich den Priestern und dem Adel vorbehalten, die die Blätter im Rahmen ritueller Feste konsumierten (Geschwinde 2013: 474; Scherbaum 2017: 108). Zurzeit der Eroberung Perus durch die Spanier war der Konsum allerdings im Volk schon weit verbreitet. Im Umgang mit der Kokapflanze zeigten die Spanier eine Doppelmoral: Auf der einen Seite verboten sie vor ihrem christlichen Hintergrund Anbau und Konsum, auf der anderen Seite wurden Minenarbeiter und Sklaven von den Spaniern sogar mit Kokablättern entlohnt, um so über die gesteigerte Arbeitskraft höhere Profite aus Plantagen und Bergwerken zu erwirtschaften (Geschwinde 2013: 474; Scherbaum 2017: 108).

      In der Mitte des 19. Jahrhundert wurde Kokain erstmalig chemisch isoliert und im Jahr 1863 durch die deutsche Firma Merck auf den Markt gebracht. Kokain fand zum einen Verbreitung als Arzneimittel, beispielsweise bei Husten, Depressionen und Entzündungen, aber auch in der Lokalanästhesie. Zum anderen wurde es damals als Zusatzmittel bei Erfrischungsgetränken wie Coca-Cola eingesetzt, wo es auch namensgebend war (Scherbaum 2013: 108; Geschwinde 2013: 474f).

      Sigmund Freud, der selbst auch Kokain konsumierte, empfahl zeitweise Kokain als ein Mittel gegen die Entzugserscheinungen des Morphinismus und beim Alkoholentzug – diese Behandlungsart wurde jedoch sehr schnell wegen Erfolglosigkeit wieder aufgegeben (Geschwinde 2013: 476). Im Ersten Weltkrieg wurde Kokain u. a. zur Steigerung der Risikobereitschaft von deutschen und französischen Jagdfliegern konsumiert, später von Radrennfahrern als Dopingmittel bei der Tour de France eingesetzt (Geschwinde 2013: 475).

      Kokain wird als Modedroge häufig mit den 1920er Jahren in Verbindung gebracht. Damals kam Kokain aus den Heeresbeständen des Ersten Weltkrieges, wo es zur Lokalanästhesie eingesetzt wurde, in großen Mengen auf den illegalen Markt. Als »Champagner- und Künstlerdroge« war Kokain in dieser Zeit allerdings weitgehend auf die »Bohème« in Großstädten wie Berlin oder Paris beschränkt. Mit der Wirtschaftsdepression endete diese »Kokain-Welle«. Seit 1925 ist Kokain in Deutschland verboten (Geschwinde 2013: 476f; Thoms 2012: 161).

      Kokain geriet ab den 1930er Jahren in Europa und den USA weitgehend in Vergessenheit. Erst ab Mitte der 1970er Jahre war wieder ein Anstieg des Konsums in den USA und wenig später auch in Europa zu beobachten (Geschwinde 2013: 478). Mitte der 1980er Jahre begann mit dem Rauchen konzentrierter Kokainpräparate (Crack, Freebase) eine neue Ära des Kokainmissbrauchs, die durch hohe Konsumdosen, schnellen Wirkungseintritt und ein rasches Einsetzen einer Abhängigkeit gekennzeichnet ist (Thoms 2016: 174).

      Heute kann man drei verschiedene Gruppen bzw. Konsumententypen unterscheiden: Eine Gruppe konsumiert vornehmlich in Partykontexten, oft in Kombination oder im Wechsel mit anderen Partydrogen wie z. B. Ecstasy. Darüber hinaus gibt es eine Gruppe, die ausschließlich Kokain konsumiert und dabei schwere Abhängigkeitsformen entwickelt. Kokain hat den Ruf, die Droge für die Aufsteiger, Erfolgreichen, Arrivierten und Starken zu sein. Damit geht die Vorstellung einher, dass der Kokainkonsum in bestimmten Berufsgruppen wie etwa Schauspielern, Schauspielerinnen, Models, Managern bzw. Managerinnen weit verbreitet sei. Dies ist epidemiologisch jedoch nur schwer nachweisbar (Scherbaum 2017: 109; Geschwinde 2013: 506). Verlässliche Aussagen sind auch deswegen nur schwer zu treffen, weil der Kokainhandel in Europa weitgehend abgeschottet und nicht auf den Straßenhandel angewiesen ist (Geschwinde 2013: 469).

