O du fröhliche, o du tödliche. Mila Roth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mila Roth
Издательство: Bookwire
Серия: Spionin wider Willen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783967110319
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      Sie rief erneut nach Bella und ging zusammen mit der Hündin zurück ins Haus. Die Pralinen deponierte sie sicherheitshalber in einem der Küchenschränke, denn sie wollte sich keine Erklärung einfallen lassen müssen, woher sie kamen.

      Im Wohnzimmer waren die Kinder inzwischen eifrig dabei, das Papier, die bunten Schleifen und anderes Verpackungsmaterial in einem großen Karton zu verstauen. Linda nahm gerade die DVD des gewünschten Films aus der Hülle und legte sie in den Player.

      Still setzte Janna sich in einen Sessel. Vom Anfang des Films bekam sie nicht allzu viel mit, denn ihre Gedanken kreisten ohne ihr Zutun immer wieder um die Pralinen und den Mann, der sie auf der obersten Stufe zu ihrem Haus hinterlassen hatte. Warum hatte er sich nicht gemeldet? Er hätte ihr eine SMS schreiben oder sogar anrufen können. Stattdessen hatte er sein Geschenk einfach abgelegt und war wieder verschwunden. Wie ein Geist ... oder ein Geheimagent eben. Wahrscheinlich hatte er einfach nicht stören wollen, aber weshalb hatte er den Weg überhaupt auf sich genommen? Er hätte ihr die Pralinen auch mit der Post schicken oder ein andermal überreichen können.

      Janna knabberte an der Unterlippe. Kaum jemand, den sie kannte, käme um diese Zeit am Heiligen Abend auf die Idee, durch die Weltgeschichte zu fahren. Ihre Freunde und Bekannten waren jetzt ganz sicher alle damit beschäftigt, mit ihren Lieben zu feiern.

      Da lag vielleicht der Hund begraben, überlegte sie. Markus hatte keine »Lieben«, mit denen er feiern konnte. Sicher, da waren sein Vater und dessen Frau, aber soweit sie es verstanden hatte, herrschte zwischen Vater und Sohn nicht die innige Verbundenheit, die sie aus ihrer eigenen Familie kannte. Markus hatte ihr erzählt, dass er am Weihnachtsabend meistens zum Essen ins HellHole ging, den kleinen Irish Pub in der Bonner Innenstadt. Vermutlich war es nicht nur das Essen, sondern auch die Gesellschaft anderer Menschen, die er dort suchte. Wer wollte an Weihnachten schon ganz allein sein?

      Während sich Macaulay Culkin mit den beiden Einbrechern herumschlug und um Janna herum immer wieder schallend gelacht wurde, nagte dieser Gedanke an ihr. Markus war ihr in den vergangenen Monaten so etwas wie ein Freund geworden. Und selbst er, der sich normalerweise weigerte, jedwede Bindung einzugehen, hatte sie bei ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer wissen lassen, dass er sich ihr durchaus freundschaftlich verbunden fühlte. Eine Tatsache, über die sie noch nicht weiter nachgedacht hatte, denn sie vermied es meistens, sich über den verschlossenen und manchmal auch arroganten Agenten zu viele Gedanken zu machen. Nun hatte er sich jedoch hartnäckig in ihrem Kopf festgesetzt und ließ sich nicht mehr vertreiben. Das machte sie unruhig, und in ihr wuchs das Bedürfnis, sich persönlich für das Geschenk zu bedanken. Ob sie ihn anrufen sollte? Vielleicht hatte er ja gerade nur schnell die Pralinen hier abgelegt und war dann zu seiner Freundin gefahren. Wie hieß sie noch gleich? Celine!

      Sie versuchte sich die junge Frau vorzustellen, deren Stimme sie einmal kurz übers Handy gehört hatte. Fröhlich und ein bisschen keck, vollkommen unkompliziert. Mit solchen Frauen umgab sich Markus sicherlich schon immer, boten oberflächliche Beziehungen mit ihnen doch kaum Fallstricke. Wenn er genug von einer hatte, zog er zur nächsten weiter.

      Halt, nein, er konnte gar nicht mit Celine zusammen sein. Hatte er nicht auf der Rückfahrt vom Schwarzwald, wo sie ihr letztes gemeinsames Abenteuer bestanden hatten, erzählt, dass sie über die Feiertage zum Skifahren in den Alpen sein würde?

      Um Janna herum brandete erneut Gelächter auf, und sie bemühte sich, ihre Aufmerksamkeit auf den Film zu richten. Es gelang ihr nicht. Nach weiteren fünf Minuten des Haderns mit sich richtete sie sich im Sessel auf. »Ich muss noch mal weg.«

      »Was?« Überrascht setzte sich auch Linda auf. »Wohin denn?«

      Da sich die Augen aller Anwesenden auf Janna richteten, drückte Bernhard rasch die Pausetaste auf der Fernbedienung.

