Maschinenraum. Walter Gröbchen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Gröbchen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783903184657
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gekaperten Runtastic-Werte auf die Schliche. Und in die Quere. Er meinte – vollkommen zu Recht übrigens –, ich solle meine Scherze doch mit jemand anderem treiben, aber nicht mit ihm. Ehrenwort, kommt nicht wieder vor!

      Dabei ist die Instant-Fitness-Dokumentation die positive Seite eines generellen Online-Exhibitionismus, die zwischen lässlicher Eitelkeit und bedrückenden Einblicken in die Intimsphäre Fremder oszilliert. All die Pulsuhren, Fettanalyse-Waagen, Activity Tracker und Körpervermessungsinstrumente gieren als »Smart Meters« ja förmlich danach, nicht nur ihrem Besitzer Einblick in seinen Gesundheitszustand zu geben, sondern das auch gleich dem gesamten digitalen Universum mitzuteilen. Und ehrlich gesagt, das will und muss ich nun wirklich nicht wissen (und schon gar nicht augenblicklich), dass Ihr Blutdruck mit dem Lesen dieser Kolumne bedenklich angestiegen ist.

      SPAGHETTI MIT PESTIZID

      Die Autokorrektur dient angeblich unserer Bequemlichkeit. Im Alltag ist sie eine Geißel der Menschheit.

      Eine Zeit lang ist’s ja halbwegs lustig. Vor allem, wenn es anderen passiert, und nicht einem selbst. »Der Kapitän der Costa Cordalis wurde wegen fahrlässiger Tötung zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt«, steht da etwa zu lesen. Jedermann weiß, dass das Unglücksschiff den Namen Costa Concordia trägt und nicht jenen eines Schlagersängers. Vielleicht ist’s ja auch nur eine probate Ausrede für eigene Flüchtigkeitsfehler und Fehlleistungen – da hat wieder einmal, heißt es dann zumeist, die Autokorrektur zugeschlagen.

      Tatsächlich nervt die gut gemeinte, in der Praxis aber ungut gemeine Einrichtung höllisch. Diese Funktion, die modernen Computer-Schreibprogramme, Smartphones und Tablets, aber auch Social-Media-Textfeldern standardmäßig innewohnt, sorgt regelmäßig für Buchstabendreher, Verschreiber und Pannen. Oft peinlichster Natur. Da wird rasch mal aus einem »eleganten Körper« ein »Elefantenkörper«, aus einem »Meeting« plötzlich »Petting«, aus einer »Flugbuchung« eine »Pflugbuchung«, aus dem kleinen »Maxi« ein »Nazi« und aus »Spaghetti mit Pesto« ein Menü mit »Pestizid«. Fail! Schnell getippt und kurz unaufmerksam, schon ist die falsche Botschaft – Sigmund Freud hätte seine Freude dran gehabt! – auf dem Weg zum Empfänger, der/die dann oft reichlich konsterniert aus der Wäsche schaut. Wenn Wortschatz und Formulierungskunst des Benutzers die beschränkte Künstliche Intelligenz des Geräts übersteigen, ist das Unglück quasi vorprogrammiert.

      Nun kann natürlich die Autokorrektur-Funktion, übl(ich)erweise noch ergänzt durch eine automatische Ergänzung von Worten und ganzen Phrasen, ausgeschaltet werden. Es gelten aber die zwei elementaren Grundregeln des technischen Universums. Erstens: Der richtige Schalter ist immer in der falschen Position. Zweitens: Sollte er in der richtigen Position sein, ist es der falsche Schalter. Jedenfalls funkt die Autokorrektur, auch wenn man sie tausendmal deaktiviert, wie von Zauberhand wieder dazwischen. Meist im unpassendsten Moment.

      »Der größte Irrsinn aber ist«, bemerkte ein Leser des Standard in einer einschlägigen Sammlung denkwürdiger Fehlleistungen, »dass zumindest das iPhone beim Drücken von Senden das letzte Wort automatisch ersetzt – und man gar keine Chance mehr hat zu kopulieren.«

      EINBRECHER, BITTE MELDEN!

      Bequemlichkeit hat ihren Preis. Bei »Smart-Home«-Produkten ist er auf den ersten Blick oft erstaunlich niedrig.

      Ein entfernter Freund, der vormalige Spitzenmanager und Philosoph Z., hat neulich einen bemerkenswert sarkastischen Satz fallen lassen. »Industrie 4.0 heißt übrigens auch«, so der Wortlaut seines Postings, »es kommt die Zeit, in der die Haushaltsgeräte intelligenter sein werden als viele ihrer Besitzer.« Na bumm. Lassen wir einmal den Industrie-Komplex beiseite – darüber hören wir eh immer Leute wie Hannes Androsch deklamieren, die sich wohl eher auf ihre offiziösen, überbezahlten Aufsichtsfunktionen im Banken- und Staatsgetriebe konzentrieren sollten …

      Aber zurück zum Thema: der Verschmelzung maschineller Intelligenz mit unserer alltäglichen Lebenswelt. Da ist tatsächlich allerhand in Gang.

