Das kommt nicht wieder. Georg Markus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902998453
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der Kabinettsmitglieder, nahm an den Sitzungen des Ministerrats teil, beriet den Regenten in seinen Staatsgeschäften. Nicht immer zum Nutzen der Nation. Nach intensiven Geheimverhandlungen, die sie mit dem österreichischen Botschafter auf einem ihrer Landsitze außerhalb von Paris geführt hatte, konnte sie Ludwig überreden, ein Bündnis mit Österreich zu schließen, das seit dem Erbfolgekrieg Frankreichs Erzfeind gewesen war. Die Allianz mit Maria Theresia trug Ludwig freilich den Siebenjährigen Krieg und damit eine Katastrophe ein: Frankreich verlor Kanada sowie seine Besitzungen in Indien und Afrika.

      Hintergrund des diplomatischen Ehrgeizes der Pompadour war wohl ihr abgrundtiefer Haß gegen Preußens König Friedrich II., der sie einmal als Hure bezeichnet hatte. Die Mätresse pflegte im Zuge ihrer außenpolitischen Mission Kontakte auf allerhöchster Ebene, korrespondierte mit Österreichs Staatskanzler Kaunitz und mit Maria Theresia, die ihr für ihre Bemühungen ein wertvolles Schreibpult schenkte. Für den bis dahin vielgeliebten König bedeutete der verlorene Krieg aber auch das Ende seiner Popularität im französischen Volk.

      Zu Weihnachten 1763 fanden sich der gerade achtjährige Wolfgang Amadeus Mozart mit Schwester Nannerl und Vater Leopold in Versailles ein, wo sich König und Königin sowie Madame Pompadour vom Orgelspiel des Wunderknaben ergriffen zeigten. Erstaunt berichtete Nannerl später über die Begegnung: »Als sich Wolfgang im Zuge der Begrüßung auch zur Pompadour hinüberneigte, um sie zu küssen, wehrte sie ihn ab.« Der geniale Knirps war’s gewöhnt, mit Küssen überhäuft zu werden, selbst Kaiserin Maria Theresia hatte das getan. Über die Zurückweisung der Pompadour einigermaßen verwundert, zeigte Mozart auf die Mätresse und fragte seinen Vater: »Wer ist die da, die mich nicht küssen will?«

      Es ist keineswegs anzunehmen, daß die Pompadour den kleinen Mozart brüskieren wollte, eher scheint es, daß sie das Kind vor der Gefahr einer Ansteckung schützen wollte: als die Mozarts in Versailles weilten, litt sie bereits an offener Tuberkulose.

      Sie starb im darauffolgenden April im Alter von 42 Jahren. Ihre Handleserin hatte recht behalten: die kleine Jeanne-Antoinette Poisson war tatsächlich mächtiger geworden als die Königin von Frankreich.

      Der König suchte nun eine Nachfolgerin. Sie sollte nicht nur – wie zuletzt die Pompadour – warmherzige, liebevolle Beraterin sein, sondern vor allem wieder Geliebte. Obwohl sich viele adelige Damen als Mätressen anboten, entschied Ludwig sich einmal mehr für ein Mädchen aus dem Volke. Es hieß Jeanne Bécu – und ging als Madame Dubarry in die Geschichte ein.

      Als sie in Versailles einzog, saß der Schock noch tiefer als bei der Pompadour, da der Regent dem Hof mit der Dubarry eine stadtbekannte Prostituierte als Tischdame zumutete. Tatsächlich war Jeanne Bécu – die uneheliche Tochter einer Näherin und (wie man vermutete) eines Mönchs namens Frère Ange – wegen ihrer makellosen Schönheit und ihres Charmes in der höchsten Pariser Gesellschaft »herumgereicht« worden. Ihr Tätigkeitsfeld war der Salon des polizeibekannten Grafen Jean Dubarry. Der Graf war das schwarze Schaf einer angesehenen Familie und verdiente sein Geld als Vermittler zwischen Aristokratie und halbseidener Damenwelt. Zur ebenso zahlreichen wie zahlungskräftigen Kundschaft der schönen Jeanne zählte der Herzog von Richelieu, der einst einer der erbittertsten Gegner der Pompadour war.

      Im Jahre 1768 sandte Graf Dubarry seine beste Kokotte ins Schloß von Versailles, in dem auch die Regierungsmitglieder saßen, aus deren Reihen die Damen immer wieder ihre »Aufträge« erhielten. Es war wohl kein Zufall, daß König Ludwig just in dem Augenblick das Zimmer eines Ministers betrat, als sich die 25jährige Schönheit gerade dort befand. Der Monarch beauftragte seinen Kammerdiener, augenblicklich Nachforschungen anzustellen, wer die junge Frau sei, und dieser meldete – nicht gerade zutreffend –, daß es sich um eine »verheiratete Frau von tadellosem Ruf« handelte. Nach dem ersten Rendezvous mit ihr vertraute der König dem (von ihren Vorzügen ohnehin einschlägig informierten) Herzog von Richelieu an: »Ich bin entzückt von Madame Dubarry, sie ist die einzige Frau in ganz Frankreich, die mich vergessen läßt, daß ich demnächst sechzig werde.«

      Ludwig fühlte sich in ihrer Gesellschaft so jung, daß er sie bald zur Favoritin erwählte, obwohl er inzwischen natürlich von ihrer wahren Profession erfahren hatte. Um bei Hof überhaupt vorgelassen zu werden, benötigte sie freilich einen Ehemann – wenn möglich einen Aristokraten. Da Graf Jean Dubarry – der sonst für alle nur möglichen Geschäfte zur Verfügung stand – bereits verheiratet war, vermittelte er seinen Bruder Guillaume Dubarry als Gatten für die kleine Jeanne.

