Maschinenraum. Walter Gröbchen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Gröbchen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783903184657
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Idee ließ unzählige Bedenkenträger und Querulanten hinter den Büschen hervorspringen. Dass Fachleute zwar forderten, den Quellcode (die DNA des Programms) offenzulegen und einige Details nachzuschärfen, sonst aber wenig Übles diagnostizierten, beruhigte die Gemüter kaum. Misstrauen rules OK. Nun denn: Teert mich, federt mich, sprecht Gebete und politische Bannflüche! Ich habe es getan. Ich habe die Corona-App runtergeladen.

      Um sie zu testen. Sie macht eigentlich nichts anderes, als per digitalem »Handshake« auf Knopfdruck eine Art anonymisiertes Begegnungstagebuch anzulegen. Sollte ich eine Benachrichtigung erhalten, weiß ich, dass ich potenziell angesteckt wurde. Mehr nicht. Es werden weder meine Spaziergänge getrackt noch mein YouPorn-Konsum entlarvt, und es gibt auch, pardon!, keine Direktverbindung mit dem Führerbunker von Sebastian Kurz. Lästern mag man eventuell über die Finanzierung der App-Entwicklung durch einen Versicherungskonzern. Oder darüber, dass man einmal mehr einen eigenen Weg geht und nicht auf ähnliche, rückhaltlos transparente Konkurrenzprodukte im EU-Ausland setzt. Da wir freilich im Zeitalter des ritualisierten Misstrauens leben, solche Apps aber einer gewissen Verbreitung bedürfen, um zu funktionieren, ist das Ding leider schon tot. Derweil Covid-19 noch quicklebendig unter uns weilt.

      WELTMASCHINE, HALT!

      Allerorten wird ein Neustart beschworen. Sollte man nicht zuvor die Fahrtrichtung festlegen?

      Was ich gelernt habe: dass einer Pandemie menschliche Meinungsverschiedenheiten egal sind, in ihrer Vorhersehbarkeit eventuell sogar todlangweilig. Wobei: Das harmlose Wort »Meinungsverschiedenheit« trifft es nicht ganz. Die Bannflüche, Justament-Standpunkte, Expertisen und Gegenexpertisen, die akut von allen verfügbaren Kanzeln im Glaubenskrieg des 21. Jahrhunderts verkündet werden, lassen die Vermutung zu, dass neben Covid-19 noch ein zweites Virus grassiert, das vorrangig Gehirnzellen angreift. Die einen orten es in Menschenschlangen, die erwartungsfroh vor Baumärkten in Reih’ und Glied stehen. Das sind eher die harmloseren Fälle. Die anderen ordnen es Kassandrarufern zu, die lautstark das dicke Ende kommen sehen, aber die Implikationen genauso verdrängen (müssen) wie ihre vermeintlichen Widersacher. Ich frage Sie: Sitzen wir nicht alle im selben Boot? Es leckt gewaltig, so viel ist sicher.

      Was ich noch gelernt habe: Der Götze unserer Zeit ist »die Wirtschaft« – etwas, das ich bislang für ein eher banales Mittel zum Zweck hielt. »Ziel der Wirtschaft«, schlage ich umgehend in Gablers Wirtschaftslexikon nach, »ist die Sicherstellung des Lebensunterhalts und, in ihrer kapitalistischen Form, die Maximierung von Gewinn und Lust mithilfe unternehmerischer Freiheit, zugleich die Erzeugung von Abhängigkeit, ob von Anbietern oder Produkten, bis zum – nicht unbedingt gewünschten, aber erwartbaren – Kollaps des Systems.« Na bitt’-schön. Das klingt jedenfalls nicht nach einem Werbefuzzi der Wirtschaftskammer. Wenn der Kollaps eines Systems »erwartbar« ist – und man muss jetzt weder Bill Gates, den Club of Rome, Naomi Klein oder Greta Thunberg bemühen –, dann sollten wir den Warnschuss, den die Menschheit gerade abbekommen hat, doch nicht ungehört verhallen lassen. Sofern man überhaupt an einen glücklichen Ausgang der Geschichte glaubt. Wenn die Wiedergeburt eines schwer rekonvaleszenten Patienten darin besteht, dass er in den nächsten Konsumtaumel verfällt, darf man ruhig daran (ver)zweifeln. Aber vielleicht hilft ja frisch geernteter Spargel mit Schmierspuren virulenter Profitgier über die nächste Depression.

      Was ich weiters gelernt habe: Menschen lösen sich nicht von ihren kleinlichen Problemchen, Psycho-Defiziten und Sichtweisen, selbst wenn ringsum die Welt untergeht. Zu wenig persönlicher Freiraum beim strikt lebensnotwendigen Fitnesslauf im Schlosspark? Skandal! Unvollständig ausgefüllte Formulare im Kampf mit der Krisen-Bürokratie? Abmahnung! Immer noch Autos, die in den weithin leeren Begegnungszonen der Gegenwart unterwegs sind? Sofort das Waffenrad gesattelt! Selbst die Warnrufe der ewigen Kämpfer für das Wahre, Gute, Schöne (und die perfekte Demokratie sowieso) bekommen mitunter einen schneidenden Ton. Das Falter-Abo bleibt trotzdem aufrecht!

