Cat steuerte den Militärtransporter mit ihrem Implantat und ließ ihn über die Rasenfläche rollen, bis er mit etwa 30 Stundenkilometern gegen die Außenwand prallte. Der Transporter bohrte sich durch das Mauerwerk und blieb auf halbem Weg stecken.
Jetzt hatte Cat durch die Kameras und Sensoren des Fahrzeugs Zugriff auf den Innenraum. Sie teilte die Daten mit Helena.
Im Inneren gab es nichts außer einem unnatürlich glatten Boden, der sich von der Vorder- bis zur Rückwand erstreckte.
»Es sind jetzt schon über 60 Grad«, warnte Helena. »Und das EMF geht durch die Decke.«
»Keine Spur von den Arbeitern, die letzten Freitag hier reingegangen sind.«
Cat hakte nach, stellte fest, dass der Transporter ein einfaches Spektrometer hatte, und scannte damit den Boden: Silizium, seltene Erden, Spuren von Kohlenstoff und Eisen.
Helena sah die Messwerte ebenfalls. »Das ist verdammte Nano«, rief sie und machte einen Schritt zurück.
Cat öffnete eine Drei-Wege-Verbindung zu Mike und Helena und übertrug alle ihre Daten. »Ich habe noch nie einen Nanosee von dieser Größe gesehen«, rief sie. »Die Nano ist inaktiv, aber offensichtlich einsatzbereit und darauf programmiert, irgendetwas zu unternehmen. Strahlt wie verrückt Hitze ab.«
»Was ist mit den Arbeitern?«, fragte Mike.
»Keine Spur von ihnen«, antwortete Cat. »Was sollen wir machen? Diese Nano ist ›scharf‹. Soll ich versuchen, sie herunterzufahren?«
Wenn Helena und sie keinen Weg fänden, die Nanobots abzuschalten, dann gab es nichts, was die winzigen Maschinen nicht tun oder werden konnten: Sie konnten sich replizieren und ausbreiten, sich bis zum Erdkern durchbohren, Menschen töten oder sich in jede Art von Maschinerie oder elektronisches Gerät verwandeln. Das Zeug war unbegrenzt wandelbare, programmierbare Materie.
»Ihr macht gar nichts«, antwortete Mike rasch. »Wir haben ein Protokoll für solche Szenarien. Einen EMP. Bleibt in der Leitung.« Ein paar Sekunden vergingen. »Die Air Force wird einen räumlich begrenzten EMP auslösen. Ihr solltet mindestens achthundert Meter entfernt sein.«
»Ich denke, das Protokoll legt nahe, dass wir den Transporter da lassen, wo er ist«, sagte Cat und zeigte auf das Fahrzeug, das immer noch in der Wand des Gebäudes steckte und damit halb in der Nanosuppe.
»Willst du auf meinem Rücken reiten?«, fragte Helena. Sie konnte auf offenem Gelände über 80 Stundenkilometer erreichen.
»Ich bin doch kein Kind mehr«, sagte Cat lachend, als sie auf die Panzerhülle des Bots klopfte. Mühelos hackte sie sich in die Steuerung eines in der Nähe abgestellten Wagens. »Lass uns fahren.«
Sie entschieden, drei Kilometer Abstand zwischen sich und das Gebäude zu bringen. Es war im Moment möglicherweise der gefährlichste Ort des ganzen Landes, da nicht klar war, was das Militär vorhatte. Nur ein paar Minuten vergingen, als Cat ein sich näherndes Flugzeug hörte. Es war eine alte A10 ›Warzenschwein‹, ein absolut antikes Fluggefährt, das ohne jede Elektronik fliegen und selbst dann in der Luft bleiben konnte, wenn man ihm die Hälfte der Tragflächen weggeschossen hatte. Cat war klar, warum sie es ausgewählt hatten. Wenn der Puls ausgelöst würde, würden alle elektronischen Schaltkreise in der Umgebung durchbrennen. Der EMP würde die Nanobots, aber auch jegliche Elektronik an Bord eines Flugzeugs zerstören. Daher das altmodische Flugzeug ohne moderne Flugsysteme oder KI-Kontrolle, vermutlich gesteuert von einem Menschen ohne Neuralimplantat.
Das Flugzeug glitt über ihre Köpfe hinweg. Cat fuhr ihr Implantat herunter und Helena rollte sich zu einem Ball zusammen und wickelte ihre Tentakel um ihren Rumpf. Eigentlich waren sie weit genug entfernt, aber sie wollten auf Nummer sicher gehen.