      Janna hätte sich ohrfeigen mögen, doch nun musste sie sehen, wie sie aus der Sache heil herauskam. »Ja, wisst ihr, ich bin noch von ein paar Leuten eingeladen worden ... vom Institut.«

      »Dem Meinungsforschungsinstitut, für das du neuerdings so oft arbeitest?« Feli grinste. »Sind da ein paar gute Typen dabei? Dann komme ich mit.«

      »Äh, nein, nicht wirklich.« Janna räusperte sich. Markus wäre ganz sicher Felis Typ, doch auf solche Komplikationen sollten sie wohl verzichten. Ganz abgesehen davon, dass besser niemand in ihrer Familie von Markus oder den anderen Agenten erfuhr, auch wenn sie offiziell alle in der Meinungsforschung arbeiteten. »Es ist nur so, dass ich mich vielleicht doch mal dort sehen lassen sollte.«

      »Ja, warum eigentlich nicht«, sprang ihr Vater ihr bei. »Ob du hier mit uns alte Filme schaust oder eine schöne Zeit mit deinen neuen Kollegen verbringst. Unser Familienprogramm hier ist ja schließlich durch. Und es ist immer gut, sich nicht von solchen Feiern auszuschließen, vor allem, wenn man längerfristig mit Leuten zusammenarbeiten möchte.«

      »Da hast du vollkommen recht«, stimmte Linda ihm zu. »Wer weiß, vielleicht stellen sie dich ja doch mal fest ein. Dann ist es wichtig, dass du dich mit deinen Kollegen gut verstehst.«

      Janna atmete erleichtert auf. »Es macht euch also nichts aus, wenn ich jetzt noch mal wegfahre?«

      »Nein, nein, ganz bestimmt nicht. Hab einen schönen Abend!« Linda lächelte ihr herzlich zu. »Aber nimm ein Taxi zurück, falls du etwas trinken möchtest.«

      »Äh, nein, das ist sicher nicht nötig. Ich trinke doch sonst auch nie viel Alkohol. Ich fahre nur kurz dort vorbei und ... na ja, schaue, was so los ist. Bestimmt bin ich in zwei Stunden wieder hier.«

      »Pfff, das rentiert sich doch überhaupt nicht.« Frank grinste. »Wenn du schon auf eine Betriebsfeier gehst, amüsier dich wenigstens gut. Warum ist die eigentlich ausgerechnet heute?«

      Janna hob die Schultern. Das hatte sie gar nicht bedacht. »Ähm, na ja, sie fängt erst spät an, damit alle vorher noch mit ihren Familien feiern können. Ist wohl eine Tradition dort.«

      »Was willst du denn anziehen?« Feli musterte sie eingehend. Janna trug blaue Jeans, braune Stiefeletten und einen cremefarbenen, figurbetonten Kaschmirpullover mit V-Ausschnitt. Dazu passten das einfache Silberkettchen mit einem Anhänger in Form einer Rosenblüte und die gleichartigen Ohrstecker ganz ausgezeichnet.

      Janna blickte an sich hinab. »Ich wollte mich eigentlich nicht extra umziehen. Was soll an meinen Klamotten nicht stimmen?«

      Feli lachte auf. »Gar nichts, Schwesterlein. Du siehst toll aus. Ich wollte dich nur testen. Wenn du dich nicht extra noch in Schale wirfst, gibt es anscheinend wirklich keine heißen Kerle in diesem Institut. Papa, schalt bitte den Film wieder an. Die Party scheint sich für mich nicht zu lohnen.«

      Schmunzelnd schüttelte Janna den Kopf über ihre Schwester und erhob sich, um sich ihren braunen Kurzmantel aus Wolle überzuziehen und ihr Handy einzustecken. Rasch packte sie es in ihre Handtasche, warf noch einen kurzen Blick in den Flurspiegel und fuhr sich ordnend durch die Locken. Dann eilte sie noch einmal ins Wohnzimmer zurück und drückte den Zwillingen jeweils einen Kuss auf den Scheitel. »Gute Nacht, ihr zwei. Hört auf Tante Linda und Onkel Bernhard und benehmt euch.«

      »Hm.« – »Ja, ja«, kam es im Chor von den beiden, die bereits wieder in den Film vertieft waren.

      »Viel Spaß!«, rief Linda ihr nach.

      Janna verließ das Haus und ging zu ihrem dunkelblauen Golf V, den sie in der Garage rechts neben dem Gutshaus untergestellt hatte. Der Nieselregen hatte aufgehört, doch das Pflaster und die Straße glänzten nass. Rasch klemmte sie sich hinters Steuer.

      Was tat sie hier eigentlich? Stirnrunzelnd fuhr Janna mit den Fingern übers Lenkrad. Manchmal hatte sie den Eindruck, sie sei von allen guten Geistern verlassen, seit sie Markus kannte. Wäre es nicht viel klüger, einfach wieder ins Haus zu gehen und mit ihrer Familie den Film anzuschauen?

      Ach was! Bevor sie es sich doch noch anders überlegen konnte, startete Janna den Motor und lenkte den Wagen in Richtung Rheinbach.

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