      Was ich nicht gelernt, aber geträumt habe: dass Gsellmanns Weltmaschine – bitte googlen, wenn Ihnen das gar nichts sagt – das perfekte Kunstwerk und Sinnbild für unser Dasein ist. Die Maschine läuft nie rund, man kennt ihren Zweck nicht, ihr Erbauer hat sich längst absentiert. Sie produziert auch nichts. Aber das Ding lässt uns ahnen, dass jemand einst einen Plan hatte. Er ist verloren gegangen.

      ALLTAG

      »Jede hinreichend fortschrittliche Magie ist von Technologie nicht zu unterscheiden.«

      Arthur C. Clarke

      »Wenn ich die Folgen geahnt hätte, wäre ich Uhrmacher geworden.«

      Albert Einstein

      »Die verdammte Technik verändert unser aller Leben, fragt uns aber nie, ob sie das darf. Ich prangere das an.«

      Vanessa Wieser

      CAT CONTENT

      Heute kauft man nicht mehr die Katze im Sack, sondern im Internet. Oder besser auch nicht.

      Und nun, um mit Monty Python zu sprechen, zu etwas ganz anderem. Ich weiß nicht wirklich, ob die Geschichte eine Ente ist, wiewohl sie von einer Katze handelt, aber: selten so gelacht. Diese Woche fand sich in Österreichs Zeitungslandschaft – off- und online, Zeitungen bestehen ja nur noch bedingt aus Papier – flächendeckend die Meldung von einem Internet-Betrugsfall. Einem der herzzerreißenden Sorte. Samt allen Ingredienzien für eine Story, aus der jeder wirklich populistische Schlagzeilen-Texter eine Stadt und Land aufwühlende Titelgeschichte gemacht hätte.

      Die Geschichte geht so: Eine junge Frau aus Thalgau bei Salzburg beschließt, sich ein Haustier zuzulegen. Sie geht im Internet auf die Suche und findet eine Adresse, wo eine »britische Kurzhaarkatze« angeboten wird. Auf ihre E-Mail-Anfrage, wie sie denn zu der Mieze komme und zu welchem Preis, folgt postwendend der Hinweis, die Katze selbst koste nichts, aber für den Transport aus Kamerun müsse sie ein Flugticket übernehmen. Das aber sei – Hauskatzen sind ja keine Königstiger – mit 100 Euro recht günstig. Die potenzielle Besitzerin willigt ein. Dann aber folgen, man ahnt es bereits, weitere Depeschen, Botschaften und Hinweise aus Afrika. Es seien noch diese und jene kleinen Beträge für Versicherung, Impfungen, EU-Pass, Quarantäneaufenthalte, Transportkisten und »gewisse Papiere« (so die APA) auszulegen. Das Geld werde aber gewiss zurückerstattet. Und sodann alles hurtig klappen wie versprochen.

      Nun: Nach insgesamt dreiundzwanzig (!) Überweisungen ist die junge Salzburgerin insgesamt 22.051 Euro los. Aber die Katze immer noch nicht da. Schließlich nimmt sich – die Dame war nun doch allmählich stutzig geworden – die Polizei der Sache an. Ich fürchte, mit wenig durchschlagendem Erfolg.

      Ein Lehrstück über die unwägbaren Gefahren des dunklen Kontinents Internet? Oder doch eher Stoff für eine Tragikomödie über die ewige Schwachstelle Mensch? Entscheiden Sie selbst. Wenn Sie in den Leserforen der Presse nachgraben – einige Kommentare zu dieser Story sind wirklich zum Zerkugeln. Ein gewisser »Fidel Gastro« etwa meint da trocken: »Die Katze kam nie an: ein weiteres Argument für den verstärkten Ausbau von Glasfaserleitungen.« Andere zitieren Einstein (»Die Dummheit des Menschen und das Universum sind unendlich. Nur beim Universum bin ich mir nicht so sicher.«). Oder schlagen gar eine gerichtlich bestellte Sachwalterin für die Katzennärrin vor.

      Ich sage nur: Wäre das World Wide Web eine bessere Welt als die reale, hätte ihr schon ein Facebook-Freund eine lebendige, miauende Trostspenderin überreicht. Gratis.

      KURSZIEL SKLAVENFABRIK

      Apple hat an der Börse mittlerweile sogar Microsoft überholt. Aber es gibt nicht nur Gewinner.

      Ich bereue ja nicht allzu viel in meinem bisherigen Leben. Aber wirklich, pardon!, in den Arsch beißen könnte ich mich für die fatale Unterlassung, ein paar Euro in Aktien der Firma Apple Inc. gesteckt zu haben. Etwa am 25. April 2003, da kostete so ein Anteilsschein gerade mal 5 Euro 90 Cent. Und ich sagte dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt – als früher Besitzer eines iPods und wohlbestallter Berater