»Er ist tot, Hedi. Reginald von Bergen, alias Rex Borg ist tot. Wir sind frei, hörst du, wir beide sind frei, und Simone wird es nie erfahren. Er ist ausgelöscht. Und ich bleibe Alice Valborg. Ich werde Simone klarmachen, daß eine Karriere nicht das Wichtigste auf der Welt ist.« Sie umfaßte Hedis Schultern und schüttelte sie. »Das tue ich für dich, Hedi, nicht für Simone.«
Und endlich begriff Hedi. Aber dann sagte sie: »Du wirst nicht aufhalten können, was von der Vorsehung bestimmt ist, Alice. Ich kann es auch nicht, und jetzt will ich es auch nicht mehr!«
*
Simone und André saßen sich am Frühstückstisch gegenüber. Scheue Blicke wanderten hin und her. Dann versanken sie ineinander. Vicky schenkte sich die dritte Tasse Kaffee ein.
»Was ist eigentlich heute los?« fragte sie. »Warum halten sich Paps und Mami fern?«
»Frag sie doch«, sagte André.
Da trat Rolf ein. »Wir müssen jetzt ins Studio, Simone«, sagte er. »Ich habe eben mit Irene beschlossen, daß wir am Wochenende zur Insel fahren. Wir alle, wenn die Jugend nichts dagegen hat.«
»Was sollten wir dagegen haben?« fragte Vicky. »Hast du schon was vor, André?«
»Ich hatte auch die Absicht, mit Simone zur Insel zu fahren«, erklärte er, um sich schnell nur an sie zu wenden. »Wann soll ich dich heute abholen, Simone?«
»Sie braucht keine Bewachung mehr«, bemerkte Rolf. »Dieser Mann lebt nicht mehr.«
Atemlose Stille herrschte augenblicklich. »Erkläre du es den beiden, Irene«, sagte Rolf hastig, »ich erzähle es Simone auf der Fahrt.« Dann nahm er ihren Arm und zog sie mit sich.
»Ich hole dich trotzdem ab«, rief André hinterher.
»Muß Liebe schön sein«, raunte Vicky ihrer Mutter schelmisch zu. Ein Lächeln glitt über Irenes Gesicht. »Das wirst du auch noch erleben«, sagte sie gedankenvoll.
André bekam das gar nicht mit. Seine Gedanken waren noch bei Simone, und als sie dann erfuhren, wie von Bergen ums Leben gekommen war, dachte er auch nur an sie.
»Reginald von Bergen war Alices Bruder«, sagte Irene. Die beiden starrten sie fassungslos an. »Er war als Schauspieler unter dem Namen Rex Borg bekant«, fügte Irene hinzu.
»Das muß ewig her sein«, murmelte Vicky.
»Ja, es ist lange her.«
»Alice hat ihn nie erwähnt«, sagte André.
»Nicht alle Geschwister verstehen sich so gut wie ihr«, sagte Irene.
»Ich hätte zu gern gewußt, warum er hinter Simone her war«, überlegte André.
Das würden sie nie erfahren. Der Tod hatte verhindert, daß Reginald von Bergen der Wahrheit auf die Spur kam, mochte wohl eine Ahnung in ihm gewesen sein, eine Ähnlichkeit, die eine Erinnerung in ihm geweckt hatte.
Sein Leben war ausgelöscht worden, bevor er neues Unheil anrichten konnte.
So sagte es auch Dr. Rassow, als er Hedi in die Arme nahm. »Wir könnten Simone ja sagen, daß ich ihr Vater bin«, meinte er.
»Nein, das können wir nicht. Ich habe ihr gesagt, daß er das Kind nicht wollte. Aber wir könnten sie ja fragen, ob sie dich als Vater akzeptieren würde.«
»Und wenn sie mich ablehnt?«
»Ich vertraue auf ihre Menschenkenntnis. Aber es wird schon eine Überraschung für sie sein.«
Reich an Überraschungen und Ereignissen waren diese Tage gewesen, in denen sich alles gesammelt hatte, was es an Leid, Angst, aber auch an Freude und Hoffnung gab. Von Alice war alles abgefallen, was sie gequält hatte. Ihre Stimme hatte wieder den dunklen, vollen Ton wie ehemals, in ihren Augen war jetzt ein warmes Leuchten.
