Ethik. Baruch de Spinoza. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Baruch de Spinoza
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849636500
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daß nur eine von derselben Natur da sei, wie in dem Lehrsatz angenommen wurde.

      Lehrsatz 9. Je mehr Realität oder Sein jedes Ding hat, desto mehr Attribute kommen ihm zu.

      Beweis. Dieser folgt aus Definition 5.

      Lehrsatz 10. Jedes Attribut einer Substanz muß aus sich begriffen werden.

      Beweis. Denn Attribut ist das, was der Verstand, als das Wesen der Substanz ausmachend, erkennt (nach Def. 4), und also (nach Def. 3) muß es aus sich begriffen werden. W. z. b. w.

      Anmerkung. Hieraus erhellt, daß, wenn auch zwei Attribute als real verschieden begriffen werden, das heißt eines ohne Vermittlung des andern, wir daraus doch nicht schließen können, daß sie zwei Seiende oder zwei verschiedene Substanzen bilden; denn es gehört zur Natur der Substanz, daß jedes ihrer Attribute aus sich begriffen werde, da alle Attribute, welche sie hat, in ihr immer zugleich waren und eines nicht von dem anderen hervorgebracht werden konnte, sondern jedes die Realität oder das Sein der Substanz ausdrückt. Weit entfernt also, daß es widersinnig wäre, einer Substanz mehrere Attribute zuzuschreiben, ist vielmehr in der Natur nichts klarer, als daß jedes Seiende unter einem Attribute begriffen werden müsse, und daß je mehr Realität oder Sein es habe, es auch desto mehr Attribute habe, welche Notwendigkeit oder Ewigkeit und Unendlichkeit ausdrücken, und folglich ist auch nichts klarer, als daß das absolut unendlich Seiende notwendig definiert werden müsse (wie wir Def. 6 getan) als das Seiende, welches aus unendlich vielen Attributen besteht, von denen jedes eine ewige und unendliche bestimmte Wesenheit ausdrückt. Fragt man aber, durch welches Kennzeichen wir also die Verschiedenheit der Substanzen unterscheiden können, so lese man die folgenden Lehrsätze, welche zeigen, daß es in der Natur der Dinge nur eine Substanz gibt und daß diese absolut unendlich ist, weshalb man nach einem solchen Kennzeichen umsonst suchen würde.

      Lehrsatz 11. Gott, oder die aus unendlichen Attributen bestehende Substanz, von denen jedes eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt, existiert notwendig.

      Beweis. Verneint man dies, so nehme man, wenn es möglich ist, an, daß Gott nicht existiert. Also (nach Ax. 7) schließt sein Wesen sein Dasein nicht ein. Nun ist dies (nach Lehrsatz 7) widersinnig, folglich existiert Gott notwendig. W. z. b. w.

      Anderer Beweis. Von jedem Dinge muß eine Ursache oder ein Grund bezeichnet werden, sowohl warum es da ist, als auch warum es nicht da ist. Z. B. wenn das Dreieck da ist, muß es einen Grund oder eine Ursache geben, warum es da ist; wenn es aber nicht da ist, muß es auch einen Grund oder eine Ursache geben, welche verhindert, daß es da ist, oder welche sein Dasein aufhebt. Dieser Grund oder diese Ursache muß aber entweder in der Natur des Dinges, oder außerhalb derselben liegen. Z. B. der Grund, warum es keinen viereckigen Kreis gibt, wird von seiner Natur angegeben, nämlich weil das einen Widerspruch enthält. Hingegen warum die Substanz da ist, folgt aus ihrer bloßen Natur, weil sie nämlich das Dasein in sich schließt (siehe Lehrsatz 7). Der Grund aber, warum der Kreis oder das Dreieck da sind, oder, warum sie nicht da sind, folgt nicht aus ihrer Natur, sondern aus der Ordnung der ganzen Körperwelt; denn aus dieser muß folgen, daß entweder das Dreieck notwendig bereits da ist, oder daß es unmöglich ist, daß es jetzt existiert. Dies ist an sich klar. Hieraus folgt, daß dasjenige notwendig da ist, wovon es keinen Grund und keine Ursache gibt, die dasselbe hinderte, da zu sein. Wenn es daher keinen Grund und keine Ursache geben kann, welche hinderten, daß Gott da ist, oder welche sein Dasein aufheben, so ist durchaus zu schließen, daß er notwendig da ist. Wenn es aber einen solchen Grund oder eine solche Ursache gäbe, so müßte es sie entweder in Gottes Natur selbst, oder außerhalb derselben geben, d. h. in einer anderen Substanz von fremder Natur. Denn wäre sie von derselben Natur, so wird eben dadurch zugestanden, daß es Gott gibt. Eine Substanz aber, die von fremder Natur wäre, könnte nichts mit Gott gemein haben (nach Lehrsatz 2), mithin dessen Dasein weder setzen noch aufheben. Da es also einen Grund oder eine Ursache, die das göttliche Dasein aufhöben, nicht außerhalb der göttlichen Natur geben kann, so wird sie, wenn er nämlich nicht da ist, notwendig in seiner Natur selbst liegen müssen, was demnach einen Widerspruch enthielte. Aber dies von dem absolut unendlichen und höchst vollkommenen Seienden zu behaupten, ist widersinnig, und deshalb gibt es weder in Gott, noch außer Gott irgendeinen Grund oder eine Ursache, welche sein Dasein aufhöbe, und folglich existiert Gott notwendig. W. z. b. w.