Der EMP erzeugte keinen Ton, als er ausgelöst wurde, aber Cat spürte die Wirkung sofort, als die Hintergrundgeräusche der Stadt verstummten. Alles von der Müllabfuhr über die Ampeln bis hin zu Autos und Computern, also alles Technische innerhalb des Radius des EMP, musste jetzt ausgefallen sein. Und das schloss alles ein, was mit dem Stromnetz verbunden war, da es den Impuls übertragen würde.
Das Wummern sich nähernder Helikopter ertönte und Cat fuhr ihr Implantat wieder hoch. Sie stellte eine Videoverbindung zu Mike her. Die Kameras in seinem Büro schickten ein Signal an ihr Implantat, das die Videodaten in ihr Gesichtsfeld projizierte. Cat und Helena waren so höflich und sahen einander an, sodass Mike von beiden ein Videobild bekam.
»Was ist da los, Mike?«, fragte Cat.
»Der EMP zündete wie geplant im Ziel. Wir haben ein paar Helikopter vor Ort, die das Zielgebiet überfliegen und mit ihren EMF-Sensoren prüfen, ob die Nanotech wirklich ausgeschaltet wurde.«
Das machte Sinn. Alle elektronischen Geräte sendeten immer auf bestimmten elektromagnetischen Frequenzen. Wenn die Nanotech inaktiv war, gab es kein EMF mehr.
Mike sah nach rechts und sprach mit jemandem, den sie nicht hören konnten. »Das Militär dreht gerade durch. Sie waren nicht glücklich darüber, dass das Institut diese Mission durchführt. Sie wollen bis rauf zum Präsidenten gehen, um die Kontrolle zu übernehmen.«
»Was haben die Helikopter herausgefunden?«, fragte Cat.
»Einen Augenblick … verdammt noch mal, es kommen immer noch Messwerte rein. Die Nanotech ist noch aktiv.«
»Werdet ihr einen HEMP einsetzen?« Ein EMP in großer Höhe wurde durch einen Nuklearsprengkopf ausgelöst, der in der oberen Atmosphäre gezündet wurde, was tausendmal effektiver war, aber auch alle ungeschützte Elektronik in ganz Miami zerstören würde.
»Ja, das ist das Standardprotokoll des Instituts.« Mike sah nach rechts und sie konnten wieder beobachten, wie er jemanden anbrüllte, ohne zu hören, was gesprochen wurde.
»Bewegt eure Ärsche«, grollte Mike. »Der Präsident hat mich übergangen. Sie setzen eine Kernwaffe am Boden ein. Ihr habt fünf Minuten.«
»Machst du Witze? Wir sind hier mitten in Miami, umgeben von ein paar Millionen Menschen.«
»Nein, das ist kein schlechter Scherz. Offenbar konnten die Berater den Präsidenten davon überzeugen, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Die übliche Vorgehensweise in diesem Fall ist ein Nuklearschlag.«
»Lass mich die Nanos herunterfahren«, rief Cat. »Du hast mich gerufen, um eine Eskalation zu vermeiden. Wenn sie mit dem Netz verbunden sind, kann ich sie problemlos hacken. Verschaff mir zehn Minuten.«
»Du hast aber keine zehn Minuten«, brüllte Mike. »Die haben die Bombe schon gestartet. Ich habe keinen Einfluss auf Militäroperationen. Ihr müsst da sofort weg. Ich schicke euch die Drohne. Ihr habt nicht mehr die Zeit, zum Flughafen zu fahren. Ich muss los.«
Er trennte die Verbindung und Cat starrte Helena ungläubig an. »Das kann doch nicht sein! Das können die nicht machen!«
Helena beobachtete Cats Augen genau. »Fahr dein emotionales Feedback herunter. Du hast einen Schock. Wir brauchen dich jetzt.«
Cat nickte und justierte ihr Implantat so, dass sie wieder klar denken konnte. Die Welt wurde wieder klarer, ihre Gedankengänge präziser. Warum wollten sie eine Kernwaffe am Boden einsetzen? Das würde Millionen von Menschen töten. Die Nanotech stellte zwar ein enormes Risiko dar, aber es musste doch andere Optionen geben.
»Sie hätten ein größeres EMP einsetzen sollen«, murmelte Cat, »oder Anti-Nanotech.«
»Gut, dass du wieder die Alte bist«, sagte Helena erleichtert. »Gibt es alternative Wege, um die Nanos auszuschalten? Irgendwas, was wir zwei hier vor Ort tun können? Und wenn wir sie schon nicht deaktivieren können, kannst du dann wenigstens die Bombe aufhalten?«
Cat verstand, was Helena vorschlug. Aber sie hatten nicht viel Zeit. Sie schloss die Augen, machte ihre Flores-Meditation in genau zwei Sekunden und breitete ihr Bewusstsein über das Netz aus, bis