      Jetzt hatte das Kind einen Namen, wenn auch – aufgrund der allseits bekannten Begleitumstände – keinen wirklich hoffähigen. Infolge ihres Vorlebens war die Dubarry in Versailles noch größeren Anfeindungen ausgesetzt als irgendeine andere Mätresse davor, wobei Marie Antoinette zu ihrer mächtigsten Gegnerin wurde. Die erst fünfzehnjährige Frau des Thronfolgers und späteren Königs Ludwig XVI. weigerte sich, die Geliebte ihres Schwiegergroßvaters auch nur anzusprechen, geschweige denn an der Hoftafel oder bei anderen offiziellen Anlässen mit ihr Konversation zu betreiben. »Wie schade«, schreibt sie im Sommer 1770 an ihre Mutter Maria Theresia nach Wien, »daß der König eine solche Schwäche für Mme du Barry zu haben scheint, die das dümmste und frechste Geschöpf ist, das man sich vorstellen kann.« Maria Theresia sandte einen strengen Verweis, doch es sollte eineinhalb Jahre dauern, bis die Situation bereinigt war.

      Endlich beim Neujahrsempfang 1772 blickte Marie Antoinette »ungefähr in die Richtung« der Dubarry und sprach die historisch gewordenen Worte: »Heute sind viele Leute in Versailles, Madame.« Damit war die Mätresse von der Thronfolgerin akzeptiert und der Etikette Genüge getan.

      Die Dubarry führte ein noch aufwendigeres Leben als die Pompadour, erhielt vom König Schlösser und riesige Ländereien, wertvollen Schmuck und teure Kleider. Doch obwohl sich in der Bevölkerung zahlreiche Details ihrer Verschwendungssucht herumsprachen, verstand sie es besser als ihre Vorgängerin, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Die Dubarry zeigte keine politischen Ambitionen, aber sie half, wo sie nur konnte, wurde zu einer Anlaufstelle für Arme und vom Schicksal Benachteiligte.

      Als der König 1774 starb, wurde Madame Dubarry vom Hof gejagt, und sie mußte zwei Jahre als Gefangene hinter Klostermauern verbringen. Danach durfte sie sich auf eines ihrer Güter zurückziehen, und auch aus dieser Zeit ist noch die eine oder andere stürmische Liebesaffäre der ehemaligen Kurtisane überliefert.

      Wie ihre schärfste Widersacherin Marie Antoinette endete auch die Dubarry, knapp fünfzig Jahre alt geworden, auf dem Schafott der Französischen Revolution.

      Sowohl Pompadour als auch Dubarry waren wohl besser als ihr Ruf.

      Amor in der Hofburg

       Seitensprünge im Kaiserhaus

      Frankreich war das Mekka des Mätressentums, doch hatten auch englische und polnische Regenten, ja sogar mehrere Päpste, ihre Kurtisanen. Nur jene Gespielinnen, zu denen die Herrscher in aller Öffentlichkeit standen, wurden »Mätressen« genannt, die Liebschaften der Habsburger werden im allgemeinen nicht so bezeichnet, da man sie meist geheimhielt.

      Anders bei Katharina Schratt, deren Beziehung zu Kaiser Franz Joseph in allen Teilen der Monarchie bekannt war, die aber stets nur als »Seelenfreundin« bezeichnet wurde. Da sie auch als – überaus angesehene – Schauspielerin des Burgtheaters tätig war, täte man ihr wohl unrecht, sie Mätresse zu nennen.

      Wie auch immer, Kaiserin Elisabeth war schon nach wenigen Ehejahren ständig auf Reisen, und so hatte Franz Joseph bald bei anderen Frauen Trost gesucht. Weniger bekannt als die Beziehung zur Schratt ist des Kaisers Verhältnis mit Anna Nahowski, der Gattin eines Beamten der k. u. k. Südbahngesellschaft. Der Monarch hatte die erst Fünfzehnjährige 1875 während eines Spaziergangs im öffentlich zugänglichen Kammergarten von Schönbrunn kennengelernt und ihr später eine Villa in der Maxingstraße geschenkt, in der er sie vierzehn Jahre lang regelmäßig besuchte. Der Liaison entstammen, wie wir den Tagebüchern der Anna Nahowski entnehmen können, zwei illegitime Kinder: Helene, die später den Komponisten Alban Berg heiratete, und Franz Josef, ein begabter Maler, der aber infolge einer Nervenkrankheit mehrere Jahre in Heilanstalten verbringen mußte und schließlich Selbstmord