      3.5.2 Substanz und Konsumformen

      Kokain ist ein kristallines Pulver, das meist durch ein Rohr intranasal geschnupft wird. Das Verfahren bedarf einiger Utensilien, die oftmals so gewählt werden, dass sie auf eine Exklusivität der Droge verweisen, wie z. B. Dosierungslöffel aus Gold, zusammengerollte Banknoten als Saugrohr, kostbare Aufbewahrungsbehälter (Scherbaum 2017: 109, 112). Kokain kann zudem über ein Einreiben in die Schleimhäute absorbiert werden. Des Weiteren kann es kann auch gespritzt werden; diese Konsumform ist aber wesentlich seltener verbreitet (Scherbaum 2017: 110f).

      3.5.3 Wirkungsweise

      Je nach Aufnahmeweise tritt die Kokainwirkung innerhalb von Sekunden bis zu wenigen Minuten ein. Es kommt zu einer euphorischen Grundstimmung bei innerer Erregung, begleitet von dem Gefühl gesteigerter Energie und Kreativität. Das Schlafbedürfnis ist vermindert, Depressionen werden vertrieben, Belastendes wird zwar nicht verdrängt, verliert aber seine Bedeutsamkeit im Bewusstsein.

      Es entsteht das Gefühl, leistungsfähiger, stärker und intelligenter zu sein und sich besser konzentrieren zu können. Das Denken ist beschleunigt und assoziationsreich. Die Konsumenten und Konsumentinnen stehen unter dem Eindruck, dass sie bislang schwer lösbare Probleme nun klar durchdenken können. Dabei ist die Fähigkeit zur Selbstkritik deutlich vermindert.

      Das soziale Kontaktverhalten ändert sich ebenfalls. Der Rededrang ist gesteigert bei gleichzeitigem Gefühl geistreicher Schlagfertigkeit, allerdings meist einhergehend mit abnehmender Fähigkeit zu kritischer Distanz (›Laberdroge‹). Hemmungen, auch sexueller Art, sind bei gesteigertem Selbstbewusstsein bis zur Distanzlosigkeit und Aggressivität vermindert und die euphorische Grundstimmung kann bei als feindselig empfundenen Bewegungen und Reaktionen unvermittelt umschlagen und zu Gewaltdelikten führen (Scherbaum 2017: 114; Geschwinde 2013: 503ff; Thoms 2012: 164ff).

      3.5.4 Risiken und Folgeschäden

      Kokainkonsum ist von schwerwiegenden körperlichen Risiken begleitet wie zerebrale Krampfanfälle, Herzinfarkt in Folge Verengung der Herzkrampfgefäße sowie Hirnblutungen (Scherbaum 2017: 115).

      Da der Kokainrausch etwa ein bis zwei Stunden mit äußerst unangenehmen Symptomen wie starken depressiven Verstimmungen, Missmut, Antriebsschwäche, vermehrtem Schlafbedürfnis bei gleichzeitiger Unfähigkeit zu schlafen ausklingt, entsteht sehr schnell ein ausgeprägtes Suchtmittelverlangen (Craving). Zudem entwickelt sich schnell eine Toleranz, die eine Dosissteigerung nach sich zieht. Es kann sich ein ausgeprägter Kokainkonsum auch ohne psychotropen Effekt entwickeln, der in einem Zustand völliger Erschöpfung endet (Scherbaum 2017: 116; Geschwinde 2013: 509f).

      Kokain zählt zu den Drogen, von denen die stärkste Suchtgefahr ausgeht. Neben schweren Depressionen können sich Symptome einer »Kokain-Psychose« wie Realitätsverlust, paranoide und schließlich schizophrenieähnliche Zustände einstellen. Ein erheblicher Teil der Abhängigen leidet unter Verfolgungsängsten und Halluzinationen, insbesondere taktile Mikrohalluzinationen (Scherbaum 2017: 116; Geschwinde 2013: 550f).

      3.6 Alkohol

      3.6.1 Hintergrund

      Alkohol hat eine jahrtausendealte Geschichte als Nahrungs-, Genuss- und