Soziale Arbeit in der Suchthilfe. Marion Laging. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Laging
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170390164
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assoziativen Gesichtspunkten, ideenflüchtiges Denken;

      • Störungen der Konzentration und Aufmerksamkeit: erhöhte Ablenkbarkeit, abnorme Reizoffenheit (Störungen des Kurzzeitgedächtnisses), abnorme Fokussierung der Wahrnehmung, Ausrichtung auf irrelevante Nebenreize;

      • Verlust des Zeitgefühls und Evidenzerlebnisse; das Gefühl, neue Einsichten (vergleichbar mit mystischen religiösen Erlebnissen), das Gefühl des Verschmelzens des Selbst und der Welt oder das Gefühl, Visionen zu haben;

      • unangenehme oder überwältigende Rauscherlebnisse bei sehr hoher Dosierung (Täschner 2005: 111–124; Geschwinde 2013: 42; Scherbaum 2017: 46f).

      3.2.4 Risiken und Folgeschäden

      Im Vergleich zum Trinkalkohol oder zu Heroin sind Cannabis-Produkte relativ ungiftig, da bereits geringe THC-Mengen die erwünschte Wirkung hervorbringen und die akute Toxizität bei der biogenen Form der Droge relativ gering ist. Die Gefahr einer Vergiftung bzw. Überdosierung besteht demnach kaum. Unter den akuten Risiken sind Beeinträchtigungen der Fahrsicherheit und andere Unfallgefahren zu nennen (Geschwinde 2013: 39). In seltenen Fällen und bei hohen Dosen kann es zu Panikreaktionen, paranoiden Zuständen und psychotischen Symptomen kommen (Hoch et al. 2012: 129). Alle weiteren Risiken und Schäden können nicht über den Substanzkonsum an sich, sondern nur im Zusammenhang des jeweiligen Konsummusters, der Lebenslagen und der psychischen Verfasstheit der Konsumenten und Konsumentinnen sinnvoll betrachtet werden.

      So ergeben sich hinsichtlich der psychischen Wirkungen offenbar nur als relativ gering einzustufende Gefahren für ältere und bereits in ihrer Persönlichkeit gefestigte Cannabis-Konsumenten – soweit kein exzessiver Cannabis-Missbrauch erfolgt und Haschisch bzw. Marihuana eher die Funktion von »recreational drugs« bzw. »Freizeitdrogen« haben (Geschwinde 2013: 74).

      Wird ein regelmäßiger Konsum im Jugendalter aufgenommen, besteht die Gefahr, dass alterstypische Entwicklungsaufgaben (z. B. Erprobung intimer Partnerschaften, Schul- und Berufsausbildung) nicht mehr bewältigt werden können. In diesem Zusammenhang steht das sogenannte amotivationale Syndromm, das mit dem Witz »Kiffen macht gleichgültig? – Mir doch egal« Eingang in das Alltagswissen gefunden hat. Das amotivationale Syndrom wird vor allem bei langanhaltendem Konsum beobachtet. Es bedeutet, dass die Konsumenten und Konsumentinnen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und in ihrem Antrieb eingeschränkt sind, Interesse an Hobbies und/oder an schulischen/beruflichen Entwicklungen verlieren und die Fähigkeit, spontan und schnell Entscheidungen treffen zu können, stark eingeschränkt ist (Scherbaum 2017: 48). Anhand dieser Merkmale hat die WHO eine spezifische Abhängigkeit vom Cannabis-Typ im ICD-10 klassifiziert (image Kap. 11). Die Symptome werden aber oftmals von den Betroffenen selbst nicht als quälend, sondern als Ausdruck des eigenen Lebensstils beschrieben (Geschwinde 2013: 77). Andere bewerten das amotivationale Syndrom als Folge der Dauerintoxikation, so dass es nach der Entgiftung behoben sei (Scherbaum 2017: 48).

      Cannabisabhängigkeit ist unbestritten eine äußerst schwerwiegende Folge und zeigt sich – wie andere Abhängigkeiten auch – in einem heftigen Suchtmittelverlangen, Vernachlässigung üblicher Aufgaben im privaten wie im beruflichen Leben, aber auch durch Symptome wie Toleranzbildung und Auftreten von Entzugssymptomen. Typische Entzugssymptome sind innere Unruhe, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Hitze- oder Kälteschauer sowie verminderter oder gesteigerter Appetit. Die psychischen Beschwerden sind oft so stark, dass die Entwöhnung nicht selbstständig bewältigt werden kann. Demgegenüber ist die körperliche Entzugssymptomatik milder als beim Opiat- oder Alkoholentzug (Scherbaum 2017: 48f, 76; Geschwinde 2013: 76).

      Etwa 80 Prozent der Cannabis-Abhängigen weisen komorbide psychische Störungen wie etwa depressive Störungen oder Angsterkrankungen auf. Menschen mit einer schizophrenen Erkrankung konsumieren sehr viel häufiger als die allgemeine Bevölkerung. Zudem verwenden offenbar auch Konsumenten und Konsumentinnen mit schweren Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, wie beispielsweise dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), in Form einer Selbstmedikation Cannabis-Produkte zur Affekt- und Impulsregulierung (Geschwinde 2013: 78; Hoch et al. 2012: 129f).