Rolf und Irene konnten nur noch staunen, als sie ihnen so beschwingt entgegenkam. Ihr Kommen war schon ungeduldig erwartet worden, doch Hedi sah vorerst nur ihre Tochter. Jetzt erst wurde es ihr so recht bewußt, daß sie Alice ähnlich war.
»Gut schaust du aus, Mutsch«, sagte Simone innig. »Mir ist es, als hätte ich dich schon ewig nicht gesehen. Ich habe dir soviel zu erzählen.«
»Ich dir auch. Bist du mit der Synchronisation zurechtgekommen?«
»Du weißt es schon?« fragte Simone errötend.
»Ich weiß eine ganze Menge«, lächelte Hedi. »Und manches kann ich mir denken«, fügte sie leise hinzu, als nun André nahte.
*
Es dauerte nicht lange, bis sie alle miteinander vertraut waren, und es schien auch ganz selbstverständlich zu sein, daß Poldi seinen Platz in der Runde hatte. Es wurde viel erzählt, nur der Name Bergen wurde nicht erwähnt.
Rolf sprach dann mit Alice unter vier Augen, und auch Hedi und Simone hatten sich dann einiges zu sagen, was nur sie etwas anging.
»Ich werde jetzt beim Fernsehen arbeiten, Mutsch«, begann Simone vorsichtig. »Ich strebe keine Karriere beim Film an, wenn du das fürchten solltest.«
»Ich rede dir nicht mehr hinein, Simone. Es hat sich so viel verändert. Dr. Rassow möchte mich heiraten«, gestand sie errötend ein. »Es scheint aber so, als hättest du dir schon einen Ersatzvater gesucht.«
Simone lächelte schelmisch. »Der mein Schwiegervater wird, Mutsch. Wie gefällt dir das?«
»Oh, sehr gut«, rief Hedi aus.
»Mir gefällt es auch, daß du unter die Haube kommst.«
»Sehr überrascht bist du aber nicht«, staunte Hedi.
»Ich bin auch mit ein paar Andeutungen vorbereitet worden«, lachte Simone, »wie du anscheinend auch. Alle waren sehr bemüht, daß es zwischen uns keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Und da du innige Freundschaft mit Alice geschlossen hast, wirst du ja wohl auch wissen, daß sie einen Bruder hatte.«
»Darüber wollen wir nicht mehr sprechen. Vergangenes soll vergessen sein Simone. Ich habe so innig gewünscht, daß du glücklich wirst.«
»Ich bin glücklich, liebste Mutsch. doppelt glücklich, weil du es nun auch bist.«
»Würdest du es Poldi sagen? Ihm ist nämlich ein bißchen bange, daß Rolf ihm den Rang bereits abgelaufen hat.«
»Ich finde es herrlich, zwei Väter zu haben«, lächelte Simone. »Jetzt werde ich Poldi sagen, daß er dir ruhig schon ein bißchen früher über den Weg hätte laufen können.«
»Die Zeit war wohl nicht reif, mein Kind. Wann werdet ihr heiraten?«
»Nächstes Jahr, wenn André mit dem Studium fertig ist.«
»So lange werden wir nicht warten«, sagte Hedi.
Simone gab ihr einen innigen Kuß, dann eilte sie zu Poldi, dem die Unruhe auf dem Gesicht geschrieben stand.
»Mach meine Mutsch glücklich, Poldi«, sagte sie innig. »Sie verdient es.«
Er nahm sie in die Arme. Er war so gerührt, daß er keine Worte fand, aber da kam schon André. »He, wie haben wir es denn«, sagte er eifersüchtig.
»Sei nett zu deinem Schwiegervater, André«, lachte Simone, »ich bin ja auch nett zu meinem.«
»Lieben und geliebt zu werden, ist das höchste Glück auf Erden«, sagte Anne zu ihrem Mann. »Und nun soll noch einer sagen, daß hier keine Wunder geschehen!«
Gern wollten sie alle, die sich dieses Glückes nun unbeschwert erfreuen konnten, an dieses Wunder glauben.
»Man könnte direkt ein bißchen neidisch werden, wenn nicht alles so wunderschön wäre«, seufzte Vicky. »Aber Gabi wird’s zerreißen.«
Ein Jahr später wurde auch Gabi mit keinem Wort mehr erwähnt.
Als