      Anderer Beweis. Möglicherweise nicht existieren, ist Unvermögen; dagegen existieren können, ist Vermögen (wie an sich klar). Wenn daher das, was jetzt notwendig da ist, nur endliche Seiende sind, so sind also endliche Seiende mächtiger, als das absolut unendliche Seiende, dies ist aber (wie an sich klar) widersinnig; daher existiert entweder überhaupt nichts, oder das absolut unendliche Seiende existiert auch notwendigerweise. Nun sind wir entweder in uns da, oder in einem anderen, das notwendig da ist (siehe Ax. 1 und Lehrsatz 7), also ist das absolut unendliche Seiende, d. h. (nach Def. 6) Gott, notwendig da. W. z. b. w.

      Anmerkung. In diesem letzten Beweise habe ich Gottes Dasein a posteriori erweisen wollen, damit der Beweis leichter gefaßt würde, nicht aber deshalb, weil aus derselben Grundlage das Dasein Gottes nicht auch a priori sich ergebe. Denn, da möglicherweise Existieren Vermögen ist, so folgt, daß, je mehr Realität der Natur eines Dinges zukommt, es desto mehr Kräfte aus sich habe, da zu sein; und daß so das absolut unendliche Daseiende, oder Gott, ein absolut unendliches Vermögen, da zu sein, aus sich habe, und er darum absolut da ist. Viele werden aber vielleicht die Evidenz dieses Beweises schwer einsehen können, weil sie gewohnt sind, nur die Dinge zu betrachten, die aus äußeren Ursachen entstehen, und sie daraus, daß etwas schnell entsteht, das heißt leicht da ist, auch ersehen, daß es leicht untergeht, und sie dagegen dasjenige für schwieriger zu vollbringen, d. h. für nicht so leicht zu sein halten, wozu sie mehr erforderlich denken. Um sie aber von diesen Vorurteilen zu befreien, habe ich nicht nötig, hier zu zeigen, inwiefern der Satz: was schnell entsteht, vergeht schnell, wahr sei, noch auch, ob in Beziehung auf die ganze Natur alles gleich leicht sei oder nicht; vielmehr genügt es, dies hier zu bemerken, daß ich hier nicht von Dingen spreche, welche aus äußeren Ursachen entstehen, sondern von bloßen Substanzen, welche (nach Lehrsatz 6) von keiner äußeren Ursache hervorgebracht werden können. Denn Dinge, welche aus äußeren Ursachen entstehen, mögen sie aus vielen Teilen oder wenigen bestehen, verdanken alles, was sie an Vollkommenheit oder Realität haben, der Kraft der äußeren Ursache, und also entspringt ihr Dasein aus der bloßen Vollkommenheit der äußeren Ursache, nicht aber aus ihrer eignen. Was hingegen die Substanz von Vollkommenheit hat, verdankt sie keiner äußeren Ursache. Darum muß auch ihr Dasein aus ihrer Natur allein folgen, welche deshalb nichts anderes ist, als ihre Wesenheit. Vollkommenheit hebt daher das Dasein eines Dinges nicht auf, sondern setzt es vielmehr; wohingegen die Unvollkommenheit es aufhebt, und deshalb können wir von dem Dasein keines Dinges gewisser sein, als von dem Dasein des absolut unendlichen oder vollkommenen Seienden, d. h. Gottes. Denn weil seine Wesenheit alle Unvollkommenheit ausschließt, und die absolute Vollkommenheit in sich schließt, so hebt es eben dadurch alle Ursache des Zweifelns an seinem Dasein auf und gibt die höchste Gewißheit von demselben, was, wie ich glaube, auch bei geringer Aufmerksamkeit einleuchten wird.

      Lehrsatz 12. Kein Attribut der Substanz kann richtig begriffen werden, aus welchem folgte, daß die Substanz geteilt werden könnte.

      Beweis. Denn die Teile, in welche die Substanz, so begriffen, geteilt würde, behalten entweder die Natur der Substanz, oder nicht. Wenn das erste, dann müßte (nach Lehrsatz 8) jeder Teil unendlich sein, und (nach Lehrsatz 6) Ursache seiner selbst, und (nach Lehrsatz 5) aus einem verschiedenen Attribute bestehen, und so könnten aus einer Substanz mehrere gebildet werden, was (nach Lehrsatz 6) widersinnig ist. Hierzu kommt, daß die Teile (nach Lehrsatz 2) nichts mit ihrem Ganzen gemein hatten, und das Ganze (nach Def. 4 und Lehrsatz 10) ohne seine Teile sowohl sein wie begriffen werden könnte; daß dies widersinnig, wird niemand bezweifeln können. Wenn aber das zweite gesetzt wird, daß nämlich die Teile nicht die Natur der Substanz behalten, so würde also, wenn die ganze Substanz in gleiche Teile geteilt wäre, sie die Natur der Substanz verlieren und aufhören, zu sein, was (nach Lehrsatz 7) widersinnig