Gerhard Tötschinger
Vom Schaumburgergrund
ins Lichtental
Gerhard Tötschinger
Vom Schaumburgergrund
ins Lichtental
Die Wiener Bezirke IV bis IX
Wiener Geschichten für Fortgeschrittene
Mit 110 Abbildungen
und ausführlichem Register
AMALTHEA
Besuchen Sie uns im Internet unter: www.amalthea.at
© 2016 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker, OFFBEAT
Umschlagmotiv: Die Mariahilfer Straße mit der alten Laimgrubenkirche,
handkoloriertes Glasdiapositiv, um 1905
© IMAGNO/Österreichisches Volkshochschularchiv
Layout: Franz Hanns
Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten
Gesetzt aus der 10/14 Excelsior LT Std
ISBN 978-3-99050-034-7
eISBN 978-3-903083-19-6
Inhalt
Vorwort
1850 wurden zahlreiche Vororte und Vorstädte eingemeindet. Vorstädte hießen die Siedlungen zwischen Bastei und Linienwall, und waren sie noch so klein. Vororte lagen außerhalb des Linienwalls – und waren sie noch so groß. Wien wuchs mit einem Schlag, und als bald danach die Basteien fielen und die Ringstraße die alte Stadt zur modernen Metropole machte, muss das Leben für die noch im Biedermeier aufgewachsenen Menschen spannend, vielleicht seltsam gewesen sein.
Aus Hungelbrunn und dem Schaumburgergrund, Nikolsdorf, Matzleinsdorf, Hundsturm, Reinprechtsdorf, Laurenzergrund, Laimgrube, Windmühle, Magdalenengrund, Gumpendorf, Altlerchenfeld, St. Ulrich, Schottenfeld, Spittelberg, Alservorstadt, Breitenfeld, Strozzigrund, Michelbeuern, Himmelpfortgrund, Thurygrund, Althangrund, Rossau und Lichtental wurden die Bezirke IV bis IX: die Wieden, Margareten, Mariahilf, der Neubau, die Josefstadt, der Alsergrund.
Wir werden nicht chronologisch vorgehen, was heißt hier überhaupt logisch? Eine wörtlich logische Ordnung kann es in solch einem Buch nicht geben. Auch werden wir nicht exakt von Gasse zu Gasse wandern. Eine Vielzahl ausgezeichneter Bücher hat im Laufe der Jahrhunderte Spazierwege vorgestellt, wir schlagen keine Wanderrouten vor. Da oder dort wird der Ton sehr persönlich werden, wenn der Autor von seiner eigenen Wien-Geschichte eingeholt wird.
Und Bauwerke, die ohnehin in jedem Stadtführer ausführlich präsentiert werden, die also selbst von Besuchern aus dem Ausland leicht zu finden sind, werden wir vernachlässigen. So werden Karlskirche und Votivkirche weniger Platz einnehmen als jene Ziele, die man nicht so leicht selbst entdeckt.
Manches ist Folge der langen Vortragsreihe, mit der ich mich schon mehrmals durch alle Bezirke geredet habe. So danke ich zum Beispiel einem jungen Paar, das ab dem 3. Bezirk immer wieder im Auditorium war, dass ich die lange gesuchte Erzählung von Heimito von Doderer Ein anderer Kratki-Baschik endlich in Händen hielt, danke manchen Wien-Kennern, die mich auf Details ihres Heimatbezirks hingewiesen haben.
Zwischen der Stadtmauer und dem Glacis wuchsen im Laufe der Jahrhunderte viele Dörfer, ihre Namen haben sie an Straßen, Gassen, Plätze weitergegeben. Die prominentesten dieser kleinen Siedlungen bewiesen ihre besondere Bedeutung, wenn ganze neu geschaffene Bezirke die früheren Ortsbezeichnungen übernahmen.
Die Wieden ist fast so alt wie Wien, abgesehen von der Zeit der Kelten und der Römer. Ein Stiftungsbrief von Herzog Leopold VI. nennt den Dorfnamen im Jahr 1211. Er hat nichts mit einer Weide zu tun, auch wenn er im Bezirkswappen so interpretiert wird. Er kommt von Widum, gemeint – ein Pfarrgut.
Wer flanierende Touristen beobachtet, mag sich vielleicht manchmal wundern, dass der eine oder die andere einen eigenen Reiseführer für die Wieden in der Hand hält – das sind Reisende aus Polen, dort heißt Wien eben Wieden.
Die frühen Bewohner siedelten sich entlang einer Straße an, der einzigen, der Wiedner Hauptstraße. Sie verlässt das alte Wohngebiet, steigt an bis zur Höhe der Spinnerin am Kreuz, noch ein Blick zurück auf die schon ferne Stadt – und man ist auf dem Weg in den Süden. Der uralte Verkehrsweg führte und führt zuerst zu den Verwandten im Herzogtum Kärnten und weiter an die Adria, nach Venedig, nach Bologna und Rom.
Verließ man die Stadt durch das Kärntnertor, so bewegte man sich ab dem 15. Jahrhundert zuerst zwischen Zäunen, Mäuerchen, Gräben, einer zahmen Verlängerung der Stadtmauer, querte den Wienfluss über die Steinerne Brücke, fuhr oder ritt vorbei am Laszlaturm oder durch seine Tore. Der war ein eindrucksvolles Bollwerk.
Der Weg über den Wienfluss in den Süden, Albertinischer Plan
Der Albertinische Plan von 1455 nennt nur die wichtigsten Bauten Wiens mit Namen. Deutlich zu sehen sind das blaue Band der Wien, die Steinerne Brücke und gleich rechts Kirche und Spital »Zum heiligen Geist«. Die eingangs erwähnte Stiftung von 1211 betraf diese soziale Institution. Die Ordensbrüder kümmerten sich nicht nur um das Seelenheil der armen Insassen, sondern auch um ihre medizinische Versorgung, um Körperpflege. Der Orden stand in enger Verbindung zum Vatikan, das war Leopold VI. bei seiner Stiftung wohl bewusst gewesen. Almosen zu geben, Gutes zu tun war ja Christenpflicht, und man sicherte sich auf diese Weise einen günstigen Start ins Jenseits.
Bald