      Nehmen wir einmal das viel zitierte »Smart Home« her. Also die Idee, Haus und Hof technisch ins 21. Jahrhundert zu befördern. Im Baumarkt wuchern die Regale mit elektronischen Lego-Bausteinen für die eigenen vier Wände mittlerweile rapide in die Höhe. Ich selbst habe aktuell zu Testzwecken das »Home Control Starterpaket« des rührigen deutschen Anbieters devolo auf dem Schreibtisch drapiert – wo es eigentlich nichts verloren hat. Denn ein Tür/Fenster-Kontakt gehört nun mal an Tür oder Fenster, die Schalt- und Messsteckdose braucht Strom; Funkschalter, Rauch- und Bewegungsmelder sowie Raumthermostat müssen integriert und vernetzt werden. »Umständliches Kabelverlegen und Bohren entfällt«, verheißt die Bedienungsanleitung – schließlich nutzt man Powerline-Adapter und den Funkstandard Z-Wave zur digitalen Kommunikation. Und setzt zudem – wer nicht? – auf eine eigene, spezialisierte App, die man sich gratis aufs Handy (pardon: Smartphone) lädt.

      Andere Anbieter fügen zum Portfolio, das Heizung, Licht und Gerätsteuerung abdeckt, noch Webcams und Alarmanlagen hinzu. Stichwort: Gebäudesicherheit. Was ich wirklich gern machen würde – leider habe ich noch keinen partner in crime gefunden –, wäre ein beinharter Check der tatsächlichen Brauchbarkeit solcher Smart-Home-Baukästen. Gerade in Sachen Einbruch und Diebstahl. Nötigt diese vorgeblich von Laien in Minuten installierte Infrastruktur Profi-Einbrechern Respekt ab – oder lässt es sie in Sekundenschnelle in schallendes Gelächter ausbrechen? Sorglos nämlich: Einen Geräuschmelder kennt das devolo-»Home-Control«-Gadget-Buffet nicht. Dafür eine Fernbedienung um wohlfeile 39 Euro.

      Die zentrale Frage lautet also: Können Haushaltsgeräte tatsächlich intelligenter sein als ihre Besitzer und Benützer? Und, wenn ja: Würden Sie sich selbst auf die Einkaufsliste setzen?

      UNGEHEUER MASCHINENSTEUER?

      Eine »Maschinensteuer« brauchen wir nicht, tönt es aus konservativen Industrie-und Politik-Bastionen. Und was, wenn doch?

      Der Job einer Supermarktkassiererin ist sprichwörtlich: mühsam, oft stupide, unterprivilegiert, schlecht bezahlt. Aber es ist ein Job. Und die Damen – ich sehe kaum Männer an den Kassen – meines Stamm-Einkaufszentrums in Wien-Favoriten machen ihn gut. So gut, dass Kunden nicht selten ein Lächeln über die Lippen kommt. Ein flotter Gruß. Und das eine oder andere Wort der Anerkennung für die routinierte, gelassene, zügige Abwicklung der Konsumentenschlange vor der Bezahlschranke. Hart erarbeiteter Respekt.

      Nun hat die Geschäftsleitung der Supermarktkette beschlossen, Selbstabwicklungskassen zu installieren. Versuchsweise zunächst. Zusätzlich zu den personalisierten Kassen gibt es jetzt Automaten, die es ermöglichen, seinen Einkauf selbst abzurechnen. Es klappt nicht auf Anhieb (und oft, ähnlich wie bei den Ticketautomaten am Flughafen, nur unter absurden Widerspenstigkeiten), aber es ist wohl die Zukunft. Noch flüchten sich die humanoiden Kassen-Profis in die Perspektive, dass Maschinen fehleranfällig sind, der Erklärung bedürfen und überwacht werden müssen. Aber es liegt die Ahnung eines Umbruchs in der Luft. Die netten Damen mit den flinken Fingern werden ihren Job verlieren. Die Supermarktkette wird vice versa mehr Profit machen. Solange es noch Supermärkte gibt.

      Ich mag das Wort »Maschinensteuer« nicht. Es ist kalt, es ist technokratisch, es verheißt – und ja, ich bin selbst Unternehmer – nur eine drückende Steuer mehr. Aber wir werden als Gesellschaft nicht umhinkommen, über das Thema Arbeit zu reden. Und die bereits heute merkbaren Faktoren, die unsere Vorstellung davon und die gelebte Praxis des Arbeitsmarkts auf den Kopf stellen. Das Automatenkassen-Exempel ist in diesem Kontext fast banal, aber recht plakativ. Disruptive Technologien und Entwicklungen nennen es Experten, eine neue industrielle Revolution (Kennziffer 4.0), das »Internet der Dinge«, das auch vor unserem Büro nicht Halt macht. Und schon gar nicht vor dem Fabrikfließband.

      Weltumspannende Konzerne, die mehr und mehr unseren zunehmend digitalen Alltag bestimmen, gerieren sich als Garanten des Fortschritts und omnipotenter Glücksverheißungen. Der Staat als jahrtausendealte Institution der menschlichen Selbstorganisation hat da vergleichsweise graues Haar auf dem müden Kopf,