      Cannabiskonsum kann bei manchen Personen eine drogeninduzierte Psychose auslösen, die einen eigengesetzlichen Verlauf nehmen kann, auch wenn inzwischen eine Cannabisabstinenz erreicht wurde. Cannabiskonsum scheint ein eigenständiger Risikofaktor im Zusammenhang mit anderen Risikofaktoren für die Entwicklung einer schizophrenen Psychose zu sein (Scherbaum 2017: 49f; Geschwinde 2013: 42; Reichel und Zilker 2009: 92), dies aber nur in äußerst seltenen Fällen (Täschner 2005: 128).

      Kognitive Funktionen sind während des Rausches beeinträchtigt (s. o.). Es finden sich aber auch kognitive Defizite in den Bereichen von Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit bei regelmäßigem Konsum. Neuere Studienzeigen, dass eine Intelligenzminderung auch noch nach längerer Abstinenz von Cannabis feststellbar ist (Scherbaum 2017: 50).

      Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass die Wirkungen auf jugendliche Konsumenten und Konsumentinnen sehr viel ausgeprägter und die Risiken einer Abhängigkeitsentwicklung besonders hoch sind, wenn bereits im Jugendalter mit regelmäßigem Konsum begonnen wird (Scherbaum 2017:49; Geschwinde 2013: 78).

      Seit ca. 15 Jahren werden die mit dem Cannabiskonsum verbundenen Gesundheitsrisiken zunehmend gravierender eingestuft. Dies hängt damit zusammen, dass sich riskantere Konsummuster entwickeln, der THC-Gehalt der Cannabisprodukte sich kontinuierlich erhöht und die Konsumentenkreise sich ausweiten. Dementsprechend verliert der Typus des selbstidealisierenden »unkonventionellen Freizeitkiffers« an Bedeutung (Geschwinde 2013: 75). Zudem korrespondieren, wie es bislang meist der Fall war, Cannabiskonsum und eine liberale Einstellung nicht mehr unbedingt miteinander. Konsumenten und Konsumentinnen sind heute vielmehr auch in rechtsextremen und gewaltgeneigten Gruppen anzutreffen (ebenda).

      3.3 LSD

      3.3.1 Hintergrund

      LSD (Lysergsäurediethylamid) wird gewöhnlich halbsynthetisch aus dem Mutterkornpilz gewonnen (Geschwinde 2013: 97). Es ist das am stärksten wirksame Halluzinogen (Scherbaum 2017: 126; Geschwinde 2013: 110). Auf der Suche nach Medikamenten gegen Migräne und gegen die Parkinson’sche Erkrankung wurde LSD erstmals bei der Firma Sandoz in Basel im Jahr 1938 durch Dr. Hofmann synthetisiert (Scherbaum 2017: 126; Geschwinde 2013: 99). Die psychotropen Wirkungen wurden jedoch erst im Jahr 1943 durch Zufall entdeckt, als Sandoz-Mitarbeiter Dr. Hofmann versehentlich LSD zu sich nahm und es bei diesem ersten ›Trip‹ zu kaleidoskopartig verändernden bunten Halluzinationen und einer Verwandlung akustischer Wahrnehmungen in optische Empfindungen kam (Geschwinde 2013: 100; Scherbaum 2017: 126f).

      Im Jahr 1949 wurde LSD durch die Firma Sandoz in den USA eingeführt. Man erhoffte sich zum einen durch die Herstellung von »experimentellen Psychosen« und »Modellpsychosen« nähere Erkenntnisse über die Entstehung der Schizophrenie, zum anderen wurde LSD im Rahmen psychoanalytisch orientierter Psychotherapie eingesetzt (Geschwinde 2013:100; Scherbaum 2017: 127). Zu den Grundgedanken solcher psychotherapeutischen Versuche gehörte, dass die Rauscherlebnisse ähnlich wie ein Traum etwas über den Berauschten erfahrbar machen und so einen Zugang zu den unbewussten Konflikten eröffnen (Scherbaum 2017: 127; Geschwinde 2013: 100). Diese Hoffnungen erfüllten sich aber im Wesentlichen nicht, so dass sich der Einsatz in den 1960er Jahren insbesondere in der Psychoanalyse deutlich verringerte.

      Danach gab es immer wieder sporadische Ansätze, LSD sowie Ecstasy und Psilocybin therapeutisch zu nutzen. Heute wird der Einsatz von LSD beim sogenannten Clusterkopfschmerz sowie in der Psychotherapie von Krebspatienten im Endstadium diskutiert (Scherbaum 2017: 127; Geschwinde 2013: 101).

      Parallel zur therapeutischen Nutzung setzte in den 1950er Jahren in Nordamerika ein starkes Interesse von Armee und CIA an LSD unter dem Aspekt einer »psycho-chemischen Kriegsführung« ein (Psycho-Kampfstoffe). Es stellte sich aber heraus, dass eine Beherrschbarkeit des Wirkstoffeinsatzes generell nicht erreichbar war (Geschwinde 2013: 101f).

      Ausgehend von der LSD-Psychotherapie