»Ich spiele aber nicht gern mit Mädchen, die so schlechte Kleider anhaben.«
»Und ich spiele nicht gern mit solchen Mädchen, wie du bist. Mutti hat gesagt, wer sich auf sein schönes Kleid was einbildet und wer auf Kinder herabsieht, die nicht so schön angezogen sind, der ist ein dummer oder ein schlechter Mensch. – So, Meta, das kannst du dir merken.«
»Sei doch froh, dass du noch einen Vater hast, der dir alles kaufen kann«, sagte Rose Scheele. »Da wirst du wohl mit mir auch nicht gern spielen, denn wir sind auch arm.«
»Doch, mit dir spiele ich gern.«
»Na warte«, rief Pucki erregt, »eines Tages musst du auch oben hinauf in die blauen Wolken. Dann holt dich das Männchen mit den beiden Hörnern und klebt dich als Stern an den Himmel.«
»Was ist das für ein Männchen?« fragte Meta.
»Du kannst den Wagen am Abend am Himmel ganz deutlich sehen, mit dem das hochmütige Mädchen fahren sollte. Hast du noch nie den Wagen am Himmel gesehen? Eine Deichsel hat er auch.«
»Ich habe ihn schon gesehen«, rief Rose Scheele. »Wenn abends die Sterne scheinen, sieht man den Wagen ganz deutlich oben am Himmel. Er hat eine lange Deichsel, und unsere Lehrerin sagte: der Polarstern steht immer in der Nähe des Wagens.«
»Ich habe noch keinen Wagen am Himmel gesehen«, sagte Meta.
»Ja«, sagte Pucki, »du guckst nur auf dein schönes Kleid und nicht nach den Blümchen und den lieben Sternlein. Eines Tages wirst du auch ein Stern.«
»Warum denn?«
»Weil du so hochmütig bist wie die schöne Prinzessin, die ein so hübsches Gesicht hatte, dass sie sich einbildete, ganz was Besonderes zu sein.«
»Ich habe auch ein hübsches Gesicht«, sagte Meta.
»Darum wirst du auch bald an den Himmel geklebt werden! Also, die Prinzessin wollte nur den zum Manne haben, der den schönsten Hochzeitswagen hätte. Er sollte furchtbar glitzern. Eines Tages kam ein König, der hatte einen goldenen, herrlich schönen Hochzeitswagen. Da sollte die Prinzessin einsteigen. Aber sie sagte: ›Nein, er glitzert noch nicht genug. Er muss so blinkern wie die Sterne am Himmel.‹ Da reiste der König durch die ganze Welt, um so blitzende Steine zu finden wie die Sterne. Schließlich traf er ein kleines Männchen, das hatte zwei Hörner auf dem Kopf. ›Ich will dir helfen‹, sagte das Männchen, ›ich fliege zum Himmel und hole dir die schönsten Sterne herab. Dafür verlange ich deine und der Prinzessin Seele.‹ Der König sagte: ›Ja, die kannst du haben.‹
Um Mitternacht brachte ihm das Männchen vier richtige Sterne, die wurden an den vier Wagenecken angenagelt. Aber der König war damit noch nicht zufrieden und verlangte von dem kleinen Männchen, es möge ihm noch drei Sterne bringen, die er an der Wagendeichsel befestigen wollte. Das geschah. Und nun wurden die Sterne angeschraubt, einer vorn, einer in der Mitte und der dritte hinten in der Nähe des Wagens. Jetzt glaubte der König, dass der hochmütigen Prinzessin diese schöne Brautkutsche gefallen würde. Er fuhr mit dem goldenen Wagen und den blitzenden Sternen vor und sagte: ›Nun steig ein, nun heirate ich dich!‹ Aber die garstige Prinzessin zog die Nase kraus und antwortete: ›Wohl sind die sieben Diamanten genau so hell und strahlend wie die Sterne am Himmelszelt Aber heller als diese Diamanten leuchtet die Sonne. Bringe mir einen Diamanten, der so glitzert wie die Sonne, dann will ich dir angehören!‹
Sehr traurig ging der König wieder zu dem kleinen Männchen und klagte ihm sein Leid. Da lachte der und verzerrte dabei grimmig sein Gesicht. ›Den Diamanten‹, sagte er, ›soll die Prinzessin haben, aber sie muss ihn sich selber holen. Ich werde euer Kutscher sein, ihr steigt in den herrlichen Wagen, und ich fahre euch hin zu dem Diamanten, der so hell strahlt wie die Sonne.‹
Die Prinzessin war damit einverstanden, denn sie wollte durchaus den Diamanten haben. Kurz vor Mitternacht fuhr der Hochzeitswagen vor, an dem die sieben Sterne hell leuchteten. Das kleine Männchen saß auf dem Kutschbock. Aber kaum war die Prinzessin in den Wagen gestiegen, da hob sich der Wagen mit ihr in die Luft. Immer höher und höher ging der Flug. Da krachte ein fürchterlicher Donner, und eine Stimme rief aus den Wolken: ›Nun ist es genug mit dem Hochmut. Glaubt ihr dummen Menschen, ihr könntet mir die Sterne vom Himmelszelt stehlen?‹
Darauf entstand ein furchtbares Blasen und Sausen. Der Wagen stürzte um, der Kutscher stieß ein kicherndes Lachen aus, mit der einen Hand packte er den König, mit der anderen die Prinzessin und zog sie hinab in die Hölle. Der Wagen aber stieg immer höher und höher bis in die Wolken. Dort steht er noch heute. Von dem Gold und Silber, mit dem er geschmückt ist, kann man durch die dicken Wolken nichts sehen, aber die sieben Sterne leuchten durch die Wolken hindurch.«
Die Kinder hatten der Erzählung Puckis aufmerksam zugehört.
