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so schwer am Bein verletzt worden war. Pablo fand auch, daß er sich entschuldigen sollte, aber er fürchtete sich sehr vor diesem Zusammentreffen. Ein kleiner Trost war immerhin, daß nicht nur Lisa ihn begleiten würde, sondern daß auch Alexander mitkommen wollte.

      Pablo wußte nicht, daß Lisas Herz bis zum Hals schlug, als sie sich auf den Weg machten. Sie hatte in den letzten Wochen noch mehrfach einen Vorwand gefunden, um Paul Lüttringhaus zu besuchen, aber noch immer gab sie nicht einmal vor sich selbst zu, wie gut er ihr gefiel. Sie redete sich ein, daß es nur ihr schlechtes Gewissen war, daß sie zu diesen Besuchen veranlaßt hatte.

      »So!« sagte sie und holte ganz tief Luft. »Da sind wir.«

      Schüchtern betraten die Kinder hinter ihr das Zimmer. Pablo riskierte einen Blick auf den Mann, der dort im Bett lag und ihnen aufmerksam entgegensah. Es war seine Schuld, daß der Mann hier lag, das wußte Pablo – und er würde nie wieder bei einer roten Ampel einfach weiterfahren, das hatte er nicht nur Lisa, sondern auch sich selbst versprochen. Aber würde der Mann ihm glauben?

      »Guten Tag, Herr Lüttringhaus«, grüßte Lisa und gab ihm die Hand, die er einige Sekunden zu lange festhielt, während er sie strahlend anlächelte. »Dies sind Pablo und Alexander. Sie können sich sicher denken, warum wir heute zu Ihnen kommen.«

      Der Mann richtete seine schwarzen Augen auf Pablo, und dieser hätte am liebsten zu Boden gestarrt, aber das hätte feige ausgesehen, also blickte er dem Mann tapfer in die Augen. Und dabei entdeckte er zu seiner größten Überraschung, daß der Mann freundlich aussah. Und nun begrüßte er ihn auch noch in seiner Heimatsprache!

      »Du bist also Pablo«, sagte Paul Lüttringhaus auf spanisch und dankte im Geiste seiner Mutter, die ihn ermuntert hatte, diese Sprache zu lernen.

      »Ja«, antwortete Pablo, und seine Stimme war so leise, daß sie kaum zu verstehen war.

      »Du mußt keine Angst haben, Pablo«, fuhr Paul mit sanfter Stimme fort. »Ich war sehr wütend auf dich am Anfang, das kannst du dir ja bestimmt vorstellen.«

      Pablo nickte schüchtern, und dann sagte er: »Ich mach’s bestimmt nie wieder, ehrlich nicht. Ich versprech’s. Ich wollte doch bloß einmal ausprobieren, wie das ist, wenn man auf der Straße fährt.«

      Er streckte Paul die Hand hin und sagte: »Entschuldigung!« Und das wiederholte er gleich noch einmal auf deutsch. Er hatte dieses schwierige Wort extra mit Alexander geübt.

      Paul lachte, aber er war auch gerührt. »Entschuldigung angenommen«, sagte er.

      Pablo war zutiefst erleichtert und strahlte.

      »Und du bist also Alexander«, stellte Paul fest. »Ihr seid wohl dicke Freunde, Pablo und du, was?«

      Der Junge nickte. »O ja!« Doch dann machte er ein trauriges Gesicht. »Aber Pablo muß bald wieder zurück. Seine Ferien sind nächste Woche zu Ende«, sagte er.

      »Aber wir laden ihn wieder ein«, warf Lisa schnell dazwischen. Bloß keine Tränen jetzt!

      »Können wir ein bißchen rumlaufen hier?« fragte Alexander. »Dann könnt ihr euch noch ein bißchen unterhalten.«

      Lisa nickte, und weg waren sie.

      »Nette Jungs sind das«, sagte Paul leise. »Sehr nette Jungs, beide.«

      »Ja«, sagte sie, »und ich darf gar nicht daran denken, daß Pablos Zeit hier bald vorbei ist.«

      Sie sah so verloren aus in diesem Augenblick, daß Paul nur den Wunsch hatte, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. Und so überlegte er nicht lange, sondern zog sie zu sich heran. Und im nächsten Augenblick küßte er sie. Er war selbst überrascht und fragte sich, woher er den Mut genommen hatte, das zu tun. Noch überraschter aber war er darüber, daß sie keine Anstalten machte, sich zu wehren.