»Ich habe aber noch keinen Wagen gesehen«, sagte Meta kleinlaut.
»O doch«, rief Rose, »du musst nur aufpassen! An jedem Abend, wenn die Sterne scheinen, kannst du ihn finden. Einmal hat ihn uns die Lehrerin gezeigt.«
»Hat er auch Räder?«
»Freilich«, meinte Pucki, »es gibt doch keinen Wagen ohne Räder. Die sind aber nur von Gold und Silber, und das blitzt nicht durch die Wolken durch.«
»Dann will ich heute abend den Wagen suchen«, sagte Meta.
»Ich auch«, riefen einige andere Mädchen.
»Es wird schon nicht wahr sein«, meinte Meta. »Du erzählst immer so dummes Zeug, Pucki.«
»Dir erzähle ich überhaupt nichts mehr!«
»Ich fürchte mich«, flüsterte Paula Weinert. »Vielleicht kommt mal an einem Abend solch ein Männchen mit einem Horn zu mir.«
Das Försterskind lachte. »Ach, ich fürchte mich überhaupt nicht. Ich gehe mitten in der Nacht in den Zauberwald zu Pucki und Mucki und zu der Waldfrau. Dann kommen rasch die kleinen Heinzelmännchen und gehen neben mir her. Dann erzählen wir uns was und setzen uns auf einen Baumstamm.«
»In der Nacht?« fragte Paula.
»Ja, wenn es so finster ist, dass man gar nichts mehr sieht.«
»Aber Pucki«, mahnte Rose sanft, »du bist doch noch nie nachts in den Wald gegangen, das würden deine Eltern nicht erlauben. Das darf man auch nicht tun.«
»Aber ich würde schon in den Wald gehen, weil ich mich gar nicht fürchte. Der Onkel Oberförster hat auch gesagt, ich bin ein mutiges Mädchen, mich kann man nicht anführen.«
»Du hast immer einen so großen Mund, Pucki«, sagte Meta ärgerlich.
»Der Onkel Oberförster muss es wissen.«
»Eines Tages ist mal ein Gespenst im Walde –«
»Hahaha«, lachte Pucki, »der Vati sagt, Gespenster gibt es nicht, das sind nur Märchen. Wenn mal ein Gespenstankommt, dann gehe ich drauf los und sage: Das ist alles Schwindel.«
Vom Garten her erscholl ein lautes Lachen. Pucki sah auf und bemerkte ihren Freund, den Oberförster Gregor. Der schien schon längere Zeit dort zu stehen und den Worten der Kinder zuzuhören. Pucki lief sogleich zu ihm hin.
»Nicht wahr, Onkel Oberförster, ich bin doch ein mutiges Mädchen?«
»Geh mal ins Zimmer, Pucki, und stecke sogleich eine schwarze Bohne ins Himmelskästchen. Sieh dir auch die Blume genau an, die auf dem Deckel aufgeklebt ist. Du weißt schon, welche ich meine.«
Pucki senkte den Kopf. Sie wusste genau, dass der Oberförster sie an das Löwenmaul erinnern wollte.
»Du hast doch gesagt«, erwiderte sie kleinlaut, »dass man mich nicht anführen kann.«
»Na, na«, sagte Herr Gregor verschmitzt, »wir wollen mal abwarten.«
Später