      »Lisa!« sagte er leise. »Davon träume ich schon, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe.«

      »Beim ersten Mal hast du das aber gut verborgen«, sagte sie und lachte.

      »Stimmt«, gab er reumütig zu. »Wirst du mir jemals verzeihen, wie ich mich da verhalten habe?«

      Sie rückte ein wenig von ihm ab, um ihm besser in die Augen sehen zu können. »Vielleicht, wenn du dir große Mühe gibst!«

      »Willst du mich heiraten?«

      Nun wurden ihre Augen groß. »Bist du verrückt geworden, Paul? Wir kennen uns doch kaum. Außerdem habe ich einen Sohn…«

      »Vielleicht zwei«, meinte er. »Hast du mir nicht erzählt, daß Pablos Eltern beide tot sind?«

      Sie hielt den Atem an. »Sag mal, Paul Lüttringhaus, das klingt so, als hättest du dir das alles schon genauestens überlegt.«

      »Hab’ ich auch«, antwortete er lachend. »Ich war bloß nicht sicher, ob du ja sagen würdest.«

      »Ach, und jetzt bist du sicher?«

      »Um ehrlich zu sein: ja, jetzt bin ich sicher.«

      Statt einer Antwort beugte sie sich zu ihm und küßte ihn. Dieser Kuß dauerte sehr viel länger als der erste. Es dauerte so lange, daß ihn auch Alexander und Pablo noch sehen konnten, als sie zurückkamen. »Mann!« sagte Alexander laut, so überrascht war er.

      Als Lisa und Paul erschrocken auseinanderfuhren, setzte er aber großzügig hinzu:

      »Macht ruhig weiter. Wir wollten euch nicht stören. Nicht, Pablo?«

      Pablo fing an zu kichern, und da kicherte Alexander auch. Sie schlossen die Tür wieder und rannten wie übermütige junge Hunde über den Stationsflur.

      Im Zimmer fragte Lisa: »Und du meinst wirklich, wir sollten ihn adoptieren?«

      Paul nickte. »Ja, das meine ich wirklich.« Dann küßte er sie wieder.

      *

      Dr. Adrian Winter ließ sich in einem der bequemen Sessel in der Bar des King’s Palace nieder und sah sich unauffällig um. Natürlich war nirgends eine Spur von Stefanie Wagner zu sehen. Er war enttäuscht, dabei hatte er es eigentlich nicht anders erwartet. Die Assistentin des Direktors kam wahrscheinlich nur in Ausnahmefällen hierher. Aber in einem versteckten Winkel seines Herzens hatte er eben doch gehofft, sie möge vielleicht unverhofft auftauchen. Seufzend nahm er einen Schluck des wirklich ausgezeichneten Kaffees.

      »Herr Dr. Winter!«

      Er fuhr so hastig in die Höhe, daß ein großer Teil des Kaffees auf sein blütenweißes Hemd überschwappte.

      »O je!« rief Stefanie. »Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken, aber als ich Sie auf einmal hier sitzen sah, da dachte ich, ich sage Ihnen wenigstens schnell guten Tag.«

      »Frau Wagner!« sagte er und kam sich wie ein Volltrottel vor. Hier stand er nun mit kaffeebeflecktem Hemd vor der Frau, die ihm in den letzten Wochen nicht aus dem Kopf gegangen war, und brachte mit Mühe ihren Namen heraus.

      Sie schien seine Unsicherheit nicht zu bemerken. »Kommen Sie mit mir in mein Büro«, sagte sie lächelnd. »Wir werden Ihr Hemd schon irgendwie retten. Oder haben Sie einen dringenden Termin?«

      »Ich?« fragte er und riß sich dann energisch zusammen. Er würde doch wohl noch einen kompletten Satz herausbringen! »Nein, ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als Ihnen in Ihr Büro zu folgen«, sagte er ernsthaft.

      »Na dann«, meinte sie und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, »folgen Sie mir bitte.«

      Das tat er nur zu gern. Das Leben erschien ihm auf einmal so herrlich wie nie zuvor.

Für ein neues Glück mit dir

      »Wahnsinn!« murmelte Dr. Adrian Winter vor sich hin und fuhr sich mit der rechten Hand durch seine dunkelblonden Haare. »Echter Wahnsinn! Wer hätte das gedacht?« Wie angewurzelt stand er da,